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Wie sich ein französischer Politstar als Lügner und Steuerbetrüger entpuppt

REFILE WITH CORRECTING HEADLINEFormer French budget minister Jerome Cahuzac, who resigned in 2013 after he admitted to having a Swiss bank account, is surrounded by French gendarmes as he leaves after ...
Jérôme Cahuzac verlässt nach dem Schuldspruch das Gericht.Bild: PHILIPPE WOJAZER/REUTERS

Wie sich ein französischer Politstar als Lügner und Steuerbetrüger entpuppt

08.12.2016, 15:3108.12.2016, 15:38
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Ein Haushaltsminister, der sich als Kämpfer gegen die Steuerflucht inszeniert und selbst ein Schwarzgeldkonto hat – das klingt mehr nach Politthriller als nach Wirklichkeit. Doch bei Jérôme Cahuzac war es genau so: Jahrelang hortete der französische Sozialist heimlich Geld im Ausland.

Als der Skandal aufflog, belog Frankreichs Chef-Schatzmeister seinen Präsidenten und das ganze Land. Jetzt wurde der einstige Star der Regierung von Staatschef François Hollande zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Affäre erschütterte Frankreich

Die Cahuzac-Affäre hatte das Land erschüttert und ist bis heute der grösste Skandal in Hollandes Amtszeit: Im Dezember 2012 berichtete das Enthüllungsportal «Mediapart» erstmals, der hoch angesehene Haushaltsminister habe ein geheimes Konto in der Schweiz gehabt und das Geld später nach Singapur transferiert.

Der Hobbyboxer Cahuzac, als wortgewaltiger und angriffslustiger Redner bekannt, dementierte vehement. «Ich habe kein Konto im Ausland und habe nie eines besessen. Nicht jetzt, nicht früher», versicherte er in der Nationalversammlung. Das gleiche sagte er Staatschef Hollande in einem Vieraugengespräch.

Es waren glatte Lügen. Als die Beweislast erdrückend wurde und die Justiz ein Ermittlungsverfahren einleitete, musste Cahuzac im März 2013 zurücktreten. Immer noch beteuerte er seine Unschuld. Erst weitere zwei Wochen später gab der gelernte Chirurg alles zu.

«Super-Chirurg, Super-Abgeordneter, Super-Minister»

Es war das abrupte Ende der Karriere eines talentierten Politikers. «Super-Chirurg, Super-Abgeordneter, Super-Minister», sagte ein Ministeriumsmitarbeiter einmal über ihn.

Der Haushaltsexperte mit den funkelnden Augen und dem breiten Grinsen, 1952 im südwestfranzösischen Talence bei Bordeaux geboren, war als junger Mann in die sozialistische Partei eingetreten, wurde später Abgeordneter und Bürgermeister. In der Nationalversammlung leitete er als Oppositionspolitiker zwischenzeitlich den Finanzausschuss, gefürchtet für seine scharfzüngigen Attacken.

Vor der Präsidentschaftswahl 2012 stieg er in Hollandes Wahlkampfteam ein und übernahm die Bereiche Haushalt, Finanzen und Steuern. Nach dem Sieg des Sozialisten bekam er den Posten des Haushaltsministers und galt fortan als einer der Stars im Kabinett. Sein finanzpolitischer Sachverstand wurde sogar bei der konservativen Opposition geschätzt.

Codename «Birdie»

Doch Cahuzac hatte nicht nur in der Politik Karriere gemacht. In den 90er Jahren betrieb der Chirurg zusammen mit seiner damaligen Frau eine gutgehende Klinik für Haarimplantate, viel Geld verdiente er zudem als Berater für die Pharmabranche.

Schon 1992 eröffnete er unter dem Codenamen «Birdie» heimlich ein erstes Konto in der Schweiz, um dem Fiskus zu entgehen. Jahrelang nutzte Cahuzac sogar das Konto seiner Mutter, um Finanzströme zu verheimlichen.

Er liess sich bei konspirativen Treffen von Boten Umschläge mit 10'000 Euro in bar aus seinem Vermögen überreichen. Insgesamt versteckte das inzwischen geschiedene Ehepaar Cahuzac schätzungsweise rund 3.5 Millionen Euro.

Politisch geächtet

Die Affäre bedeutete nicht nur das politische Aus für Cahuzac, der aus der Sozialistischen Partei geworfen wurde und bis heute ein Geächteter ist. Der Skandal brachte auch Hollandes Regierung ins Wanken.

Der Präsident musste schnell reagieren, verschärfte mit Gesetzen den Kampf gegen Steuerbetrug und setzte mehr Transparenz bei Politikervermögen durch. Die Nationale Finanzstaatsanwaltschaft, die beim Prozess gegen Cahuzac die Anklage führte, wurde als Reaktion auf die Affäre gegründet.

Mit starrer Miene nahm Cahuzac am Donnerstag den Urteilsspruch hin: drei Jahre Haft, keine Bewährung, fünf Jahre Unwählbarkeit. Hinter Gitter muss er aber erst einmal nicht: Sein Anwalt kündigte Berufung an. (whr/sda/afp)

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