Ohne Einladung: Donald Trump reist ans WEF – Schweiz vor heiklen Fragen
Donald Trump hat das WEF in Davos dick in seiner Agenda angestrichen. Beim Stelldichein der Wirtschaftselite aus aller Welt will der US-Präsident persönlich anwesend sein. Das bestätigen zwei voneinander unabhängige Quellen gegenüber CH Media: eine aus dem Umfeld des Bundesrats, eine andere aus dem innersten Zirkel des World Economic Forum.
Trump besuchte das WEF bereits 2018 und 2020. Er war nach Bill Clinton im Jahr 2000 der zweite amtierende US-Präsident, der nach Davos reiste.
Im Januar 2025, kurz nach seiner Vereidigung in Washington, liess sich Trump per Video nach Davos zuschalten. Es war einer seiner ersten öffentlichen Auftritte in der zweiten Amtszeit. Nun richtete der US-Präsident der WEF-Führung aus: Im Januar 2026 werde er wieder vor Ort teilnehmen.
Pikant: Trump habe sich selbst eingeladen – noch bevor die WEF-Organisatoren auf ihn zugegangen seien. Der US-Präsident habe noch keine Einladung gehabt. Das sagt ein hochrangiger Insider zu CH Media.
Erster Test nach der Schwab-Affäre
Am WEF-Sitz in Cologny GE ist man erleichtert und gleichzeitig nervös ob der Ankündigung des hohen Gastes.
Erleichtert, weil nach der skandalträchtigen Absetzung von WEF-Gründer Klaus Schwab vor sechs Monaten befürchtet wurde, das Forum könnte an Relevanz verlieren. Schwab besuchte wichtige Staats- und Wirtschaftsführer jeweils persönlich, oder er griff zum Telefon, um sie nach Davos zu holen.
Nervös, weil Trumps Politik den Werten des WEF diametral widerspricht. Die Organisation bekennt sich zu offener Gesellschaft, Freihandel, Inklusion und Nachhaltigkeit. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hat es scharf verurteilt; Russen sind in Davos von einer Teilnahme ausgeschlossen. Was, wenn Trump Änderungen fordert?
Nach dem abrupten Abgang von Klaus Schwab führen zwei unterschiedliche Männer das WEF als Co-Präsidenten: Der milliardenschwere Roche-Erbe André Hoffmann, Vizepräsident des Basler Pharmakonzerns. Und der Amerikaner Larry Fink, Gründer des weltgrössten Vermögensverwalters BlackRock.
Hoffmann hat als jahrelanger WWF-Stiftungsrat eine grüne Ader, hält den Kapitalismus in seiner heutigen Form für überholt – und er kritisierte Trump auch schon öffentlich.
Fink wiederum verfügt über einen guten Draht zu Trump. Sie lernten sich vor Jahrzehnten in New York kennen. Fink stand lange eher den Demokraten nahe, wie Trump auch. Doch in den letzten Jahren hat er sich zum Konservativen gewandelt. Trump schätzt Finks wirtschaftlichen Rat und konsultiert ihn regelmässig. In diesem Rahmen soll auch die «Selbsteinladung» erfolgt sein.
Fink statt Hoffmann auf der Bühne
Das Jahrestreffen findet vom 19. bis 23. Januar 2026 statt. Wann Trump in Davos eintreffen und wie lange er bleiben wird, lässt sich noch nicht sagen. Sein Besuch wird weder vom WEF noch vom Bund offiziell bestätigt. Das ist weiter nicht erstaunlich: Angesichts seiner Sprunghaftigkeit ist zu erwarten, dass bis am letzten Tag eine gewisse Unsicherheit bleiben wird, ob der US-Präsident tatsächlich anreist.
Trotzdem hat man sich in Cologny schon konkrete Gedanken über das «Trump-Handling» gemacht. Begrüsst werden soll der US-Präsident auf der Bühne von Larry Fink. Bewusst abseits hält sich André Hoffmann.
Von Hoffmann wird man öffentlich keine Kritik an Trump mehr hören. Dieser Verzicht hat allerdings nicht nur mit seinem WEF-Mandat zu tun. Roche ist in den USA exponiert, Trump droht mit hohen Pharmazöllen. Er soll nicht provoziert werden.
Parmelins Tanz auf der Rasierklinge
Vor einer vergleichbaren Herausforderung wie die neuen WEF-Chefs steht auch Guy Parmelin. Der SVP-Wirtschaftsminister ist 2026 zum zweiten Mal Bundespräsident. Es gehört zu den diplomatischen Gepflogenheiten, dass Staatschefs, die am WEF teilnehmen, wenn möglich, den Bundespräsidenten treffen.
Prominent in Erinnerung: Der offizielle Besuch von Wolodymyr Selenskyj bei der damaligen Bundespräsidentin Viola Amherd im Landsitz Lohn bei Bern, von wo er später per Zug nach Davos reiste. Es war das Treffen, bei dem der Ukraine-Gipfel auf dem Bürgenstock vereinbart wurde.
Auch Parmelin wird sich eine Strategie zurechtlegen müssen: Tritt er Trump selbstbewusst entgegen und lässt sich mit dem launischen Präsidenten auf Diskussionen ein? So wie es Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter Ende Juli bei dem legendären Telefongespräch tat – und damit Trump vertäubte? Oder versucht er es – im Stile von Nato-Generalsekretär Mark Rutte – mit Unterwürfigkeit, wie Trump es mag?
Doch das ist nicht der Stil des SVP-Bundesrats. Bloss ist es gut möglich, dass die Umstände Parmelin unter Druck setzen werden: Derzeit deutet wenig auf ein rasches Ende des Zollstreits hin, den Trump vom Zaun gerissen hat.
Eine Chance im Zollstreit
Die Verhandlungen über einen Deal zwischen Parmelins Wirtschaftsdepartement und US-Finanzminister Scott Bessent seien zwar weit fortgeschritten, heisst es. Doch Trump und sein engstes Umfeld zeigen bisher wenig Interesse, die Strafzölle auf Schweizer Produkte rasch zurückzunehmen. Die USA seien anscheinend an den Zolleinnahmen derzeit mehr interessiert als an einer Lösung, heisst es in Bern. Kurz: Die Schweiz ist für Trump eine nützliche Milchkuh.
Allerdings bewegt sich Parmelin mit zunehmender Erfahrung im Amt immer gewandter auf dem diplomatischen Parkett. Ihm ist zuzutrauen, dass er im persönlichen Gespräch den Zugang zu Trump findet. Insofern wäre dessen Besuch für die Schweiz eine Chance.
Eine Chance dürfte es auch für Aussenminister Ignazio Cassis sein. Er wird 2026 für die Schweiz die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) präsidieren. Diese könnte bei einem Waffenstillstand oder gar nach einem Friedensschluss in der Ukraine eine zentrale Rolle spielen, auch weil Russland in der OSZE nach wie vor Mitglied ist.
Zuletzt hat die Schweiz bei internationalen Friedensbemühungen an Bedeutung verloren, sowohl im Gaza-Krieg als auch in der Ukraine. Mit Trumps Besuch bietet sich Cassis und seinem diplomatischen Corps eine Gelegenheit, sich als Vermittler wieder ins Spiel zu bringen.
Proteste sind programmiert
Allerdings ist so gut wie sicher: Reist Trump in die Schweiz, wird das hier Demonstrationen auslösen. Vielen gilt Trump als Faschist, in seiner zweiten Amtszeit noch viel mehr als in seiner ersten. Dass der Bundesrat den mit Willkür-Methoden regierenden US-Präsidenten hofiert, dürfte die Linke nicht ohne Widerspruch hinnehmen.
Die Bündner Behörden wären mit der Frage konfrontiert, ob sie Demonstrationen in Davos eine Bewilligung erteilen würden. Der Bundesrat müsste sich fragen, ob er die Rede- und Demonstrationsfreiheit gegenüber dem empfindlichen Narzissten aus dem Weissen Haus verteidigen würde.
Es sind Themen, die Bundesbern bisher nur im Umgang mit dem Regime aus Peking beschäftigten. Jetzt muss sich der Bundesrat im Hinblick auf das WEF auch für Staatsgast Donald Trump eine Strategie zurechtlegen.
