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Kampf gegen Fast Fashion: EU-Kommission stellt nachhaltige Strategie vor

EU-Kommission sagt Fast Fashion den Kampf an – wie die Modeindustrie der Zukunft aussieht

Schnell, günstig, kurzlebig: Seit die Modebranche im grossen Stil Fast-Fashion produziert, mehrt sich die Kritik. Nun soll ein Umdenken stattfinden – mit Druck der EU. Die Pläne – und wem sie zugutekommen.
10.04.2022, 11:3310.04.2022, 20:02
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Bald soll Schluss sein mit Kleidungsetiketten, welche lediglich Reinigungsanweisungen sowie Angaben zu Textilien und zum Herkunftsland beinhalten.

Die EU-Kommission plant die Einführung einer Kennzeichnung auf Kleidung, welche dem Verbraucher aufzeigt, wie umweltfreundlich die Textilien sind – und woher sie stammen. Mit der Rückverfolgung will die Kommission mehr Transparenz schaffen.

Das ist nur eine der Massnahmen, mit denen die EU-Kommission dem Geschäftsmodell Fast Fashion den Kampf ansagt. Bis 2030 sollen in der EU ausserdem nur noch Textilerzeugnisse auf den Markt gebracht werden, die recycelbar und damit langlebiger sind. Der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sagte, die Kommission wolle, dass Fast Fashion «aus der Mode kommt».

Wie die Europäische Kommission Fast Fashion an den Kragen will – und wie die Industrie künftig (auch in der Schweiz) aussehen könnte:

Die Problematik von Fast Fashion – kurz erklärt

Die Fast-Fashion-Industrie beruht auf der günstigen und schnellen Produktion von Kleidung, welche in Windeseile in den Ländern erscheinen, um den neuesten Trends gerecht zu werden.

Darunter zählen unter anderem europäische Marken wie Zara, H&M oder Topshop. Das Fast-Fashion-Unternehmen Zara produziert laut Angaben von «Changing Markets» 20 Kollektionen pro Jahr – mit einem fünfwöchigen Zyklus vom Entwurf bis zum Verkauf. H&M bringt jedes Jahr 16 Kollektionen auf den Markt, wobei die Produktionszeiten zwischen einigen Wochen und sechs Monaten variieren. Der grösste britische Online-Versandhandel ASOS kann Kleidung in nur zwei bis vier Wochen produzieren – und zu Tiefstpreisen anbieten.

FILE - Garment employees work at Arrival Fashion Limited in Gazipur, Bangladesh, Saturday, March 13, 2021. The European Union warned consumers to stop using their clothes like throwaway items and said ...
Angestellte des Bekleidungsunternehmens Arrival Fashion Limited in Gazipur, Bangladesch, Samstag, 13. März 2021.Bild: keystone

Die tiefen Preise wiederum können nur durch Tiefstlöhne garantiert werden, weshalb die Textilindustrie vor allem in Asien angesiedelt ist. Doch in die Kritik geriet auch der Billig-Modehändler Boohoo, der seine Ware im englischen Leicester produziert.

Ob Asien oder britische Insel – das System ist dasselbe. Billige Kleidung für Modeketten werden unter zuweilen ausbeuterischen Bedingungen angefertigt.

Der Preis dafür bezahlen vor allem die Arbeiter in Massenproduktionslagern. NGOs warnen seit Jahren vor den prekären Arbeitsbedingungen – und den Folgen, mit gesundheitsschädlichen Chemikalien zu arbeiten. Auch das Europäische Parlament beschreibt die Arbeitsbedingungen bei den Fast-Fashion-Herstellern als «moderne Sklaverei».

Im Jahr 2019 importierte die EU Textilien im Wert von über 80 Milliarden Schweizer Franken, hauptsächlich aus China, Bangladesch und der Türkei. In der Schweiz ist 2020 laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) Ware im Wert von 12.35 Milliarden Schweizer Franken importiert worden.

Recycling als Ablenkungsmanöver

Die schnell produzierten Kleidungsstücke sind weder auf Recycling, geschweige denn auf Langlebigkeit oder Reparatur ausgerichtet. Dies ist einer der Hauptgründe dafür, dass der durchschnittliche Europäer jedes Jahr 11 Kilogramm Kleidung, Schuhe und andere Stoffwaren wegwirft. In der Schweiz sind es laut Bafu durchschnittlich 6 Kilogramm.

Praktisch die gesamten Kleidungsstücke, die aus recyceltem Polyester produziert wurden, bestehen nicht aus wiederverwerteten Kleidungsstücken, sondern aus recycelten Plastikflaschen. Da dieses Faser-zu-Faser-Recycling begrenzt ist, können die meisten Teile danach nicht mehr weiterverwendet werden. Die Klamotten werden dann irgendwo zwischengelagert – oder direkt verbrannt.

A large pile of second-hand clothing covers the sand near La Mula neighborhood in Alto Hospicio, Chile, Monday, Dec. 13, 2021. Chile is a big importer of second hand clothing, and unsold clothing gets ...
Rund 40'000 Tonnen Kleider werden in Chiles Atacama-Wüste jährlich entsorgt. Es ist das Ergebnis der Fast-Fashion-Industrie.Bild: keystone

Polyester als Rückgrat der Wegwerfmode

Der grösste Teil der heutigen Mode wird aus fossilen Brennstoffen hergestellt – aus synthetische Fasern, die aus Erdöl und Erdgas hergestellt werden. Die frühen 2000er Jahre gelten nicht nur als die Blütezeit der «schnellen Mode». Es war auch die Zeit, in der Polyester die Baumwolle als gefragteste Faser ablöste – da er sehr viel günstiger ist. Der Wechsel sorgte dafür, dass sich die Produktion sowie der Konsum bis heute drastisch veränderte.

Zunahme des globalen Faserbedarfs in Millionen Tonnen

Über 40 Prozent der textilen Fasern werden für Kleidung verwendet. Die Prognose stammt aus dem Jahr 2015.
Über 40 Prozent der textilen Fasern werden für Kleidung verwendet. Die Prognose stammt aus dem Jahr 2015. grafik: greenpeace

Fast-Fashion-Produktion ist also auch sehr energieintensiv. Ein Blick auf die Daten der weltweiten Ölnachfrage zeigt, wie abhängig das aktuelle Herstellungsmodell der Modeindustrie von der Gewinnung fossiler Brennstoffe ist:

Abgesehen von Kohlenstoffemissionen hat Fast Fashion auch einen Einfluss auf Wasser- und Luftverschmutzung sowie Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren. Denn: Chemikalien zur Faserverarbeitung können ins Abwasser gelangen, die Flüsse und Seen verschmutzen und dadurch Krankheiten hervorrufen.

Worauf die EU-Strategie abzielt

Vor diesen Hintergründen hat die EU-Kommission am 30. März eine Strategie für nachhaltige und zirkuläre Textilien veröffentlicht.

Neue Anforderungen an die Gestaltung von Textilien

Die Strategie verlangt, dass in der EU bis 2030 nur noch Textilien auf den Markt kommen, die langlebig und recycelbar sind – und zu einem grossen Teil bereits aus Recycling-Fasern bestehen. Die Erzeugnisse sollen künftig frei von gefährlichen Stoffen und unter Beachtung von sozialen Rechten und der Umwelt hergestellt werden.

Klarere Informationen

Weiter will die Kommission gegen Greenwashing vorgehen und klare Informationen über die Herstellung und dessen Inhaltsstoffe vorschreiben. Produzenten sollen angeben, welchen ökologischen Fussabdruck ihr Produkt hinterlässt und wie die Produkte recycelt werden können.

Aktuell sagen die Kennzeichnungen beispielsweise nichts darüber aus, wo und wie Baumwolle angebaut wurde, ob bei der Verarbeitung Dünger eingesetzt wurde und ob die Hersteller einen gerechten Lohn erhalten haben. Die Etikette der Zukunft bietet viele weitere Details. Irreführende Bezeichnungen wie «nachhaltig» oder «grün» sollen verboten werden.

Greenwashing – Reinwaschen im Hinblick auf die Nachhaltigkeit
Greenwashing ist eine PR-Methode, die darauf abzielt, einem Unternehmen ein umweltfreundliches Image zu verschaffen. Mit verschiedenen Methoden, wie beispielsweise mit Nachhaltigkeitsetiketten, wird versucht dem Konsumenten den Eindruck zu vermitteln, dass ihre Produkte im Einklang mit der Umwelt stehen – oder dass sie mit ihrem Kauf gar etwas Gutes tun. Vielfach wird auch mit Begriffen wie natürlich, ökologisch, grün oder nachhaltig geworben, die nicht geschützt sind.

Verbrennung und Deponierung minimieren

«Im Textilsektor sollen die Hersteller die Verantwortung für ihre Produkte entlang der gesamten Wertschöpfungskette tragen», schreibt die Kommission in einem öffentlichen Schreiben. Das Ökosystem für Kreislauftextilien soll – angetrieben durch ausreichende Kapazitäten für innovatives Faser-zu-Faser-Recycling – florieren, während die Verbrennung und Deponierung von Textilien auf ein Minimum reduziert werden sollen.

Die Reaktionen – und wie es nun weiter geht

Die deutsche EU-Abgeordnete Delara Burkhardt begrüsst die Pläne: «Wir haben jetzt die Chance zu entscheiden, ob nachhaltige Kleidung nur ein Lebensstil für eine bestimmte Gruppe von Menschen sein wird – oder ob sie zur Normalität wird.»

Auch die EU-Bürgerinnen und Bürger wünschen sich laut einer Umfrage eine grundlegende Veränderung im Textilsektor. Demnach waren 80 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer der Meinung, dass Kleidung länger halten sollten.

Ein wichtiger Hebel, um die Zahnräder in Gang zu bringen, sind auch die Bekleidungsriesen. Das schwedische Textilhandels­unternehmen H&M sagte gegenüber NPR, dass man die Pläne befürworte und man bereits an Modellen der Kreislaufwirtschaft arbeite.

Das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten werden nun über die Gesetzesvorschläge beraten. Da es sich beim Vorschlag um einen delegierten Rechtsakt handelt, würde die identische Gesetzesänderung in allen Mitgliedstaaten in Kraft treten. Bis zur definitiven Entscheidung dürfte es aber noch etwas dauern.

Eine Frau in einem Arbeiterwohnheim einer Fabrik in Dongguan in der südchinesischen Provinz Guangdong, am 11. Februar 2009.
Eine Frau in einem Arbeiterwohnheim einer Fabrik in Dongguan in der südchinesischen Provinz Guangdong, am 11. Februar 2009.bild: keystone

Können die Gesetzesänderung wirklich etwas bewirken?

«Die Pläne gehen in die richtige Richtung», sagt Kai Landwehr von myclimate gegenüber watson. Die gemeinnützige Organisation myclimate engagiert sich seit Jahren für den Klimaschutz.

Die Gesetzesänderungen hätten nicht nur einen positiven Einfluss aufs Klima, auch die Konsumenten und einige Modeproduzenten könnten davon profitieren: «Wenn die Pläne umgesetzt werden, schaffen sie einerseits einen Grundstock, um klimafreundlicher zu wirtschaften. Anderseits würden die Labels durch Transparenz und bessere Textilien aufgewertet werden.»

Landwehr erklärt auch, was sich bei den Unternehmen noch ändern würde: «Die einheitlichen Regeln zwingen die Unternehmen, klarer über ihre Lieferketten zu informieren und somit Transparenz zu schaffen.»

Und auch die prekären Arbeitsbedienungen in Asien könnten sich verbessern: «Wenn die Hersteller Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen müssen, werden diese wohl auch besser gestaltet», schätzt Landwehr. Technologie und Daten seien hier die Schlüssel.

Chance für kleinere Brands

Hinzu komme, dass die Verbraucher vermehrt über Chemikalien, Textilien sowie über das Arbeitsklima in Produktionsstätten konfrontiert werden würden. Im besten Falle fallen auch Gütesiegel wie der Grüne Knopf weg, die sich kleinere Brands, die tatsächlich auf Nachhaltigkeit setzen, oftmals nicht leisten können.

Arbeiterinnen und Arbeiter in einer Bekleidungsfabrik in Maseru, Lesotho, am Donnerstag, 24. Februar 2022. Zu Beginn der Corona-Pandemie brach die globale Modeindustrie angesichts der einbrechenden Na ...
Arbeiterinnen und Arbeiter in einer Bekleidungsfabrik in Maseru, Lesotho, am Donnerstag, 24. Februar 2022. Zu Beginn der Corona-Pandemie brach die globale Modeindustrie angesichts der einbrechenden Nachfrage zusammen. Die Auswirkungen bekamen vor allem die Arbeitnehmenden in Bekleidungsfabriken zu spüren. Vielen wurde der Lohn gekürzt. bild: keystone

Werden die Preise steigen?

Laut der EU-Kommission würde der Verbraucher durch die neuen Regeln von längeren und qualitativ hochwertigen Textilien profitieren, die «erschwinglich» bleiben. Ähnliche Einschätzungen macht auch Landwehr. Er mutmasst, dass es zu moderaten Preiserhöhungen kommen würde. Besonders bei Massenmarktprodukten würden die Kosten überschaubar bleiben.

Und würde sich auch in der Schweiz etwas ändern?

«Wenn die Pläne nicht verwässert werden, könnte die EU eine Vorreiterrolle einnehmen», so Landwehr. Es könne gut sein, dass auch die Schweiz die Massnahmen übernimmt. Sicher ist: Die Textilproduzenten müssten einheitliche Anpassungen schaffen. Und da viele europäische Brands Filialen in der Schweiz haben, dürfte wohl auch hierzulande ein Wandel stattfinden.

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hadock50
10.04.2022 11:54registriert Juli 2020
Influencer tragen ein wesentlichen Beitrag zu der Misere bei.
Ich hoffe es bleibt nicht nur bei lehren Worten, sondern wird rigoros umgesetzt.
Die sogenannte "Fast Fashion" kennt nur Verlierer....sowohl die Umwelt wie auch die Ausbeutung.
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arconite
10.04.2022 12:16registriert Februar 2014
Wahrscheinlich wird es uns mehr kosten, aber vielleicht und hoffentlich führt das auch zu einem Umdenken. Denn "Fast Fashion" gibt den Leute nicht was Sie denken - "sich jederzeit was leisten zu können" - sondern kostet viel. Wer in dieser Frequenz Kleider kauft welche dann nicht oder nur kurz getragen werden, gibt am Ende mehr Geld aus als wenn sie/er sich für Qualität und faire Bedingungen entscheidet.

Ich finde aber auch die grossen Labels, sollten transparent sein müssen und nicht nur die hohen Preise auf ihre Etiketten schreiben können.

Aber ja der Markt...
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Andy
10.04.2022 13:39registriert Januar 2014
Zumindest "Ultra Fast Fashion" müsste schlicht verboten werden. Nebst allen Umweltaspekten werden dort auch des Öfteren Designs schlicht geklaut. Es gibt diverse Dokus dazu auf Youtube.

Es ist einfach nur pervers, dass "Ultra Fast Fashion" überhaupt erlaubt ist und es sollte ein Blacklist von Influencern geben, welche sowas rückgratlos bewerben.
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