Wenn man das beliebte «Good News, Bad News»-Gedankenspiel auf die ersten 100 Tage der Ära von Donald Trump anwendet, dann kommt man zu folgendem Resultat: Die schlechte Nachricht lautet, dass sie katastrophal verlaufen sind, und auch die gute Nachricht lautet, dass sie katastrophal verlaufen sind.
Zunächst zu den Bad News: Selbst eine unvollständige Liste der Dinge, die unter dem neuen US-Präsidenten schiefgelaufen sind, würde ein Buch füllen. Daher nur ein paar Beispiele:
Die Good News hingegen lauten: Das von Trump und seinen MAGA-Revolutionären angerichtete Chaos gefällt den Amerikanern überhaupt nicht. In den jüngsten Umfragen ist die Beliebtheit des Präsidenten geradezu abgestürzt und liegt derzeit unter 40 Prozent. Selbst die Zahlen einer Fox-News-Umfrage sind für Trump miserabel, und auch in seinen vermeintlichen Kernkompetenzen – Wirtschaft und Zuwanderung – liegt er unter Wasser. Die Finanzmärkte spielen derweil verrückt. Mini-Crashs und Erholungen wechseln sich in rascher Abfolge ab.
Meinungsumfragen und Börsenkurse können sich rasch ändern. Auf drei Gebieten hat Trump jedoch Kollateralschäden angerichtet, die langwierige und gefährliche Folgen haben können. Hier sind sie:
Nachdem Trump an seinem «Befreiungstag» die Strafzölle für jeden einzelnen Staat, ja sogar für eine nur von Pinguinen bewohnte Insel aufgelistet hatte, reagierten die Finanzmärkte mit etwas, das es gemäss dem Lehrbuch der Ökonomie nicht geben kann: Der Dollar, die Aktien- und die Anleihemärkte brachen alle gleichzeitig ein, und zwar nicht zu knapp. Der Greenback hat gegenüber den relevanten anderen Landeswährungen rund zehn Prozent an Wert eingebüsst.
Verluste an den Aktienmärkten mögen einzelne Investoren schmerzen, die Unruhe an den Anleihemärkten und der drastische Wertverlust des Dollars hingegen stellen eine Gefahr für die Weltwirtschaft dar. Dementsprechend besorgt zeigten sich denn auch die Experten, die sich in den vergangenen Tagen am jährlichen Treffen des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in Washington trafen.
Die «New York Times» zitiert Nathan Sheets, den Chefökonomen der Citigroup und ehemaligen hohen Beamten in Obamas Finanzdepartement, wie folgt: «Es werden Szenarien durchgespielt, die bisher undenkbar waren. Sollten die Vereinigten Staaten weiterhin eine aggressive Wirtschaftspolitik verfolgen, dann ist es für den Rest der Welt natürlich, sich zurückzulehnen und sich zu fragen: ‹Nun, wollen wir wirklich wie bis anhin amerikanische Vermögenswerte kaufen?›»
Trumps chaotische Zollpolitik gefährdet inzwischen ernsthaft die Rolle des Dollars als globale Leitwährung. Gleichzeitig führt sie zu einer Verunsicherung auf den Anleihemärkten, wo die T-Bonds gewissermassen das Rückgrat des internationalen Finanzsystems bilden. Beides zusammen macht einen Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems nicht mehr zu einer bloss akademischen Frage. So erklärt etwa Mark Sobel, ebenfalls ein ehemaliger hoher Beamter des amerikanischen Finanzministeriums, in der «New York Times»: «Ich denke, dass Trump permanenten Schaden anrichtet.»
Hier eine Zwischenbemerkung: Wer verstehen will, weshalb die Politik von Trump so gefährlich für das internationale Finanzsystem ist, dem empfehle ich ein YouTube-Video mit Hans-Werner Sinn (siehe Link). Ich tue dies schweren Herzens, denn der Übervater der konservativen deutschen Ökonomen steht in der Regel so ziemlich für alles, was ich ablehne. Aber wo der Mann recht hat, hat er recht.
Nur so als Gedankenspiel stelle man sich vor: Deutschland wirft der Schweiz über Nacht vor, sie habe ihren Nachbarn seit Jahrzehnten abgezockt. Deshalb werde innert wenigen Tagen ein Strafzoll in der Höhe von 25 Prozent auf alle Importe aus der Schweiz erhoben. Ungefähr so ist Trump mit Kanada verfahren, einem Nachbarn, der seit Jahrhunderten in Frieden mit den USA lebt und zusammen mit Mexiko ihr wichtigster Handelspartner ist. Mehr noch: Trump bricht dabei einen Freihandelsvertrag, den er in seiner ersten Amtszeit selbst ausgehandelt und in den höchsten Tönen gelobt hat.
Trump hat nicht nur Kanada und Mexiko vor den Kopf gestossen, er hat allen Alliierten der USA eine Ohrfeige verpasst. Wie ein geschlagenes Kind werden diese das nicht so schnell vergessen. Das westliche Bündnis ist damit unwiderruflich zerstört worden. Ben Rhodes, ein wichtiger aussenpolitischer Berater von Ex-Präsident Barack Obama, stellt daher in einem Gastkommentar in der «New York Times» fest: «Kurzfristig kann es gewinnbringend sein, internationale Beziehungen wie die Schutzgeld-Erpressung der Mafia zu behandeln. Dabei geht jedoch etwas Entscheidendes verloren: Vertrauen.»
Schon in seiner ersten Amtszeit hatte Trump kaum Hemmungen, wenn es um persönliche Bereicherung ging. So sah er es gerne, wenn ausländische Gäste in einem Hotel in Washington übernachteten, das – damals noch – ihm gehörte. Oder er befahl seinem damaligen Vize Mike Pence bei dessen Besuch in Irland, auf seinem Golfresort zu übernachten, obwohl dieses hunderte Kilometer entfernt von der Hauptstadt Dublin gelegen ist.
Das war jedoch alles Nasenwasser, vergleicht man es mit dem, was sich Trump in seiner zweiten Amtszeit bezüglich Korruption erlaubt. Auch hier eine unvollständige Liste:
Kurz: Trump zeigt das für «Strongmen» typische Verhalten, wie es die Historikerin Ruth Ben-Ghiat in ihrem gleichnamigen Buch beschreibt. «Ein Merkmal lässt sich bei allen Strongmen beobachten: Alles kontrollieren, zum eigenen Profit verwenden. Männer, Frauen und Kinder, die von ihnen regiert werden, sind für sie nur dann von Wert, wenn sie Babys produzieren, Feinde bekämpfen und sie öffentlich bewundern.»
Wer bis anhin Vergleiche mit Nazis und Hitler vermisst hat, den muss ich enttäuschen. Sie bringen nichts, ja sie sind kontraproduktiv. Doch wie Ben-Ghiat in ihrem Buch nachweist, hat Trump sehr viel Ähnlichkeit mit anderen Strongmen wie Mussolini, Silvio Berlusconi oder Muammar Gaddafi. Das allein ist schon erschreckend genug.
Der Historiker Douglas Brinkley von der Rice University gibt noch einen drauf und macht in der «Washington Post» darauf aufmerksam, dass Trump in seiner zweiten Amtszeit zu einer veritablen Zeitbombe geworden ist.
Er schreibt: «Wir sind Zeuge davon, dass es Trump einzig um Vergeltung geht und darum, Amerikaner kleinzumachen. Auf diese Weise schafft er eine explosive Situation, die den Menschen das Gefühl verschafft, sich in einer Art Bürgerkrieg zu befinden, und die jeden Moment ausser Kontrolle geraten kann.»
Was ich seit 100 Tagen nicht lese, wie bringen wir diesen Kerl weg. Trump ist auf einer Position, wo er nicht hingehört.
Ja, das tut er, der Rechtspopulist. Denn Rechtspopulisten schaden. Immer und überall. Und das nachhaltig.
Sind wir doch alle froh, dass unsere Rechtspopulisten nie ihr erklärtes Ziel von über 50% Wähleranteil erreicht haben. Es wäre eine Katastrophe.