Was ist der gefährlichste Job in den Vereinigten Staaten? Polizist, privater Wachmann, Schusswaffen-Trainer? Weit gefehlt. Die gefährlichsten Jobs der USA haben laut einer Statistik der Behörde für Arbeitsmarktdaten Holzfäller, Fischer, Piloten und Dachdecker.
Polizisten sind nicht einmal unter den obersten zehn Plätzen im Ranking derer, die bei der Arbeit statistisch gesehen am wahrscheinlichsten sterben können. Aber seit den tödlichen Schüssen von Dallas dürften sich nicht wenige Polizeibeamte fragen, ob ihr Arbeitsrisiko nun exponentiell in die Höhe geschossen ist.
«Sie werden erschossen, erstochen, geschlagen – Karriere beendende Verletzungen. Niemand redet darüber», klagt Randy Sutton, Polizist aus Las Vegas im Ruhestand, der an der Spitze der Bewegung «Blue Lives Matter» (Blaue Leben zählen) steht. Das «Blue» im Namen steht für die Polizeiuniform.
Der Name sei nicht nur Anspielung, sondern ein bewusster Angriff auf die schwarze Bürgerrechtsbewegung «Black Lives Matter», erläutert Sutton der Nachrichtenagentur DPA. Auf Facebook haben die Polizei-Unterstützer rund 900'000 Likes – und damit fast genauso viele, wie es Polizisten in den USA gibt.
Einige der Afroamerikaner, die mit «Black Lives Matter» nicht weniger bekämpfen wollen als unrechtmässige Polizeigewalt und tief in der Gesellschaft verankerten Rassismus, fühlen sich verraten.
Tiffany Mitchell zum Beispiel, deren Freund unweit des Tatorts von Dallas steht und quer über die Strasse mit einem Megafon gegen Staatsanwalt Ken Paxton wettert, der dort gerade ein Interview gibt. «Es ist, als ob sie Huckepack reiten und genau dasselbe machen wollen», sagt die 31-Jährige. Die Polizei-Bewegung lenke vom eigentlichen Problem ab.
«Es ist mir herzlich egal, ob ‹Black Lives Matter› verärgert ist», sagt Sutton. Er sieht sich als Sprachrohr Zigtausender Polizisten im Land, die ihre Meinung als aktive Beamte nicht frei äussern könnten. «Wenn niemand die Seite des Polizeibeamten erzählt, wirst Du nur die Propaganda hören», sagt er.
«Sie (die Polizisten) dürfen keine Meinungen und öffentlichen Stimmen haben, also bin ich ihre Stimme und ihr Gesicht.» Der 59-Jährige hat seine Dienstmarke nach einer langen Polizeikarriere, darunter 24 Jahre in Las Vegas, abgegeben.
Aber ist es nicht selbstverständlich, dass Leben von Polizisten «etwas Wert» sind und geschützt werden müssen? «Wir wissen, dass alle Leben zählen», sagt Mitchell. Schnell tauchte im Internet nach den Hashtags #BlackLivesMatter und #BlueLivesMatter auch das Stichwort #AllLivesMatter auf.
Nicht selbstverständlich scheint angesichts der Todesschüsse auf oft unbewaffnete Afroamerikaner dagegen, dass Schwarze und Weisse in den USA gleich behandelt und geschützt werden.
Und in der Gleichung von Schwarz und Blau steckt noch ein anderes Problem, wie der «Rolling Stone» anmerkt: Eine Uniform wird mit einer Hautfarbe gleichgesetzt – aber nicht beides kann man ablegen. «Die Polizeiuniform steht im Einklang mit Autorität, Straffreiheit und Macht. Schwarze Haut markiert das Gegenteil», schreibt das Magazin. Sutton sieht es anders und sagt: «Polizeiarbeit ist kein Job. Es ist eine Lebenserfahrung.»
Wird die Diskussion, die schon jetzt nah am offenen Kampf von Schwarz gegen Weiss stattfindet, nun von einem Schwarz gegen Blau überlagert? Dominique Torres, Anwältin der schwarzen Bürgerrechtsorganisation, spricht von «mangelndem Verständnis» und ruft dazu auf, alle Parteien und Bewegungen an einen Tisch zu setzen, den Dialog zu suchen.
Hört man Sutton zu, gewinnt man den Eindruck, dass dieser Zug schon abgefahren sein könnte. Er bestreitet, dass beim Tod Michael Browns in Ferguson oder bei den vielen darauffolgenden, umstrittenen Tötungen Rassismus im Spiel gewesen sein könnte.
Der einzige Rassismus komme von «Black Lives Matter» und richte sich gegen die vielen Männer und Frauen in Uniform. «Wenn sie sagen »Tötet die Schweine, und bratet sie wie Speck!«, dann ist das Hass.» (wst/sda/dpa)