Mit ersten Befragungen potenzieller Geschworener hat am Montag in New York der Prozess gegen den früheren Pop-Superstar R. Kelly (54) begonnen. In den kommenden Tagen sollen an dem Gericht im New Yorker Stadtteil Brooklyn zwölf Juroren und sechs Ersatzjuroren gefunden werden, bevor es am 18. August mit den Auftaktplädoyers richtig losgehen soll. Kelly, dem unter anderem sexueller Missbrauch vorgeworfen wird, erschien in dunkelblauem Anzug, hellblauem Hemd und Krawatte.
Richterin Ann Donnelly wies die potenziellen Geschworenen darauf hin, dass der Angeklagte vor einer möglichen Verurteilung als unschuldig gelte und sie unvoreingenommen an den Prozess herangehen müssten. Danach wurden dutzende potenzielle Juroren befragt, teils auch hinter verschlossenen Türen.
Aufgrund der Coronavirus-Pandemie durften nur direkt am Prozess beteiligte Menschen in den Gerichtssaal, Beobachter und Journalisten konnten das Geschehen lediglich per Videostream verfolgen.
Kelly muss sich laut Anklageschrift unter anderem wegen Erpressung und sexueller Ausbeutung Minderjähriger verantworten. Gemeinsam mit einem Team von Angestellten soll er jahrelang Mädchen und Frauen zum Sex gezwungen haben. Der seit seiner Festnahme im Sommer 2019 im Gefängnis sitzende Musiker hat alle Vorwürfe immer wieder zurückgewiesen und seinen Kritikern eine Rufmord-Kampagne vorgeworfen.
Wegen der Pandemie war der eigentlich für Mai 2020 geplante Prozessbeginn mehrfach verschoben worden. Der 54-Jährige versuchte wiederholt die Pandemie als Anlass zu nehmen, auf Kaution vorzeitig aus der Haft entlassen zu werden, diese Anträge wurden aber immer wieder abgelehnt.
Der Prozess soll mehrere Wochen dauern. Bei einer Verurteilung könnte dem «I Believe I Can Fly»-Sänger eine jahrzehntelange Haftstrafe drohen – ausserdem liegen auch noch in Chicago und Minnesota ähnliche Anklageschriften gegen ihn vor.
Die ersten Anschuldigungen gegen den 1967 in Chicago geborenen Robert Sylvester Kelly waren bereits vor rund 25 Jahren bekannt geworden. Aber der Musik-Koloss schien unangreifbar auf seinem Pop-Thron – mit mehr als 50 Millionen verkauften Alben, mehreren Grammys und anderen Auszeichnungen gehörte er zu den erfolgreichsten Musikern des späten 20. Jahrhunderts.
Spätestens als auch im Zuge der #MeToo-Bewegung gegen sexuelle Belästigung die aufsehenerregende Dokumentation «Surviving R. Kelly» die Anschuldigungen 2019 zusammenfasste, wurde es um den Sänger immer einsamer. Stars distanzierten sich von ihm, zudem Radiosender, Streaming-Dienste und dann auch sein Musiklabel RCA, das zu Sony Music gehört. Im Sommer 2019 wurde R. Kelly schliesslich in Chicago festgenommen, als er gerade mit seinem Hund «Believe» spazieren ging. (sda/dpa)