Das meiste von dem, was Gordon Sondland in seiner mehrstündigen Aussage zur Ukraine-Affäre ausführte, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: «Alle wussten Bescheid.»
Donald Trumps EU-Botschafter sagte diesen Satz mehrfach in seinem langen Eingangsstatement. Und sinngemäss sagte er das auch immer wieder in der folgenden Frage-und-Antwort-Sitzung. Was er damit meinte: Es habe keinen inoffiziellen Schattenkanal gegeben, auf dem Druck auf die Ukraine ausgeübt worden sei – denn die Einflusskampagne sei mit offiziellem Segen abgelaufen.
Sondland, der Mann im Zentrum des Skandals, sagte, dass er im «ausdrücklichen Auftrag» Donald Trumps vorgegangen sei und dass dieser die Ukraine zu Ermittlungen gegen seine innenpolitischen Konkurrenten, Joe Biden und die Demokraten, habe drängen wollen.
Er sagte, dass US-Aussenminister Mike Pompeo stets im Bilde gewesen sei über die Gespräche und dass dieser noch am 24. September aufgetragen habe, man solle mit Trumps Privatanwalt Rudy Giuliani sprechen – dem Tag, an dem die Demokraten ihre Impeachment-Untersuchung ankündigten.
Ambassador Sondland testified:
— House Intelligence Committee (@HouseIntel) November 20, 2019
➡️ There was quid pro quo in Trump's Ukraine scheme.
➡️ Zelensky would need to announce investigations that would benefit Trump politically in order to lift the "logjam" of aid and a White House meeting.
➡️ Everyone was in the loop about it. pic.twitter.com/nBouyf4tTX
Und er sagte, er habe Vizepräsident Mike Pence auf seine Besorgnis über die Zurückhaltung der US-Militärhilfen an Kiew angesprochen.
Trump, Pompeo, Pence: Sondland, der amerikanische EU-Botschafter, holte die drei wichtigsten Amtsträger in die direkte Verantwortung für die Ukraine-Affäre. Keine Aussage war in Washington mit solcher Spannung erwartet worden wie diese. Denn mit Sondland trat am Mittwoch die zentrale Figur der Ukraine-Affäre an die Öffentlichkeit.
Sogleich nach dem Ausbruch der Ukraine-Krise war er in den Fokus gerückt. Nicht nur, weil es höchst ungewöhnlich war, dass ein EU-Botschafter plötzlich für die Ukraine-Politik verantwortlich war, sondern weil Sondlands Forderungen an Kiew die Alarmglocken zahlreicher Mitarbeiter im Weissen Haus, im Aussenministerium und in der Botschaft in Kiew schrillen liessen – unter anderem der schon aufgetretenen Zeugen Bill Taylor und George Kent.
Der 62-Jährige prahlte im ukrainischen Fernsehen zudem, mit Energieminister Rick Perry und dem Ukraine-Sondergesandten Kurt Volker die «drei Amigos» zu bilden, die die Ukraine-Politik in die Hand nähmen. Ein Trump-Amigo ist er auch in anderer Hinsicht: Sondland ist ein Hotelunternehmer, der seinen Botschafterposten in erster Linie einer Millionenspende für Trumps Feier zur Amtseinführung zu verdanken hat.
Für Sondland stand viel auf dem Spiel. Er musste bereits mehrfach seine bisherigen Aussagen korrigieren, hatte etwa nichts erwähnt von einem Telefonat, das er am 26. Juli geführt hatte – und das erst durch die Aussage Taylors in der vorigen Woche bekannt wurde.
Er blieb auch im Verlauf der Aussage am Mittwoch ein problematischer Zeuge, weil er sich an einiges nicht erinnerte. Er selbst rechtfertigte seine Erinnerungslücken auch damit, dass ihm das Weisse Haus untersagt hatte, Aufzeichnungen über seine Kommunikation einzusehen und dem Ausschuss vorzulegen.
Sondland entscheidet sich dafür, sich selbst aus der Schusslinie nehmen. Er betonte, dass alle seine Handlungen abgesprochen gewesen seien – und dass er nur notgedrungen mit Trumps Privatanwalt Rudy Giuliani die Ukraine-Politik besprochen habe, weil Donald Trump eben angeordnet habe, «mit Rudy zu reden». Es habe dazu keine Alternative gegeben. Giuliani habe «für Präsident Trump gesprochen.»
Sondland bestätigte, dass es selbstverständlich ein «Quid pro quo» gegeben habe – also dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nur dann ein Treffen im Weissen Haus bekommen sollte, wenn er Ermittlungen gegen Trumps Konkurrenten einleite. Er widersprach also eindeutig der Verteidigungslinie Trumps.
Der Präsident reagierte auf seine Art. Während Sondland im Kongress über seine rund 20 Gespräche mit Trump aussagte, sagte der US-Präsident vor den Kameras im Weissen Haus, er kenne den Mann so gut wie nicht. Zudem dementierte das Büro des Vizepräsidenten, dass Sondland Pence vor einer Erpressung der Ukrainer gewarnt habe.
Für die Demokraten war der Umstand, dass der schillernde Sondland Trump, dessen Stabschef Mick Mulvaney und Pompeo in die Schusslinie zieht, höchstwillkommen. Und so nutzte der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, der Demokrat Adam Schiff , die erste kurze Unterbrechung dafür, um draussen auf den Fluren in die Kameras zu sagen, dass das Ausmass der Ukraine-Affäre grösser werde und dass dies ein bedeutender Moment in der Impeachment-Untersuchung sei.
Die Republikaner wiederum stürzten sich darauf, dass Sondland keinen direkten Beleg dafür parat hatte, dass Trump selbst das Einfrieren der rund 400 Millionen US-Dollar an Militärhilfe an die Ukraine angeordnet habe. Diese Frage ist für viele Beobachter schwerwiegender als der Besuchstermin im Weissen Haus. Sondland hat sich nach eigener Aussage dafür eingesetzt, dass die Gelder freigegeben werden.
Mehrere Republikaner im Ausschuss warfen dem Zeugen vor, dass er eine Verknüpfung des Einfrieren zur Aufnahme von Ermittlungen gegen Trumps Konkurrenten lediglich annehme. Er selbst sprach hier von einem «potenziellen Quid pro quo».
Sondland admits Trump told him “I want no quid pro quo.” Also admits his opinion that there was quid pro quo is based on a “presumption” – and is directly contradicted by Volker and Morrison. Reasonable people having different conclusions isn’t compelling evidence to impeach. pic.twitter.com/aYaxH7O2xc
— John Ratcliffe (@RepRatcliffe) November 20, 2019
Trump habe ihm in einem Gespräch zwar gesagt, er wolle kein Quid pro quo. Sondland sagte aber auch, er habe keine andere Erklärung dafür, dass die Militärhilfe wochenlang zurückgehalten worden sei. Er sei irgendwann zu diesem Schluss gekommen, weil er «Eins und Eins zusammengezählt» habe.
Tatsächlich hatte vor einem Monat bereits Trumps eigener Stabschef Mulvaney einen Zusammenhang zwischen Trumps Wünschen nach Ermittlungen und dem Einfrieren der Gelder eingeräumt. Er sagte das in einer verunglückten Pressekonferenz – und musste wenige Stunden später wieder zurückrudern.
Alleine, dass ein Präsident um Hilfe bei einer ausländischen Macht angefragt hat ("I'd like to ask you a favor, though") bei etwas, dass ihm bei Präsidentenwahlen potentiell helfen würde, ist schon mehr als genug an "misdemeanor".
Dass das noch mit Steuergeld hätte erpresst werden sollen, das kommt nur noch erschwerend hinzu.
So sehr ich 45 weg von den White House Fenstern möchte - bleibt doch bei den Fakten und versucht nicht etwas herbeizuschreiben, was immer noch fürchterlich schief gehen könnte.