Für einmal herrschte am Wochenende gute Stimmung im Weissen Haus. Ein sichtlich zufriedener Präsident Joe Biden sagte am Samstag, einige Stunden, nachdem sein Infrastruktur-Paket im Kongress die letzte Hürde genommen hatte: «Wir haben als Nation einen monumentalen Schritt nach vorne getan.» Und: Die Vorlage, die zusätzliche Investitionen in die marode amerikanische Infrastruktur in dreistelliger Milliarden-Höhe vorsieht, sei eine Vorlage, von der auch ganz gewöhnliche Amerikanerinnen und Amerikaner profitieren würden. Die Hintergründe.
Das Infrastruktur-Paket, das in Gesetzesform 2740 Seiten lang ist, genehmigt zusätzliche Investitionen in den Bau oder die Sanierung von Brücken, Wasserwegen oder Eisenbahnlinien im Umfang von 550 Milliarden Dollar. Unter dem Strich wachsen die Geldmittel, mit der die Bundesregierung in den nächsten zehn Jahren die marode Infrastruktur der grössten Volkswirtschaft aufmöbeln kann, auf etwa 1200 Milliarden Dollar. Dieses Geld soll zum einen in traditionelle Infrastruktur-Projekte fliessen, wie ein neuer Eisenbahntunnel zwischen New York City und den Vorstädten in New Jersey; oder in den Neubau einer fast 60 Jahre alten Autobahnbrücke bei Cincinnati (Ohio), über die jeden Tag gegen 160'000 Fahrzeuge donnern.
These investments are a huge deal for the American people. Take it from a guy who likes trains almost as much as I do: pic.twitter.com/37L2gnShpT
— President Biden (@POTUS) November 6, 2021
Zum andern sollen mit den neuen Mitteln auch zukunftsträchtige Vorhaben unterstützt werden. Für 65 Milliarden Dollar will Washington sicherstellen, dass auch die Bewohnerinnen und Bewohner des ländlichen Raumes künftig Zugriff auf das schnelle Internet haben; das Geld soll in den Bau neuer Glasfaserkabel investiert werden oder in die Reduktion der viel zu hohen Monatsrechnungen für Internetservice. Das Paket sieht zudem auch Investitionen in grüne Energie vor, oder den Rückbau alter Bausünden.
Dass es so lange dauerte, bis Biden endlich jubeln konnte, lässt sich mit den Flügelkämpfen der Demokraten erklären. Linke Abgeordnete forderten bis zuletzt, dass im Repräsentantenhaus nicht nur über das Infrastruktur-Paket, sondern auch über eine noch umfassendere Vorlage zur Reform des Sozialstaates abgestimmt werde. Dieses zweite Paket, von Biden «Build Back Better» genannt, enthält auch Geld zur Bekämpfung des Klimawandels. Dem rechten Flügel der Demokratischen Partei ist diese Vorlage aber suspekt, weil ihrer Meinung nach Unklarheit über die Finanzierung neuer Sozialprogramme wie der Elternzeit herrsche.
Also debattierten die Demokraten, seit der Passage des Infrastruktur-Pakets im Senat im Juli wochenlang über verfahrenstechnische Fragen. Und blockierten sich damit gegenseitig, obwohl doch viele Ideen und Vorschläge der Biden-Partei unter den Wählerinnen und Wählern auf Zustimmung stossen. Die Debatte über «Build Back Better» wird nun Mitte November weitergehen, mit offenem Ausgang.
Die Demokraten können nach diesem Abstimmungserfolg eine Atempause einlegen. Die Passage des Infrastruktur-Pakets wird es ihnen erlauben, im kommenden Wahljahr auf vorzeigbare Projekte zu verweisen, wenn sie um Stimmen werben. Und Verkehrsminister Pete Buttigieg, der sich 2020 erfolglos um die Nomination zum Präsidentschaftskandidaten bemühte, kann nun Geld mit beiden Händen verteilen und sich für die Biden-Nachfolge in Stellung bringen.
These are the 13 “Republicans” who handed over their voting cards to Nancy Pelosi to pass Joe Biden’s Communist takeover of America via so-called infrastructure:
— Marjorie Taylor Greene 🇺🇸 (@mtgreenee) November 6, 2021
Katko
Bacon
Van Drew
Young
Upton
Kinzinger
Gonzalez (OH)
Reed
Smith
Gabarino
Malliotakis
Fitzpatrick
McKinley
Bei den Republikanern hingegen ist Feuer im Dach, obwohl die Partei doch jüngst bei den Wahlen gerade in Virginia und New Jersey sehr gut abschnitten hatte. Für den neuen Streit verantwortlich sind die 13 Abgeordneten, die am Freitag für das Infrastruktur-Paket stimmten und damit die Passage der Vorlage im Repräsentantenhaus ermöglichten. 6 Demokraten, vom linken Flügel, stimmten mit Nein; aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse hätten es die Republikaner damit in der Hand gehabt, das Paket zum Scheitern zu bringen. Die rechte Abgeordnete Marjorie Taylor Greene wetterte anschliessend auf dem Kurznachrichtendienst Twitter gegen ihre Parteifreunde, die mit ihrer Stimme eine «kommunistische Übernahme» Amerikas ermöglicht hätten.
Diese Frau ist so durchgeknallt ey.
Aber sie repräsentiert den aktuellen Zustand der Republikanischen Partei eigentlich ganz gut.