International
Venezuela

Trumps Kanonenbootpolitik gegen Venezuela

PANAMA CITY, PANAMA - SEPTEMBER 02: The USS Sampson (DDG 102), a U.S. Navy missile destroyer, docks at the Amador International Cruise Terminal in Panama City, Panama, on September 02, 2025. The deplo ...
Die «USS Sampson», ein Raketenzerstörer der US-Marine, im Hafen von Panama-Stadt. Die USA haben ihre Flottenpräsenz in der Karibik deutlich erhöht.Bild: Anadolu

Warum Trump Kanonenbootpolitik gegen Venezuela betreibt

Die Spannungen zwischen den USA und Venezuela wachsen: Erneut haben die USA ein angeblich mit Drogen beladenes Schiff angegriffen. Mit seiner Kanonenbootpolitik scheint US-Präsident Trump den Konflikt eskalieren zu wollen.
18.09.2025, 06:4918.09.2025, 12:25

«Drei männliche Terroristen» seien getötet worden, schrieb US-Präsident Donald Trump auf seiner Plattform Truth Social. Die Opfer der jüngsten amerikanischen Intervention gegen Venezuela starben, als ein angeblich mit Drogen beladenes Boot von US-Marinekräften angegriffen wurde. Es handelt sich bereits um den zweiten Angriff innerhalb kurzer Zeit: Anfang September hatten die US-Streitkräfte ein venezolanisches Schiff attackiert; damals kamen elf Menschen ums Leben. Auch diesen Schlag rechtfertigte Trump damit, dass mit dem Schiff Drogen in die USA geschmuggelt werden sollten.

Trumps Kanonenbootpolitik hat die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen dem südamerikanischen Staat und den USA weiter verschlechtert. Aus Caracas waren umgehend martialische Töne zu vernehmen: Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro erklärte, sein Land sei «maximal vorbereitet», sich zu verteidigen, und er werde im Falle eines US-Angriffs eine «Republik in den Waffen» ausrufen. Bereits im August begann die Rekrutierung von weiteren Milizionären.

epa12374947 People participate in military exercises at Fort Paramacay in Valencia, Venezuela, 13 September 2025. Venezuelans in several states are responding to President Nicolas Maduro's call f ...
Milizionäre beim Training in Venezuela. Bild: keystone

Militärische Drohkulisse

Die USA haben mittlerweile eine beträchtliche militärische Drohkulisse in den Gewässern vor Venezuela aufgebaut: Trump beorderte sieben Kriegsschiffe und 2200 Marinesoldaten dorthin. Seine Regierung stellt dabei das Motiv des «War on Drugs» – des Kriegs gegen Drogen – in den Vordergrund; so sagte Verteidigungsminister (neuerdings «Kriegsminister») Pete Hegseth etwa, die USA würden ihre Schläge gegen Kartellangehörige fortsetzen, die die Karibik als Schmuggelroute nutzten. Hegseth drohte: «Es wird nicht bei diesem einen Schlag bleiben.»

Diese interventionistische Rhetorik kontrastiert deutlich mit Trumps Versprechen an seine stark isolationistisch geprägte Wählerbasis, die USA aus militärischen Abenteuern im Ausland herauszuhalten. Im Fall von Venezuela schliesst Trump jedoch sogar eine Intervention zum Sturz des Regimes nicht explizit aus – «das ist keine Option oder Nicht-Option», sagte er dazu. Ob es der US-Regierung wirklich in der Hauptsache um die Bekämpfung des Drogenhandels geht und ob die Verlegung der Marineeinheiten tatsächlich auf einen «Regime Change» in Venezuela abzielt oder nur als Drohkulisse dient, ist derzeit noch nicht absehbar.

epa12381329 US President Donald Trump speaks from the Resolute desk after signing a Presidential Memorandum in the Oval Office at the White House in Washington, DC, USA, 15 September 2025. Trump is se ...
Weder Option noch Nicht-Option: Trumps Haltung zu einem möglichen Regime Change in Venezuela. Bild: keystone

Trumps Ziele im Hinblick auf Venezuela, das Land mit den weltweit grössten nachgewiesenen Öl-Reserven, dürften allerdings vornehmlich darin bestehen, die illegale Migration unter Kontrolle zu bringen, die Energiepreise in den USA zu senken und den Einfluss Chinas und des Irans einzudämmen. Ob er sie mit militärischen Mitteln erreichen kann – und will –, ist indes fraglich. Sicher ist hingegen, dass die gegenwärtigen Spannungen eine lange Vorgeschichte haben.

Seit Langem gespanntes Verhältnis

Die Eskalation in der Karibik, an der Südflanke der USA, kommt nicht völlig überraschend. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte Trump den Druck auf das Regime in Venezuela erhöht und den Oppositionspolitiker Juan Guaidó als legitimen Präsidenten anstelle von Nicolás Maduro anerkannt. Maduro wurde überdies angeklagt, weil er Mitglied des Drogenkartells Cartel de los Soles sei, eines informellen Netzwerks innerhalb der venezolanischen Sicherheitskräfte.

epa12381161 Venezuelan President Nicolas Maduro speaks during a press conference in Caracas, Venezuela, 15 September 2025. Maduro stated that his country is exercising its legitimate right to defense  ...
Seit 2013 autokratischer Machthaber in Venezuela: Präsident Maduro. Bild: keystone

Die Spannungen zwischen Caracas und Washington reichen allerdings noch weiter zurück: Als Hugo Chávez 1998 das Amt des venezolanischen Präsidenten übernahm, machte er die Privatisierung der staatlichen Ölgesellschaft rückgängig und erhöhte die Lizenzgebühren für ausländische Firmen. Die daraus resultierenden Einnahmen verwendete er zur Finanzierung der Bolivarischen Revolution, die unter anderem auf die Verbesserung der Lebensverhältnisse der unteren Schichten abzielte. Die Verstaatlichung der Ölindustrie tangierte amerikanische Wirtschaftsinteressen, was die Beziehungen zu den USA belastete. Diese litten zudem unter der Freundschaft zwischen Chávez und dem kubanischen Machthaber Fidel Castro.

Misswirtschaft und Migration

Obwohl die Bolivarische Revolution kurzfristig erfolgreich war – Venezuela konnte sein Bruttoinlandsprodukt zunächst verdoppeln –, ruinierte sie auf die Dauer die venezolanische Wirtschaft. Besonders nach Chávez' Tod 2013 stürzte das Land in eine tiefe Krise, verstärkt durch den Ölpreiszerfall und Sanktionen der USA und der Europäischen Union. Das Regime unter Chávez' Nachfolger Maduro war nicht mehr in der Lage, den Rückhalt in der Bevölkerung zu kaufen, und griff zu immer repressiveren Massnahmen, um sich an der Macht zu halten. Die Folge war ein Massenexodus aus Venezuela. Seit 2015 haben rund 7,7 Millionen Menschen das Land verlassen; mehr als 600'000 von ihnen emigrierten in die USA, hauptsächlich während der Amtszeit von Joe Biden.

UNITED STATES -September 6: The seven members of the Cumales/Suarez family (kids age 13, 12, 8, 3 and month old -No first names given) from Venezuela along along with dozens of other migrants/immigran ...
Venezolanische Immigranten im September 2023 bei der Ankunft in New York.Bild: New York Daily News

Venezolaner waren denn auch nach den Mexikanern die zweitgrösste Gruppe von Migranten, die unter der Regierung Biden an der Südgrenze der USA ankamen. Biden verfolgte im Gegensatz zu seinem Vorgänger Trump eine gemässigtere Politik und versuchte etwa, das Regime in Caracas zu demokratischen Zugeständnissen im Austausch für die Aufhebung von Sanktionen zu bewegen. Weder Bidens noch Trumps Politik bewirkten jedoch eine grundlegende Änderung der Situation.

In seiner zweiten Amtszeit geht Trump nun massiv gegen die venezolanischen Migranten vor. Zu diesem Zweck hat er erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg den Alien Enemies Act (Gesetz über feindliche Ausländer) von 1798 angewendet, um gegen die kriminelle venezolanische Organisation Tren de Aragua (TDA) vorzugehen und Venezolaner aus den USA abzuschieben, die der Bandenzugehörigkeit verdächtigt werden. Zugleich hat seine Regierung, die offenbar massenhafte Abschiebungen plant, zahllose befristete Visa für Venezolaner widerrufen. Der konservativ dominierte Oberste Gerichtshof der USA hat Trump zudem erlaubt, rund 350'000 Venezolanern den vorübergehenden Abschiebeschutz zu entziehen, während das Verfahren weiterläuft.

Migrants deported months ago by the United States to El Salvador under the Trump administration's immigration crackdown arrive at Simon Bol
Aus den USA nach El Salvador deportierte Venezolaner kommen im Juli 2025 in Venezuela an. Bild: keystone

War on Drugs?

Der Kampf gegen den Drogenschmuggel, der in den USA verheerende Folgen habe, bildet derzeit das Hauptargument der US-Regierung für ihre Massnahmen gegen Venezuela. Trump macht dabei Maduro persönlich verantwortlich; dieser soll gar die international tätige Bande Tren de Aragua (TDA) kontrollieren, die von der Trump-Regierung als «globale terroristische Organisation» eingestuft wird. Im vergangenen Monat haben die USA entsprechend die Belohnung für Maduros Festnahme auf 50 Millionen Dollar verdoppelt. Dies erinnert an das Schicksal des ehemaligen Machthabers in Panama, Manuel Noriega, der in den 1980er-Jahren ins Visier der US-Drogenfahndung geriet und 1989 im Zuge einer US-Invasion verhaftet wurde.

Ein internes Memo des National Intelligence Council (NIC), das im April teilweise freigegeben wurde, geht allerdings davon aus, dass Maduros Regime «wahrscheinlich nicht die TDA-Bewegung in die USA und deren Operationen innerhalb der USA leitete». Dieser Bericht führte dazu, dass die von Trump ernannte NIC-Direktorin Tulsi Gabbard mehrere hochrangige Beamte ihrer Behörde entliess.

epa12256722 Director of National Intelligence Tulsi Gabbard speaks during a news conference in the James S. Brady Press Briefing Room of the White House in Washington, DC, USA, 23 July 2025. Tensions  ...
Director of National Intelligence: Tulsi Gabbard. Bild: keystone

Hinzu kommt, dass auch US-Behörden wie die Drug Enforcement Administration (DEA) Venezuela nicht als Hauptlieferanten für das auf dem US-Markt verkaufte Kokain betrachten. Gemäss einem DEA-Bericht vom vergangenen Jahr stammen rund 84 Prozent des in den USA beschlagnahmten Kokains aus Kolumbien. Venezuela wird in dem Report nicht einmal erwähnt. Überdies geht aus dem diesjährigen Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) hervor, dass die aktuellen Hauptrouten des Kokainschmuggels in die USA über Kolumbien, Peru und Ecuador und nicht über Venezuela verlaufen.

Öl und Geopolitik

Venezuela könnte ein reiches Land sein – seine Ölreserven sind die grössten der Welt. Es kann aber auch als Beispiel für die Auswirkungen des sogenannten Ressourcenfluchs dienen – der Ölsegen hat dem Land weder Reichtum noch stabile, demokratische Verhältnisse gebracht. Seit den 1920er-Jahren zählte die US-Ölindustrie zu den grössten Investoren und Abnehmern des venezolanischen Öls, doch diese guten Wirtschaftsbeziehungen endeten mit der Ära Chávez.

Während der Amtszeit von Joe Biden erteilte die US-Regierung 2022 dem amerikanischen Ölkonzern Chevron die Lizenz, in Venezuela tätig zu sein, nachdem Maduro freie Wahlen versprochen hatte. Chevron ist über Joint Ventures mit dem staatlichen Ölkonzern Petróleos de Venezuela S.A. (PDVSA) verbunden und fördert täglich etwa 220'000 Barrel Rohöl in Venezuela – was etwa 25 Prozent der Gesamtproduktion des Landes entspricht. Kurz nach seinem Amtsantritt widerrief Trump diese Lizenz trotz intensiver Lobbyarbeit von Chevron. Maduro verlor dadurch wertvolle Steuer- und Lizenzgebühren. Im Juli erlaubte Trump jedoch der Firma, erneut in Venezuela tätig zu werden.

Bolivarian militias parade in a pro-government rally in Caracas, Venezuela, Thursday, Feb. 27, 2025, the day after U.S. President Donald Trump announced the termination of a permit allowing Chevron Co ...
Demonstration in Caracas, einen Tag nach Trumps Entscheid, Chevron die Lizenz für Venezuela zu entziehen.Bild: keystone

Dieses Hin und Her hat damit zu tun, dass Trump seine «Big Beautiful Bill» im Kongress durchbringen wollte, wofür er die Stimmen von Republikanern aus Florida benötigte, die eine harte Politik gegen Venezuela befürworten. Es könnte aber auch mit geopolitischen Bedenken zu tun haben. So hatte der Vorstandsvorsitzende von Chevron gegenüber der Financial Times davor gewarnt, dass ein erzwungener Rückzug der Firma aus Venezuela Unternehmen aus China und Russland erlauben würde, ihre Präsenz dort auszubauen.

Diesen Effekt hat auch Trumps Zollpolitik. Da die USA den Käufern von venezolanischem Öl Zölle in Höhe von 25 Prozent auferlegt haben, hat dies einige Staaten davon abgeschreckt, Öl aus Venezuela zu importieren – was das Land wiederum noch abhängiger von China gemacht hat, seinem bedeutendsten Absatzmarkt. Sowohl China wie Russland investieren zudem in die Wirtschaft und Infrastruktur Venezuelas, was die Kluft zwischen den USA und dem Land in deren lateinamerikanischem «Hinterhof» – den Washington als traditionelles Einflussgebiet betrachtet – noch vertieft.

Überdies versucht Venezuela, im Verbund mit Ländern wie Russland oder dem Iran, die Rolle des US-Dollars als Leitwährung im Ölgeschäft (Petrodollar) zu schwächen und alternative Währungen zu etablieren, insbesondere für den Verkauf an China und Indien. Da die Nachfrage nach US-Dollar für Öltransaktionen den USA ökonomische Vorteile verschafft, reagiert Washington auf solche Versuche der Abkehr vom Petrodollar mit Sanktionen, Zöllen und militärischem Druck. Auch dieser Faktor könnte daher beim gegenwärtigen Säbelrasseln in der Karibik mitspielen.

US-Angriff auf Schmugglerboot vor Venezuela

Video: watson/X
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Venezuela-Krise im Januar 2019
1 / 19
Die Venezuela-Krise im Januar 2019
In ganz Venezuela protestiert das Volk gegen das Maduro-Regime.
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Juan Guaido in Venezuela körperlich angegriffen
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
41 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Frizbee
18.09.2025 07:53registriert März 2022
Wenn man Menschen die mit Schiffen über das Meer fahren mit Raketen abschiesst ist das zunächst mal vorsätzlicher Mord. Wo bleibt der Haftbefehl den IGH für Trump? Gestanden hat er ja schon.
6717
Melden
Zum Kommentar
avatar
Wolf im Fuzzipelz
18.09.2025 07:13registriert August 2018
Trump möchte Friedensnobelpreis und Kriegsspielen. Findet den Fehler.
6214
Melden
Zum Kommentar
avatar
Gina3
18.09.2025 07:56registriert September 2023
Es handelt sich nicht um Kanonenschüsse, sondern um Präventivschüsse, um den Weltfrieden zu sichern.

Verstehen wir die Bemühungen des besten und brillantesten Friedenspräsidenten, den es seit Anbeginn der Zeit gegeben hat, nicht falsch.
4315
Melden
Zum Kommentar
41
Warum Trump Kanonenbootpolitik gegen Venezuela betreibt
Die Spannungen zwischen den USA und Venezuela wachsen: Erneut haben die USA ein angeblich mit Drogen beladenes Schiff angegriffen. Mit seiner Kanonenbootpolitik scheint US-Präsident Trump den Konflikt eskalieren zu wollen.
«Drei männliche Terroristen» seien getötet worden, schrieb US-Präsident Donald Trump auf seiner Plattform Truth Social. Die Opfer der jüngsten amerikanischen Intervention gegen Venezuela starben, als ein angeblich mit Drogen beladenes Boot von US-Marinekräften angegriffen wurde. Es handelt sich bereits um den zweiten Angriff innerhalb kurzer Zeit: Anfang September hatten die US-Streitkräfte ein venezolanisches Schiff attackiert; damals kamen elf Menschen ums Leben. Auch diesen Schlag rechtfertigte Trump damit, dass mit dem Schiff Drogen in die USA geschmuggelt werden sollten.
Zur Story