Fünf Tage sollte der Lockdown in Shanghai ursprünglich dauern. Am Ende waren es fast zwei Monate. Seit Anfang Juni kommt das Leben in der Wirtschaftsmetropole wieder in die Gänge, doch von Normalität kann keine Rede sein. Eine Covid-Infektion genügt, damit ganze Wohnsiedlungen abgeriegelt und Restaurants geschlossen werden.
Die ständige Ungewissheit zehrt an den Nerven der rund 25 Millionen Menschen in der weltoffensten und modernsten Stadt Festland-Chinas. In einer Reportage beschreibt der NZZ-Korrespondent in Shanghai die Befindlichkeit anschaulich:
Die Behörden wollen ein solches Szenario vermeiden. Umso härter greifen sie durch, wenn auch nur eine Neuansteckung verzeichnet wird, wie kürzlich in einem Coiffeursalon. Wer Pech hat, landet in einem der berüchtigten Quarantäne-Zentren, mit null Privatsphäre und rudimentären Hygiene-Einrichtungen, in denen das Licht teilweise rund um die Uhr brennt.
Was das konkret bedeutet, beschreibt die NZZ-Reportage:
Dabei ist die Zahl der Infektionen in China lächerlich gering im Vergleich mit den meisten anderen Ländern. Die Regierung von Präsident Xi Jinping aber hält eisern an ihrer Zero-Covid-Strategie fest. Das hat handfeste Gründe: Man fürchtet zahlreiche Todesfälle und ein überlastetes Gesundheitswesen, wenn man das Virus «durchrauschen» lässt.
Es geht für Xi und die Kommunistische Partei aber auch um das Prestige: Mit «Zero Covid» wollen sie die Überlegenheit ihres Systems aufzeigen, besonders gegenüber den USA, die mehr als eine Million Corona-Tote zu verzeichnen haben. Also wird durchgegriffen, auch in der Hauptstadt Peking, wo die Einschränkungen weniger strikt waren als in Shanghai.
Als jedoch ein Mann in einer Bar mehrere hundert Leute ansteckte, wurden tausende Anwohner in Quarantäne gesteckt, mehrere Quartiere abgeriegelt und die Rückkehr der Kinder in den regulären Unterricht abgesagt. Sun Chunlan, die für die Covid-Bekämpfung zuständige Vize-Regierungschefin, inspizierte die Bar laut dem «Economist» persönlich.
Einige Experten hätten gefordert, die Zero-Covid-Strategie zu überdenken, schreibt das britische Wirtschaftsblatt. Doch die Regierung denkt nicht daran. Hoffnungen auf eine Lockerung nach dem Parteikongress im Herbst, an dem Xi Jinping für eine dritte Amtszeit gewählt werden soll, verpasste US-Botschafter Nicholas Burns einen Dämpfer.
«Zero Covid» werde wohl «bis in die ersten Monate 2023 fortgesetzt», sagte er gemäss «Bloomberg» am Donnerstag an einer Online-Konferenz. Dies werde von der Regierung so signalisiert. Und dabei bleibt es womöglich nicht. Die Austragung der Asienmeisterschaft im Fussball, die in einem Jahr stattfinden soll, hat China bereits zurückgegeben.
Auf grossflächige Schliessungen will die Regierung künftig verzichten. An ihre Stelle sollen «Mikro-Lockdowns» treten. Ausserdem werden in den Städten zehntausende «Testkabinen» errichtet, um die Bevölkerung regelmässig zu testen. Diese reagiert laut dem «Economist» mit Galgenhumor. Statt der Grussformel «Schon gegessen?» heisse es «Schon getestet?».
Der Unmut in der Bevölkerung über die oft willkürlichen Massnahmen nimmt zu. Der NZZ-Korrespondent berichtet, er habe bei Gesprächen mit rund zwei Dutzend Shanghaiern niemanden gefunden, «der die Null-Covid-Strategie auch nur ansatzweise für sinnvoll hält». Die Regierung aber nimmt dies genauso in Kauf wie einen weiteren «Kollateralschaden».
Wirtschaftlicher Erfolg galt lange als oberste Maxime der Kommunisten, um ihre autoritäre Herrschaft zu legitimieren. Dies wird mit «Zero Covid» in Frage gestellt, denn der lange Lockdown in Shanghai und der damit verbundene Warenstau im Hafen hat nicht nur die globalen Lieferketten gestört, sondern auch die heimische Wirtschaft geschädigt.
Im Mai kam es zu einer Erholung, doch das von der Regierung definierte Wachstum von 5,5 Prozent in diesem Jahr gilt als unerreichbar. Ausländische Firmen würden sich gemäss Botschafter Bruns kaum aus dem lukrativen Markt zurückziehen, aber sie zögerten mit neuen Investitionen. Und sie suchen nach Alternativen in Ländern wie Indien und Vietnam.
Den wirtschaftlichen Schaden kann die Regierung wohl riskieren, weil sie durch die Pandemie den digitalen Überwachungsstaat perfektionieren konnte. Dazu tragen die obligatorischen Covid-Apps auf den Smartphones bei, ohne die nichts geht. Wohin das führen kann, zeigt ein Vorfall vom April in der Provinz Henan in Zentralchina.
Dort konnten Kunden von vier ländlichen Banken kein Geld mehr von ihren Konten abheben. Als sie in der Hauptstadt Zhengzhou protestieren wollten, war der Gesundheitscode in ihrer App plötzlich rot. Faktisch darf man sich in diesem Fall nicht mehr in der Öffentlichkeit bewegen. Dabei hatten einige der Betroffenen einen negativen PCR-Test gemacht.
Die Behörden in Henan sprachen von einem Datenbankfehler. In den scharf zensierten sozialen Medien aber gab es heftige Proteste, und selbst die Parteizeitung «Global Times» kritisierte in einem Kommentar den Verstoss gegen die Gesetze zur Pandemie-Prävention, der «die Unterstützung der Menschen für den Kampf gegen das Virus untergräbt».
Der Kommentar in dem für seine nationalistischen Töne bekannten Blatt zeigt, dass bei den Eliten zumindest eine gewisse Besorgnis vorhanden ist, ob die Bevölkerung nicht irgendwann mit ihrer Geduld am Ende ist. «Ganz normal zu leben und zu arbeiten wird in China immer schwieriger», heisst es in der NZZ-Reportage aus Shanghai.
@Xi
Vergiss es.
Das Virus interessiert es nicht die Bohne, dass du und deine KP Zero Covid ausgerufen haben. Absolut unmöglich, dieses Virus aufzuhalten. Eher bekommt Shaqiri bei einem Verein einen Stammplatz über eine GANZE Saison.
Wirtschaft down? Abwandernde Firmen? Unzufriedene Bürger?
...Wenn interessiert's?