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Joe Biden auf TikTok: Wahlkampf vor allem gegen Donald Trump

Biden rote Augen red eyes conspiracy Dark Brandon
Auf seinem TikTok-Profilbild hat Joe Biden leuchtend rote Augen – eine Anspielung auf die Verschwörungserzählungen einiger Republikaner.Bild: Screenshot

«Sein Profil wirkt wie ein Hass-Account»: Bidens TikTok-Auftritt könnte Eigentor werden

Vor einem Jahr wollte er die App noch verbieten, jetzt versucht der US-Präsident die jungen Leute auf deren Lieblingsplattform für sich zu gewinnen. So richtig klappen will das aber nicht. Wir haben Schweizer TikToker gefragt, woran das liegt. In einem Punkt waren sich alle einig.
01.03.2024, 12:59
Natasha Hähni / ch media
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Ist Joe Biden zu alt, um noch einmal als Präsident anzutreten? Rund drei Viertel der US-Wählerschaft und knapp die Hälfte aller demokratischen Wählerinnen und Wähler beantworten diese Frage zurzeit mit Ja. Dem will der US-Präsident nun gegensteuern – auf TikTok, der App der jungen Generation.

Dort zeigt sich der 81-Jährige bei Interviews und Reden – und erinnert seine Follower an den Moment, als er Donald Trump bei einer Präsidentschaftsdebatte sagte, er soll den Mund halten. In einem der neusten Videos antwortet er einem Reporter, der nach den Resultaten seines Gesundheitschecks fragt: «Sie finden, ich sehe zu jung aus.»

Sein erstes Video, ein «Entweder-oder»-Spiel während des Superbowls, wurde über 10 Millionen Mal gesehen.

In der Vergangenheit hat Biden öfters auf Influencer und Prominente wie Taylor Swift gesetzt, um seine Botschaften bei jungen Menschen zu verbreiten. Mit dem neuen TikTok-Account wolle man nun selber Inhalte erstellen, «die ansprechend, nativ und auf das Publikum auf TikTok zugeschnitten sind», heisst es aus Bidens Wahlkampf-Team. Im Moment experimentiere die Kampagne aber noch damit, wie sie die App nutzen will. Bisher wirkt der Account noch etwas chaotisch.

Eines fällt aber schon jetzt besonders auf: Sein Rivale ist auf sehr vielen Videos zu sehen. Regelmässig werden Inhalte mit Titeln wie «Trump verwirrt auf der Bühne» hochgeladen. Zum Valentinstag postete Biden die Nachricht «Ich liebe dich fast so sehr, wie Trump es liebt, Abtreibung zu verbieten», auf einem rosaroten Hintergrund. Insgesamt sind rund ein Drittel der Inhalte auf dem Profil «bidenhq» Donald Trump gewidmet.

Die Jungen wenden sich von Biden ab

Dass Biden sich so hart an seinem Gegner abarbeitet, ist kein Zufall. Berichten zufolge hat der Präsident Wahlkampfhelfer angewiesen, sich mehr auf den «verrückten Scheiss» zu konzentrieren, den Trump von sich gibt.

Der Plan mag auf den ersten Blick sinnvoll wirken. Trumps Patzer und kontroverse Ideen hervorzuheben könnte von den eigenen Problemen ablenken – und von denen hat der Präsident genug – besonders mit der «TikTok-Generation», wie aktuelle Umfragen zeigen:

Überzeugte Biden in den vergangenen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 noch einen Grossteil der jungen Bevölkerung, unterstützen ihn heute nur noch 43 Prozent derselben Gruppe – weniger als Trump, der bei 49 Prozent der jungen Leute ankommt. Sogar bei jungen Demokraten zwischen 18 und 29 Jahren ist die Zustimmungsrate für Biden laut einer Umfrage der Harvard Kennedy School im Herbst 2023 gerade einmal bei 62 Prozent.

Hinzu kommt, dass laut einer NBC-Erhebung vom November ganze 70 Prozent der Wählerinnen und Wähler zwischen 18 und 34 Jahren nicht mit Bidens Umgang mit dem Krieg in Gaza einverstanden sind. Viele Demokraten sind deshalb besorgt, dass junge Menschen die Wahlen boykottieren, Trump unterstützen oder für einen Drittkandidaten stimmen könnten.

«Profil wirkt wie ein Hass-Account»

Mit seinem TikTok-Auftritt will Joe Biden das Ruder bei den jungen Leuten nun herumreissen. Nur: Kann das gelingen?

Wir haben Schweizer TikToker darum gebeten, sich das Profil des Präsidenten anzuschauen. Sie wissen, wie die Generation Z tickt. Auch ihnen ist der Fokus auf Donald Trump aufgefallen: «Das Profil wirkt fast wie ein Hass-Account gegen Trump», sagt TikTokerin Salome Artho.

Salome Artho
Salome Artho erzählt auf ihrem TikTok-Account und in ihrem Podcast aus ihrem Leben.Bild: zvg

Die 21-jährige Zürcherin hat mit ihren Mundart-Videos zu Lifestyle- und Gesellschaftsthemen bisher über 20'000 Follower und fast eine Million Likes auf der Plattform gesammelt. «Vielleicht wäre es besser, er würde sich mehr auf sich selber fokussieren und über politische Themen informieren, statt so viel über seine Konkurrenz zu reden», findet sie.

Ähnlich sieht das Jonathan Baranowski: «Biden stichelt Trump auf seinem Account oft an. Social Media muss aber nicht immer so ein Gegeneinander sein.» Stattdessen soll sich der US-Präsident mehr auf seinen «Brand» – seine Marke – konzentrieren, so der 23-jährige Basler. Mit knapp 227'000 Followern und 9,5 Millionen Likes sind seine Comedy-Inhalte auf der Plattform im Moment deutlich beliebter als der US-Präsident, der 204'000 Follower und 1,9 Millionen Likes verzeichnet.

Jonathan Baranowski
Jonathan Baranowski ist auf TikTok als «jonthan.b» bekannt.Bild: zvg

Politische Inhalte «tubelisicher» erklären

«Für seinen Bekanntheitsgrad hat Biden noch nicht so viele Follower», sagt Salome Artho. Was also tun? Wichtig für den erfolgreichen TikTok-Auftritt eines Politikers sind laut Siria Berli, Mitgründerin der Schweizer TikTok-Agentur equipe, folgende fünf Punkte: Regelmässig posten, politische Botschaften in Trends einbinden, Inhalte an die TikTok-Ästhetik anpassen (kurz und dynamisch, Hochformat, Animationen), persönliche Einblicke bieten und interaktive Formate wie Q&As (Frage-Antwort) oder Ratespiele einbinden.

Speziell auf Bidens Profil bezogen findet TikTokerin Salome Artho: «Der Account braucht mehr informativen Content in TikTok-Sprache.» Es sei wichtig, dass politische Themen auf der Plattform «tubelisicher» erklärt werden, da viele Leute nichts mit Politik zu tun haben. Jonathan Baranowski wünscht sich von Biden mehr Nähe zum Publikum: «Es wär toll, wenn er das Handy mal selber in die Hand nehmen und uns zum Beispiel auf ‹einen Tag als Präsident› mitnehmen würde.»

«So gewinnt man die Generation nicht»

Einer, der solche Formate kennt und anwendet, ist der umstrittene unabhängige Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy Jr. (RFK). Mit fast 800'000 Followern und 12,6 Millionen Likes erreicht er deutlich mehr Menschen als Joe Biden. Auf dem Account «teamkennedy2024» zeigt sich der 70-Jährige auch mal oben ohne beim Liegestützen machen. Hinzu kommen Erklärvideos, Selfie-Aufnahmen und Antworten auf Fragen wie «Ist RFK ein Verschwörungstheoretiker?» Die Kombination kommt an. Kommentare wie: «Das ist mein Präsident!», sind unter fast jedem Video zu finden.

Warum sich immer mehr Politiker auf TikTok tummeln, liegt auf der Hand: Die Beliebtheit der Plattform ist in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Fast die Hälfte der US-Bevölkerung ist gemäss Unternehmensangaben bei der chinesischen App angemeldet. Sie ist die wichtigste Nachrichten- und Informationsquelle der Generation Z (zwischen 15 und 28 Jahre alt). Erst letztes Jahr ordnete die Biden-Regierung noch an, sie aus Sicherheitsgründen von Telefonen und Geräten von Regierungsmitarbeitenden zu entfernen.

Bidens Gegenspieler Donald Trump setzt dagegen auf eine ganz eigene Social-Media-Strategie. Von TikTok hält sich der Ex-Präsident fern. Viel lieber schimpft er auf seiner eigenen Plattform «Truth Social» über die Demokraten. Zum Image von Donald Trump passen die aggressiven Botschaften in jedem Fall besser als zum sonst eher milde auftretenden Joe Biden.

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quelle: shutterstock / peter galleghan
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30 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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goschi
01.03.2024 13:53registriert Januar 2014
"wir haben schweizer Tiktoker gefragt"
Zum US Wahlkampf..

jup... okay...

ich frage meinen indischen Abeitskollegen auch immer zum dänischen Politikbetrieb!
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Der Micha
01.03.2024 13:18registriert Februar 2021
Das Problem ist: Sobald man sich auf das Niveau von Trump herabsenken lässt, kann man nur verlieren. Trump hat bezüglich des niedrigen Niveaus mehr Erfahrung.

Viele haben sich mit seinem Verhalten schlicht abgefunden.
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sweeneytodd
01.03.2024 13:25registriert September 2018
Naja, ob die Jungen nun für Teump oder Biden stimmen, ist im Endeffekt egal. Bei den Amis ist die Wahlquote der Jungen noch tiefer als bei uns. Wichtig für Biden sind vorallem die Latinos & POC, Frauen und möglichst viele alte, christliche Wähler abzuholen. Dann hat er gute Chancen wieder gewählt zu werden.
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