International
USA

Definitiv: Republikaner erobern Mehrheit im US-Repräsentantenhaus

epa10307647 Republican House Minority Leader Kevin McCarthy, surrounded by other leaders-elect, speaks with reporters following a meeting with House Republicans to vote on new members of House leaders ...
Künftig führt er die Mehrheit im Repräsentantenhaus an: der Republikaner Kevin McCarthy.Bild: keystone

Definitiv: Republikaner erobern Mehrheit im US-Repräsentantenhaus – Pelosis Zukunft unklar

17.11.2022, 00:4617.11.2022, 07:01
Mehr «International»

US-Präsident Joe Biden wird in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit auf Gegenwind aus dem Kongress treffen. Die Republikaner errangen eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus, wie US-Fernsehsender und die Nachrichtenagentur AP in der Nacht zum Donnerstag auf Basis ausgezählter Stimmen und Prognosen meldeten. Damit können sie Gesetzesinitiativen aus dem Weissen Haus blockieren und Untersuchungen Bidens und seiner Politik anstrengen.

Zugleich zogen die Amerikaner bei den Zwischenwahlen vergangene Woche in vielen Fällen Demokraten insbesondere den von Ex-Präsident Donald Trump unterstützten radikalen Republikanern vor. Entgegen der Erwartungen behielten die Demokraten die Kontrolle über den Senat und haben sogar die Chance, ihre Mehrheit dort auszubauen. Und im Abgeordnetenhaus werden die Republikaner statt des erhofften überwältigenden Sieges nur knapp über der nötigen Mehrheit von 218 Stimmen liegen.

U.S. President Joe Biden makes a statement during a meeting with British Prime Minister Rishi Sunak at the G20 summit, Wednesday, Nov. 16, 2022 in Nusa Dua, Bali, Indonesia. (Leon Neal/Pool Photo via  ...
Joe Biden gratulierte den Republikanern.Bild: keystone

Die Demokraten liegen inzwischen bei 210 Sitzen. Damit sind nur noch sieben Sitze offen. Der knappe Vorsprung macht es für den bisherigen republikanischen Minderheitsführer Kevin McCarthy schwieriger, Siege bei Abstimmungen zu erzielen. Er braucht für Initiativen die Stimmen sowohl gemässigter Republikaner als auch rechter Trump-Getreuen. Noch unklar ist, wie die Ankündigung Trumps, ins Rennen um eine zweite Amtszeit zu gehen, die Dynamik bei den Republikanern beeinflusst.

Bei den «Midterm»-Wahlen in der Mitte von Bidens Amtszeit wurden am Dienstag vergangener Woche alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und etwa ein Drittel der Sitze im Senat neu vergeben. Ausserdem wurden in zahlreichen Bundesstaaten die wichtigen Gouverneursämter neu besetzt. Die Auszählung der Stimmen zog sich in mehreren Rennen lange hin, wegen sehr knapper Ergebnisse und wahlrechtlicher Besonderheiten in einigen Bundesstaaten.

Joe Biden betonte in einem Glückwunsch-Schreiben an McCarthy, er sei bereit, mit den Republikanern im Abgeordnetenhaus zusammenzuarbeiten, «um Ergebnisse für arbeitende Familien zu erreichen». Die Wahl habe demonstriert, dass die Menschen politische Gewalt und die von Trump vorangetriebenen Behauptungen über einen ihm gestohlenen Wahlsieg ablehnten.

McCarthy wurde diese Woche zwar als Anführer der Republikaner in der Kammer bestätigt. Er bekam dabei aber nur 188 Stimmen, während 31 republikanische Abgeordnete für den rechten Herausforderer Andy Biggs stimmten. Um die Demokratin Nancy Pelosi im Januar auf dem Chefposten der Kammer abzulösen, braucht McCarthy die Mehrheit des gesamten Repräsentantenhauses.

Rep. Don Bacon holds signs on the southeast corner of 90th and Dodge on Tuesday, Nov. 8, 2022, in Omaha, Neb. Bacon is up for reelection today. (Chris Machian/Omaha World-Herald via AP)
Don Bacon
Don Bacon hätte lieber einen moderaten Republikaner als Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus.Bild: keystone

Eine Patt-Situation bei den Republikanern könnte ungewöhnliche Folgen haben. So sagte der republikanische Abgeordnete Don Bacon, er wäre dann bereit, mit Demokraten zusammenzuarbeiten, um einen moderaten Republikaner zum Vorsitzenden der Kammer zu wählen. Der Posten ist die Nummer drei in der politischen Rangfolge in den USA nach dem Präsidenten- und dem Vizepräsidenten-Amt.

McCarthy betonte, mit dem Sieg im Kongress sei die Zeit vorbei, in der nur eine Partei in Washington regiere. «Wir haben Nancy Pelosi gefeuert.» Pelosi betonte hingegen, dass die Demokraten weiterhin viel Einfluss neben einer «mageren Mehrheit» der Republikaner haben würden.

Ob die 82-Jährige die Demokraten auch in der Minderheit weiter führen will, ist offen. Ihr Ehemann Paul Pelosi war vor wenigen Wochen bei einem Angriff auf das Haus des Paars in San Francisco schwer verletzt worden und sie sagte, dass dies die Entscheidung über ihre politische Zukunft beeinflussen werde.

FILE - Speaker of the House Nancy Pelosi, D-Calif., speaks at a news conference as Democrats push to bring the assault weapons ban bill to the floor for a vote, at the Capitol in Washington, July 29,  ...
Nancy Pelosis künftige Rolle in der US-Politik ist noch unklar.Bild: keystone

Mit der Mehrheit im US-Senat können Demokraten dort Initiativen von Republikanern aus dem Repräsentantenhaus stoppen. Die Republikaner haben aber auch damit gedroht, diverse parlamentarische Untersuchungen gegen Demokraten anzustossen: etwa zur Lage an der Grenze zu Mexiko, zur FBI-Durchsuchung beim früheren republikanischen Präsidenten Donald Trump oder zu Geschäften von Bidens Sohn Hunter. Sie könnten womöglich auch Amtsenthebungsverfahren gegen Mitglieder des Kabinetts anstrengen. Damit können sie Biden und seiner Regierung in den kommenden zwei Jahren das Leben schwer machen.

Und dem Repräsentantenhaus kommt in Haushaltsfragen besonderes Gewicht zu. Die Republikaner drohten damit, eine Anhebung der Schuldenobergrenze oder Finanzhilfen für die Ukraine zu blockieren. Beobachter sehen das lediglich als Mittel, um den Demokraten an anderer Stelle ein Entgegenkommen abzutrotzen. Es dürfte für Biden aber schwieriger werden, selbst solche Vorhaben durchzusetzen, die üblicherweise parteiübergreifend beschlossen werden.

Bei den Zwischenwahlen in der Mitte der Amtszeit eines US-Präsidenten bekommt dessen Partei üblicherweise einen Denkzettel verpasst. Der Präsident steht selbst nicht zur Wahl, die Abstimmung gilt aber als eine Art Referendum über dessen Politik. Biden hatte innenpolitisch zuletzt unter anderem die Inflation im Land zugesetzt – insbesondere steigende Spritpreise sorgten für Unzufriedenheit. Und schon zuvor hatte Biden mit dramatisch schlechten Umfragewerten zu kämpfen.

Vor der Wahl war deshalb eine Erfolgswelle für die Republikaner vorausgesagt worden, und ein Debakel für die Demokraten. Doch beides blieb aus. Stattdessen schnitten die Demokraten insgesamt unerwartet stark ab. (con/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
36 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
5crambler
17.11.2022 03:00registriert Juli 2021
Naja, wurde vorab doch viel schlimmer erwartet.

Ist ja "normal", dass ein POTUS/US-Präsident in der 2. Halbzeit zur "lame Duck" wird. Nur eine weitere Anomalie der sog. Demokratie der USA.

Unmöglich, so etwas langfristig Wirksames oder Nachhaltiges zu schaffen.

Ein völlig krankes und absurdes System, das die haben!
1109
Melden
Zum Kommentar
avatar
Egü
17.11.2022 03:07registriert Januar 2020
wer die usa als vorbild der demokratie benennt, kann dem zitronenfalter auch das zitronen falten zutrauen...
9018
Melden
Zum Kommentar
36
«Angst, unser Land zu verlieren» – Darum geht es bei den Massenprotesten in Georgien
Zehntausende Menschen gehen in Tiflis seit Wochen auf die Strasse. Sie demonstrieren gegen ein neues Gesetz der prorussischen Regierung. Zur aktuellen Lage in Georgien die Antworten auf die drängendsten Fragen.

Die Stimmung in Georgien ist aufgeladen. Zehntausende Menschen gehen seit Wochen auf die Strasse, um gegen ein umstrittenes Gesetz zu demonstrieren, das die verschärfte Kontrolle von Nichtregierungsorganisationen bringt.

Zur Story