Mit dem knapp sieben Meter langen U-Boot namens Titan können wohlhabende Touristen das legendäre Wrack der 1912 gesunkenen Titanic besuchen – der Tauchgang kostet 250'000 Dollar oder 224'000 Franken. Am Sonntagmorgen startete ein solcher Tauchgang in St. John's auf der kanadischen Insel Neufundland. Nach knapp zwei Stunden brach der Kontakt zum Schiff, welches das Tauchboot begleitete, ab. Seither gilt das Boot mit fünf Insassen an Bord als vermisst. Die US-Küstenwache sucht in einer grossangelegten Aktion gemeinsam mit kanadischen Einsatzkräften und privaten Booten sowie Handelsschiffen nach dem U-Boot.
Die Rettungskräfte sind dabei unter grossem Druck, denn: Der Sauerstoff an Bord der Titan ist begrenzt. Laut dem verantwortlichen Kommandanten bei der US-Küstenwache, John Mauger, reicht der Vorrat für 70 bis 96 Stunden. Mittlerweile wird das Tauchboot bereits seit mehr als 30 Stunden vermisst.
Zunächst gehe es darum, das Tauchboot an der Wasseroberfläche oder in der Tiefe des Ozeans aufzuspüren, sagte Kommandant Mauger. Dafür würden mehrere Flugzeuge und Schiffe sowie Bojen mit Sonar an Bord eingesetzt, die Geräusche in einer Meerestiefe von bis zu knapp 4000 Metern erfassen können. Erst wenn der genaue Ort des Bootes klar sei, könne eine mögliche Rettung angegangen werden.
Bei der grossangelegten Rettungsaktion arbeitet die US-Küstenwache mit kanadischen Einsatzkräften und privaten Booten und Handelsschiffen an der vermuteten Stelle rund 1500 Kilometer östlich der US-Metropole Boston zusammen.
Die Suche und eine allfällige Bergung gestalten sich als sehr schwierig. Die Titanic liegt in rund 3800 Metern Tiefe, worauf der Ozeanforscher Robert Blasiak vom Stockholm Resilience Centre gegenüber der BBC hinwies:
Licht dringe höchstens einen Kilometer weit in die Meeresoberfläche ein, es sei also stockfinster bei gleichzeitig erheblichem Wasserdruck.
Der U-Boot-Experte Alistair Greig vom University College London nannte im BBC-Gespräch mehrere mögliche Szenarien des Vorfalls. Bei einem Strom- oder Kommunikationsausfall könne es sein, dass das Tauchboot zur Oberfläche getrieben würde. Deutlich schlechter wäre die Lage, sollte der Rumpf beschädigt worden sein und es ein Leck geben. «Dann ist die Prognose nicht gut», sagte Greig.
Einer der Gäste an Bord der Titan ist der britische Milliardär Hamish Harding. Er ist CEO der in Dubai ansässigen Firma Action Aviation, die unter anderem Privatflugzeuge verkauft. Harding ist bekannt für seinen Hang zum Abenteuer. Er reiste schon mit Buzz Aldrin an den Südpol, war im Weltall und ist zudem ausgebildeter Pilot, Taucher und Fallschirmspringer. Harding hält sogar Weltrekorde, 2019 wurde er ausgezeichnet, als ihm die schnellste Umrundung der Erde via beide Pole gelang.
Die Reise zur Titanic war für Harding offenbar ein lang gehegter Traum. Die Umstände dafür waren aber alles andere als günstig: Weil der letzte Winter einer der «härtesten Winter in Neufundland seit 40 Jahren» war, schreibt Harding auf Instagram, habe sich erst jetzt ein Wetterfenster geöffnet. Die Reise zur Titanic werde die einzige bemannte dieses Jahr bleiben, so Harding. Sein Unternehmen verkündete am Sonntag via Instagram-Account, dass das Tauchboot erfolgreich in Richtung Titanic aufgebrochen sei.
Am Montag, nachdem die ersten Berichte aufgetaucht waren, bestätigte Hardings Stiefsohn, dass sein Stiefvater an Bord des U-Boots und dieses verschwunden sei.
Während es in den sozialen Medien viele mitfühlende Kommentare mit den Vermissten gibt, häuft sich auch die Kritik. Der Crew um Milliardär Harding wird Leichtfertigkeit und Grössenwahn vorgeworfen, das Vorhaben, die Titanic «live» zu sehen, als «unnötig» bezeichnet.
Einige stören sich auch an den Relationen des Ausmasses der Rettungsaktion – nur weil es sich um reiche Leute handle, werde derart intensiv nach dem Tauchboot gesucht. Einige ziehen Vergleiche mit der jüngsten Flüchtlingskatastrophe vor Griechenland, wo hunderte Menschen starben. Dort habe man vergleichsweise wenig Ressourcen aufgewendet, um die Menschen zu retten.
Contrast: efforts to rescue 5 rich tourists from (missing) Titanic submarine vs. leaving hundreds of refugees (known location) in the sea until too late to save most
— Beth Sawyer (@eb_sawyer) June 20, 2023
Mit Material der Nachrichtenagenturen SDA und DPA.