International
Wirtschaft

Euro kostet bald weniger als 90 Rappen – was das für die Schweiz bedeutet

Bald kostet ein Euro weniger als 90 Rappen – was das für die Schweiz bedeutet

Der Franken hat keine Verbündete mehr wie einst die D-Mark. Die Schweizer Valuta ist die letzte echte Hartwährung der Welt. Das ist manchmal komfortabel, manchmal unangenehm aber ein gutes Zeichen für unser Land.
23.10.2025, 05:4623.10.2025, 05:46
Daniel Zulauf / ch media

«Als traditionelle Hartwährung steht der Schweizerfranken inzwischen allein auf weiter Flur», sagt Alexander Koch, der für Raiffeisen auch die  Devisenmärkte beobachtet. Bis 2027 könnte der Wert eines Euro auf weniger als 90 Rappen gefallen sein, glaubt er. Seine Prognose ist mehr als blosse Spekulation.

ARCHIVBILD - EURO UEBERSCHREITET ZUM ERSTEN MAL SEIT JANUAR 2015 DIE MARKE VON 1,15 FRANKEN - Coins of 1 Euro (left) and coins of 1 Swiss Franc (right), pictured on July 21, 2011. (KEYSTONE/Martin Rue ...
Nickel-Messing versus Kupfer-Nickel: Am äusseren Rand ist der Euro härter als der Franken - allerdings nur was die Legierung anbelangt.Bild: KEYSTONE

«Die Frage ist nicht ob, sondern nur wann genau der Euro-Frankenkurs unter die 90-Rappen-Marke fällt», sagt auch Investmentchef Thomas Stucki von der St.Galler Kantonalbank.

Die Ökonomen stützten sich in ihren Voraussagen auf ein bekanntes und empirisch längst nachgewiesenes Phänomen: Wenn die Preise von identischen Gütern zwischen zwei Ländern unterschiedlich hoch sind, obwohl die Güter über die Grenzen hinweg gehandelt werden können, dann wird der Wechselkurs für den Ausgleich sorgen.

Inflation bestimmt Wechselkurs

Das Konzept nennt sich in der Ökonomensprache «Kaufkraftparität» und es besagt, dass in einer Welt mit flexiblen Wechselkursen die Inflationsunterschieden zwischen den Ländern den Wechselkurs bestimmen. In der Schweiz belief sich die Inflationsrate im September auf 0,2 Prozent, während sie Euroraum 2,2 Prozent betrug. Angenommen, die Differenz von zwei Prozentpunkten zu Gunsten der Schweiz bliebe ab sofort bestehen, müsste ein Euro gemäss Theorie bereits im kommenden Herbst weniger als 90 Rappen kosten.

Stucki und Koch glauben, dass es noch etwas länger dauern könnte. Thomas Stucki verweist auf den Dollar, der bei internationalen Investoren seit Donald Trumps Einzug ins Weisse Haus viel Vertrauen verloren hat. Davon profitiere auch der Euro, der im Sommer des laufenden Jahres einen kleinen Höhenflug erlebte. «Ohne diesen Dollar-Effekt hätte ich schon im laufenden Jahr den Abstieg des Euro unter die 90-Rappen-Marke erwartet», sagt Stucki. Nun kann es vielleicht noch zwei Jahre länger dauern.

Alexander Koch hat weitere Argumente: Die Inflationsdifferenz zwischen Euro und Franken liege derzeit deutlich über dem historischen Mittelwert von etwa 1,5 Prozentpunkten. «Ich gehe davon aus, dass wir uns diesem historischen Mittelwert sehr bald wieder annähern werden, und zwar über leicht steigende Inflationsraten in der Schweiz und tendenziell sinkenden oder gleichbleibende Raten im Euroraum.»

Eine kontinuierliche Aufwertung des Frankens, die mit der Kaufkraftparität einhergeht, ist für die Industrie und für die Konsumenten ein neutraler Vorgang, es ergeben sich weder Vorteile noch Nachteile daraus. Markant ist die Entwicklung aber allemal, umso mehr als der Euro bei seiner Einführung vor über 25 Jahren mehr als 1.6 Franken gekostet hatte.

Aber ist die Inflationsdifferenz zu Gunsten der Schweiz in Stein gemeisselt? Vielleicht, aber nur wenn der starke Frankenkurs auch fortan hilft Importwaren zu verbilligen. Was spricht dafür, dass das so bleibt? Der Franken feiert heuer seinen 175. Geburtstag.

Stärke ist ein Grund zum Feiern

Der bekannte Schweizer Geldtheoretiker Ernst Baltensperger hat die lange Geschichte des Frankens schon vor einigen Jahren in einem Buch nachgezeichnet und dort festgestellt:

«Das in der Schweiz ausgeprägte Bewusstsein für die grundlegende gesellschaftliche Bedeutung der monetären Ordnung, ihrer Stabilität und Zuverlässigkeit hat stark (…) zum wirtschaftlichen und politischen Erfolg des Landes seit der Errichtung des Bundesstaates beigetragen.»

Wenn es einen Grund geben sollte, die ständige Aufwertung des Frankens zu feiern statt zu fürchten, dann hat ihn Baltensperger präzis formuliert. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
37 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
hgehjvkoohgfdthj
23.10.2025 06:44registriert März 2020
Geldtheoretiker. Ist das jemand, der praktisch kein Geld mehr hat?
668
Melden
Zum Kommentar
avatar
Raketenwissenschaftler
23.10.2025 06:52registriert Januar 2023
Es gibt keine Aufwertung des Franken, sondern eine Abwertung des Euro und des Dollars wegen der Verschuldung und der Defizite in diesen Ländern.
6416
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mätse
23.10.2025 06:54registriert September 2015
Für die Einkaufstouristen ist das ein Grund zum Feiern.
Für die Exportfirmen und ausländische Touristen sind das schlechte News...
347
Melden
Zum Kommentar
37
21 Tage Shutdown in den USA: Nun stehen Bundesangestellte für Lebensmittel an
Beamte haben Geldsorgen, Unternehmen müssen Angestellte entlassen, der US-Wirtschaft droht ein Milliardenschaden. Doch noch immer herrscht im US-Budgetstreit keine Einigkeit.
Auch nach 21 Tagen stehen die USA ohne Übergangshaushalt da. Sowohl Demokraten als auch Republikaner beharren auf ihren politischen Forderungen. Eine Einigung im Haushaltsstreit ist im Senat bereits elfmal gescheitert.
Zur Story