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Wirtschaft

So reagiert die Schweizer Politik auf die US-Zölle gegen die Schweiz

«Die USA sabotieren die Beziehungen»: Die Polit-Reaktionen zu Trumps Strafzöllen

Donald Trump bereitet der Schweiz einen schwarzen 1. August. Er verhängt Strafzölle von 39 Prozent. GLP-Präsident Jürg Grossen spricht von einer «Zäsur im Verhältnis mit den USA». Und Karin Keller-Sutter gerät in die Kritik.
01.08.2025, 08:4901.08.2025, 11:51
Othmar von Matt / ch media
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Der Schock in Verwaltung und Regierung ist gross. Um 1.15 Uhr Schweizer Zeit wurde die neue Zollliste mit 61 Ländern und Territorien auf der Seite des Weissen Hauses publiziert – und damit war klar: Die Schweiz hat den mit Abstand schlechtesten Zolldeal in ganz Europa: 39 Prozent. Das sind sogar acht Prozent mehr als die am 2. April angedrohten 31 Prozent.

Die Schweiz ist damit in Gesellschaft mit Staaten wie Irak (35 Prozent), Laos (40 Prozent), Serbien (35 Prozent) und Burma (40 Prozent).

Burkart: «Die USA sabotieren die sehr guten Beziehungen»

Entsprechend deutlich fallen die Reaktionen aus. «Die Entscheidung von Präsident Trump, trotz einer gemeinsamen Absichtserklärung zwischen Bern und Washington die getroffenen Vereinbarungen einseitig aufzukündigen, ist eine Katastrophe und ein direkter Angriff auf unseren Wohlstand», sagt FDP-Präsident Thierry Burkart gegenüber CH Media. «Damit handelt Trump entgegen allen Prinzipien, für welche die westlichen Demokratien einstehen: Verlässlichkeit, Freihandel und einer regelbasierten Weltordnung.»

FDP Parteipraesident Thierry Burkart bei seiner Rede anlaesslich der Delegiertenversammlung der FDP Schweiz vom Samstag, 28. Juni 2025 in Hergiswil im Kanton Nidwalden. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Die Schweiz dürfe sich nicht mehr alleine auf diplomatische Lösungen verlassen, findet FDP-Präsident Thierry Burkart.Bild: KEYSTONE

Weiter betont Burkart: «Die USA sabotieren mit diesem Vorgehen sowohl die seit Jahrzehnten sehr guten und verlässlichen Beziehungen zu unserem Land als auch den freien Handel insgesamt.» Offenbar gehe es dem US-Präsidenten angesichts der enormen Staatsverschuldung der USA in erster Linie darum, die Staatskasse zu füllen. Dafür nehme er auch mittelfristig negative Effekte für die Volkswirtschaft der USA in Kauf.

Für die Schweiz ergäben sich zwei zentrale Folgerungen, sagt Burkart: «Erstens muss der Bundesrat die Gespräche mit der US-Regierung fortsetzen und auf eine tragfähige Lösung hinarbeiten. Zweitens darf sich die Schweiz nicht allein auf diplomatische Lösungen verlassen. Wir müssen uns auf das Worst-Case-Szenario vorbereiten und innenpolitisch die richtigen Weichen stellen.» Die Unternehmen benötigten gute Rahmenbedingungen, um sich auch unter erschwerten globalen Bedingungen behaupten zu können. «Daher braucht es ein Fitnessprogramm für unsre Wirtschaft.»

Von einen «Katz- und Maus-Spiel», das Trump mit der Schweiz spiele, spricht GLP-Präsident Jürg Grossen. «Es droht eine Zäsur im Verhältnis mit den USA.» Die angeblich so «guten Beziehungen» hätten nicht gefruchtet. «Jetzt muss der Bundesrat von seinem hohen Ross herunterkommen und bis zum 7. August das Schlimmste abwenden», fordert Grossen. «Der Zoll-Streit zeigt: Sich einzig den USA zuzuwenden, weil das der ‹wichtigste› Markt für unser Land sei, das müssen sich rechtsbürgerliche Kreise abschminken.» Und er bilanziert: «Von den USA drohen willkürlich festgelegte Zölle, wir aber setzen auf Freihandel.»

«Willkürliche Machtpolitik»

Trump betreibe «willkürliche Machtpolitik», sagt Mitte-Präsident Philipp Matthias Bregy. «Diese ist schädlich für die Schweiz und zeigt, wie wichtig eine werte- und regelbasierte Welt und gute internationale Beziehungen für die Schweiz sind und im vorliegenden fall wären.» Der Bundesrat sei nun gefordert, sagt Bregy. «Zum einen sind Gegenmassnahmen zu prüfen.» Da Zölle Importprodukte für die Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz verteuerten, seien die Gegenmassnahmen aber «mit Bedacht» zu wählen, nämlich dort, wo genügend einheimische Produkte oder Produkte aus anderen Ländern vorhanden seien. Die Schweizer Bevölkerung dürfe finanziell nicht belastet werden.

Zudem fordert Bregy rasch Massnahmen zur Stabilisierung der Situation. Man müsse nun prüfen, ob nicht im Rahmen der überschnell eingeführten OECD-Mindeststeuer Entlastungspotential bestehe.

«Die irrationale und gefährliche Seite der Politik von Trump»

Samuel Bendahan, Co-Fraktionspräsident der SP und Ökonom, wird gegenüber CH Media ebenfalls sehr deutlich. «Die Strafzölle zeigen die irrationale und gefährliche Seite der Politik von Trump und anderen autoritären Herrschern für Oligarchen und Milliardäre und gegen die Bevölkerung», betont er. «Es zeigt aber auch, dass die Strategie des Alleingangs ein Fehler war – und zwar nicht nur, weil die EU besser gestellt ist bei den Zöllen.»

Samuel Bendahan, SP-VD, spricht an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 4. Juni 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Til Buergy)
Hält den Schweizer Alleingang für einen Fehler: Samuel Bendahan (SP).Bild: KEYSTONE

Generell hätte die Staaten nicht nachgeben sollen, sagt Bendahan. Dass sie gespalten gewesen seien, habe Trumps Poker erst möglich gemacht. «Die Schweiz hat leider zu diesem Ergebnis beigetragen, weil sie dachte, sie könne Trump besänftigen.» Das alles zeige vor allem eines, betont Bendahan: «Die Zusammenarbeit mit anderen liberalen Demokratien und mit Europa in dieser Welt ist für die Schweiz sehr wichtig.» Es sei so, dass es aufgrund von Trumps irrationaler Seite unmöglich zu wissen sei, wie sich die Dinge entwickelten. Bendahans Folgerung: «Alles ist möglich.»

Für Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone ist die «Anbiederungsstrategie des Bundesrates ist auf ganzer Linie gescheitert», wie sie sagt. «Der Kniefall vor Trump sowie der Alleingang waren definitiv falsch, wie wir Grüne es seit Januar sagen.» Nun sei die Zeit gekommen zu reagieren und grosse amerikanische Tech-Unternehmen angemessen zu besteuern. Mazzone fordert: «Die Schweiz muss gemeinsam mit Europa eine unabhängige und grüne Industriepolitik entwickeln.»

Für Grünen-Nationalrätin Franziska Ryser sind die Zölle für die Schweizer Wirtschaft ein «Worst case», wie sie sagt. «Zusammen mit dem schwachen US-Dollar sind die Mehrbelastungen für unsere Unternehmen enorm, insbesondere für die exportorientierte Maschinenindustrie.» Der Versuch, mit Trump zu verhandeln, sei gescheitert. «Umso wichtiger sind jetzt die Stärkung der multilateralen Organisationen und die Beziehungen mit der EU.»

«Die Strafzölle der USA sind ein Weckruf», sagt Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter gegenüber CH Media. «Wir dürfen nicht länger zögern: Das Stabilisierungspaket mit der EU muss jetzt erst recht zum Abschluss gebracht werden.» Und weiter: «Unsere Unternehmen brauchen den Zugang zum europäischen Markt – mehr denn je. Wer glaubt, wir könnten die EU links liegen lassen und stattdessen auf ferne Partner setzen, erlebt gerade das Gegenteil.»

Nik Gugger übt Kritik an Bundespräsidentin Keller-Sutter

EVP-Nationalrat Nik Gugger stellt auch kritische Fragen zu Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter. «Es drängt sich die Frage auf, ob sich Frau Bundespräsidentin über den Tisch ziehen liess – und das interkulturelle Verhandlungsgeschick schlicht ausblieb. Warum zahlt die Schweiz 24  Prozent mehr als die EU?»

Die angekündigten Strafzölle von Donald Trump von 39 Prozent auf Schweizer Waren und 15 Prozent auf EU-Waren wirkten aus seiner Sicht «weder wirtschaftlich sinnvoll noch geopolitisch klug», betont Gugger. Er zieht zwei Fazite. Das erste zur Schweiz: «Ein Land mit Freihandelstradition und neutraler Politik wird plötzlich behandelt wie ein Handelsgegner.» Und das zweite zu den USA: «Die Konsumentinnen und Konsumenten zahlen am Ende höhere Preise – America First wird damit zu America Pays More.»

Bundesrat plant vorläufig keine Medienkonferenz

Die offizielle Schweiz gibt sich zurückhaltender. Der Bundesrat hat laut dem Finanzdepartement die von den USA genannten Zusatzzölle «mit grossem Bedauern» zur Kenntnis genommen. Die Schweiz strebe weiterhin eine Verhandlungslösung mit den USA an, schrieb Pascal Hollenstein, der Kommunikationsverantwortliche des Departements gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Hollenstein betonte, dass der von Trump genannte Zusatzzoll von 39 Prozent «deutlich» vom Entwurf einer gemeinsamen Absichtserklärung abweiche. Recherchen zeigen, dass der Bundesrat weder heute noch am Wochenende eine Medienkonferenz plant.

«Lange galt die Schweiz als neutral. Das ist vorbei.»

«Washington schlägt mit voller Härte auf die Schweiz», schreibt der Ökonom Christian Takushi, der im schweizerischen Saanenland wohnt, auf X. Das sei zu erwarten gewesen. «Seit der strategischen Ankoppelung der Schweiz an die EU behandelt Washington Bern als eine EU-Erweiterung. Lange galt die Schweiz als neutral. Ist aber vorbei.» Takushi arbeitete auf verschiedenen Kontinenten als Stratege, Analyst und Portfoliomanager und ist heute selbständiger geopolitisch-ökonomischer Berater. Er hatte den Brexit, die Trump-Wahl und das Bitcoin-Comeback vorausgesagt.

Matthias Geissbühler, Investmentchef der Raiffeisen Schweiz hält auf X fest: «Der Zollhammer schlägt zu. Für die Exportwirtschaft sind das schlechte News.» Und weiter: «Firmen die in der Schweiz produzieren und viel in die USA exportieren trifft es hart.» Neben den Zöllen komme der Währungseffekt hinzu, da der Dollar 11 Prozent gegenüber dem Schweizer Franken verloren habe. Geissbühler betont: «Damit verteuern sich die Produkte um 50 Prozent.» (aargauerzeitung.ch)

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211 Kommentare
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Rethinking
01.08.2025 09:02registriert Oktober 2018
Der bürgerliche Bundesrat hat einmal mehr völlig versagt…

FDP und $VP sind sowas von dämlich und naiv im Umgang mit Trump, Putin, Netanjahu und co.

JA zu den Bilateralen!
JA zu mehr Zusammenarbeit mit der Nato!
NEIN zu unserer pseudeo „Neutralität“!

Was wir brauchen sind starke, treue und verlässliche Partner und dafür müssen wir ebenfalls ein solcher sein!
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Zahlenheini
01.08.2025 09:17registriert Juli 2018
Hier fehlt eine Reaktion der SVP, auf die ich sehr gespannt bin…
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AFH
01.08.2025 09:05registriert September 2021
Man kann nur hoffen, dass jetzt endlich auch der letzte Politiker gemerkt hat, dass man mit Trump nicht verhandeln kann.
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