Trump spricht von «kriegsähnlichen» Zuständen – rechte Richterin widerspricht ihm
Donald Trump bleibt dabei: In Portland, der grössten Stadt im Bundesstaat Oregon, da herrschen «kriegsähnliche» Zustände. Deshalb will der amerikanische Präsident nun Hunderte von Nationalgardisten in die Metropole schicken, in der rund 650'000 Personen leben. Sie sollen den Gebäudekomplex der Migrationspolizei ICE bewachen, vor dem angebliche Anarchisten seit Wochen demonstrieren und damit die Arbeit der Bundesbehörde behindern.
Eine Bundesrichterin, deren Büro sich in Portland selbst befindet, ist nun allerdings anderer Meinung. Ein Einsatz der Nationalgarde sei unverhältnismässig und verstosse gegen die Verfassung, urteilte die Richterin Karin Immergut am Samstag – gebe es doch keine Hinweise darauf, dass die Proteste Teil einer bewaffneten Rebellion seien. Gleich zweimal untersagte Richterin Immergut deshalb der Regierung Trump, einige Hunderte uniformierte Reservisten in die Stadt zu verlegen.
Scharfe Kritik von Trump-Berater
Trump kündigte umgehend an, das Urteil in der nächsten Instanz anzufechten. Er sieht den geplanten Truppeneinsatz in Portland als Teil des Kampfes gegen den «Feind im Innern», auf den er Generäle und Admiräle während einer Rede in der vorigen Woche einschwor. Die Streitkräfte könnten nicht teilnahmslos zusehen, wie regierungsfeindliche Kräfte das Land zerstören, sagte Trump sinngemäss.
Immergut nahm diese Argumentation aber in ihren Urteilen auseinander. Die Richterin, die politisch der Republikanischen Partei nahesteht, verwies auf die weitgehend friedlichen Proteste in Portland in den vergangenen Wochen. Im Unterschied zu der Situation in Los Angeles im Frühsommer hätten die lokalen Polizeibehörden in Oregon die Lage unter Kontrolle gehabt. Wer das Gegenteil behaupte, ignoriere die Fakten, schrieb Immergut in ihrem Urteil.
Das Weisse Haus liess diese Kritik nicht auf sich sitzen. Trump selbst distanzierte sich von der Richterin, die er 2019 selbst nominiert hatte. Und sein Berater Stephen Miller nannte das Urteil auf dem Kurznachrichtendienst X, den Versuch einer Richterin, die Staatsgewalt mit Hilfe von Richtersprüchen zu stürzen.
In Portland selbst wurde das Urteil von Politikern der Demokraten, die in der Stadt schon lange das Sagen haben, begrüsst. Stadtpräsident Keith Wilson versprach, die Rechte der Bewohnerinnen und Bewohner seiner Stadt weiterhin zu verteidigen.
Von alten Fernsehbildern inspiriert?
In den Augen vieler Menschen in Oregon beruht der Entscheid von Trump, Nationalgardisten nach Portland zu entsenden, auf einem Missverständnis. Im Sommer 2020, nach der Ermordung von George Floyd, war das Stadtzentrum in der Tat ein Schauplatz vieler gewalttätiger Demonstrationen, ist Portland doch schon lange eine Hochburg von linksradikalen Gruppierungen. Bereits im Jahr 1991 soll der damalige Präsident George H.W. Bush der Stadt den Beinamen «Little Beirut» verpasst haben.
Diese alten Bilder wurden in den vergangenen Wochen von Fernsehsendern wie dem Fox News Channel gezeigt, vermischt mit aktuellen Aufnahmen von Demonstrationen in Portland. Diese finden rund 3 Kilometer entfernt vom Stadtzentrum statt, in einem ehemaligen Industriegebiet, wo sich auch das lokale ICE-Büro und ein Ausschaffungsgefängnis befinden.
Auf den unersättlichen Fernsehkonsumenten Trump soll diese Mischung grossen Eindruck gemacht haben. Am 2. September sagte der Präsident im Oval Office: Er habe im TV gesehen, wie furchtbar die Zustände in Portland seien. «Die Leben in der Hölle», sagte Trump über die Bevölkerung von Portland. An den Protesten nehmen jeweils nur einige Hundert Menschen teil. (aargauerzeitung.ch)
