Vor knapp einer Woche, am 4. Oktober, bat die Polizeibehörde von Merced County in Kalifornien die Öffentlichkeit um Hilfe: Drei Erwachsene und ein acht Monate altes Baby wurden vermisst. Die Beamten vermuteten, dass die Familie entführt wurde.
Bereits am folgenden Tag herrschte traurige Gewissheit: Ein Farmarbeiter fand die Leichen von Vater Jasdeep Singh (36), dessen Bruder Amandeep Singh (39), Mutter Jasleen Kaur (27) sowie des acht Monate alten Babys Aroohi Dheri in einem abgelegenen Obstgarten, wie NBC berichtete. Dieser liegt ungefähr 30 Minuten südlich von dem Ort, an dem die Familie entführt wurde.
Die Tat sorgt für grosse Fassungslosigkeit, auch bei den Ermittelnden: «Es gibt einfach keine Worte, um die Wut zu beschreiben, die ich empfinde, und die Sinnlosigkeit dieses Vorfalls», sagte Vernon H. Warnke, Polizeichef von Merced County.
Recht schnell identifizierte die Polizei Jesus Manuel Salgado als mutmasslichen Entführer. Bilder der Überwachungskameras vor der Speditionsfirma der Familie zeigten, wie der Vater und sein Bruder mit den Händen hinter dem Kopf das Gebäude verlassen, während Salgado mit einer Waffe auf die beiden zielt. Er befahl ihnen, in seinen Pick-Up zu steigen und fuhr davon. Laut den Behörden kehrte er dann wenige Minuten später zurück, um auch die Mutter und das Baby zu entführen.
Salgado war ein Angestellter der Familie, der aber nach langem Streit entlassen wurde. Laut Polizeichef Warnke hatten sich Salgado und die Familie während eines Jahres immer wieder heftig gestritten, in E-Mails und SMS sei es dabei «ziemlich böse» zu- und hergegangen.
Die Behörden verhafteten Salgado, der wegen bewaffneten Raubüberfalls bereits zehn Jahre im Gefängnis sass, nachdem er die Kreditkarte eines der Opfer benutzte. Ebenfalls verhaftet wurde der Bruder des mutmasslichen Täters, Alberto Salgado. Ihm wird Beihilfe zum Mord und Vernichtung von Beweismaterial vorgeworfen, wie die «New York Times» schreibt.
Das Motiv der Brüder ist noch nicht eindeutig klar. «Geldnot oder Wut, beides könnte zutreffen», erklärte Polizeichef Warnke.
Die Familie sei des amerikanischen Traums wegen aus Indien in die USA gekommen, sagt der Cousin der beiden getöteten Männer, Amarinder Singh, gegenüber NBC. Die USA sei in ihrer Wahrnehmung ein Land «mit einem Versprechen auf Sicherheit» gewesen.
Der Vater habe hart gearbeitet, um seiner Familie ein gutes Leben aufbauen zu können. In den ersten Jahren habe er sich als Kassierer und Fabrikarbeiter durchgeschlagen, ehe er sich mit anfangs einem Lastwagen selbstständig machte und seine Firma aufbaute.
«Ich verfolge die Nachrichten. Ich habe von vielen Dingen gehört, die passieren. Schulschiessereien und was sonst noch in den USA geschieht», sagte der Cousin. «Aber ich hätte nie gedacht, dass so etwas unserer Familie zustossen würde.» Das einst perfekte Bild von Amerika, das im Laufe der Jahre Risse bekommen hatte, sei nun zerbrochen, so Singh. (con)