Bald soll Schluss sein mit Kleidungsetiketten, welche lediglich Reinigungsanweisungen sowie Angaben zu Textilien und zum Herkunftsland beinhalten.
Die EU-Kommission plant die Einführung einer Kennzeichnung auf Kleidung, welche dem Verbraucher aufzeigt, wie umweltfreundlich die Textilien sind – und woher sie stammen. Mit der Rückverfolgung will die Kommission mehr Transparenz schaffen.
Das ist nur eine der Massnahmen, mit denen die EU-Kommission dem Geschäftsmodell Fast Fashion den Kampf ansagt. Bis 2030 sollen in der EU ausserdem nur noch Textilerzeugnisse auf den Markt gebracht werden, die recycelbar und damit langlebiger sind. Der EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius sagte, die Kommission wolle, dass Fast Fashion «aus der Mode kommt».
Wie die Europäische Kommission Fast Fashion an den Kragen will – und wie die Industrie künftig (auch in der Schweiz) aussehen könnte:
Die Fast-Fashion-Industrie beruht auf der günstigen und schnellen Produktion von Kleidung, welche in Windeseile in den Ländern erscheinen, um den neuesten Trends gerecht zu werden.
Darunter zählen unter anderem europäische Marken wie Zara, H&M oder Topshop. Das Fast-Fashion-Unternehmen Zara produziert laut Angaben von «Changing Markets» 20 Kollektionen pro Jahr – mit einem fünfwöchigen Zyklus vom Entwurf bis zum Verkauf. H&M bringt jedes Jahr 16 Kollektionen auf den Markt, wobei die Produktionszeiten zwischen einigen Wochen und sechs Monaten variieren. Der grösste britische Online-Versandhandel ASOS kann Kleidung in nur zwei bis vier Wochen produzieren – und zu Tiefstpreisen anbieten.
Die tiefen Preise wiederum können nur durch Tiefstlöhne garantiert werden, weshalb die Textilindustrie vor allem in Asien angesiedelt ist. Doch in die Kritik geriet auch der Billig-Modehändler Boohoo, der seine Ware im englischen Leicester produziert.
Ob Asien oder britische Insel – das System ist dasselbe. Billige Kleidung für Modeketten werden unter zuweilen ausbeuterischen Bedingungen angefertigt.
Der Preis dafür bezahlen vor allem die Arbeiter in Massenproduktionslagern. NGOs warnen seit Jahren vor den prekären Arbeitsbedingungen – und den Folgen, mit gesundheitsschädlichen Chemikalien zu arbeiten. Auch das Europäische Parlament beschreibt die Arbeitsbedingungen bei den Fast-Fashion-Herstellern als «moderne Sklaverei».
Im Jahr 2019 importierte die EU Textilien im Wert von über 80 Milliarden Schweizer Franken, hauptsächlich aus China, Bangladesch und der Türkei. In der Schweiz ist 2020 laut Bundesamt für Umwelt (Bafu) Ware im Wert von 12.35 Milliarden Schweizer Franken importiert worden.
Die schnell produzierten Kleidungsstücke sind weder auf Recycling, geschweige denn auf Langlebigkeit oder Reparatur ausgerichtet. Dies ist einer der Hauptgründe dafür, dass der durchschnittliche Europäer jedes Jahr 11 Kilogramm Kleidung, Schuhe und andere Stoffwaren wegwirft. In der Schweiz sind es laut Bafu durchschnittlich 6 Kilogramm.
Praktisch die gesamten Kleidungsstücke, die aus recyceltem Polyester produziert wurden, bestehen nicht aus wiederverwerteten Kleidungsstücken, sondern aus recycelten Plastikflaschen. Da dieses Faser-zu-Faser-Recycling begrenzt ist, können die meisten Teile danach nicht mehr weiterverwendet werden. Die Klamotten werden dann irgendwo zwischengelagert – oder direkt verbrannt.
Der grösste Teil der heutigen Mode wird aus fossilen Brennstoffen hergestellt – aus synthetische Fasern, die aus Erdöl und Erdgas hergestellt werden. Die frühen 2000er Jahre gelten nicht nur als die Blütezeit der «schnellen Mode». Es war auch die Zeit, in der Polyester die Baumwolle als gefragteste Faser ablöste – da er sehr viel günstiger ist. Der Wechsel sorgte dafür, dass sich die Produktion sowie der Konsum bis heute drastisch veränderte.
Fast-Fashion-Produktion ist also auch sehr energieintensiv. Ein Blick auf die Daten der weltweiten Ölnachfrage zeigt, wie abhängig das aktuelle Herstellungsmodell der Modeindustrie von der Gewinnung fossiler Brennstoffe ist:
Abgesehen von Kohlenstoffemissionen hat Fast Fashion auch einen Einfluss auf Wasser- und Luftverschmutzung sowie Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen und Tieren. Denn: Chemikalien zur Faserverarbeitung können ins Abwasser gelangen, die Flüsse und Seen verschmutzen und dadurch Krankheiten hervorrufen.
Vor diesen Hintergründen hat die EU-Kommission am 30. März eine Strategie für nachhaltige und zirkuläre Textilien veröffentlicht.
Die Strategie verlangt, dass in der EU bis 2030 nur noch Textilien auf den Markt kommen, die langlebig und recycelbar sind – und zu einem grossen Teil bereits aus Recycling-Fasern bestehen. Die Erzeugnisse sollen künftig frei von gefährlichen Stoffen und unter Beachtung von sozialen Rechten und der Umwelt hergestellt werden.
Weiter will die Kommission gegen Greenwashing vorgehen und klare Informationen über die Herstellung und dessen Inhaltsstoffe vorschreiben. Produzenten sollen angeben, welchen ökologischen Fussabdruck ihr Produkt hinterlässt und wie die Produkte recycelt werden können.
Aktuell sagen die Kennzeichnungen beispielsweise nichts darüber aus, wo und wie Baumwolle angebaut wurde, ob bei der Verarbeitung Dünger eingesetzt wurde und ob die Hersteller einen gerechten Lohn erhalten haben. Die Etikette der Zukunft bietet viele weitere Details. Irreführende Bezeichnungen wie «nachhaltig» oder «grün» sollen verboten werden.
«Im Textilsektor sollen die Hersteller die Verantwortung für ihre Produkte entlang der gesamten Wertschöpfungskette tragen», schreibt die Kommission in einem öffentlichen Schreiben. Das Ökosystem für Kreislauftextilien soll – angetrieben durch ausreichende Kapazitäten für innovatives Faser-zu-Faser-Recycling – florieren, während die Verbrennung und Deponierung von Textilien auf ein Minimum reduziert werden sollen.
Die deutsche EU-Abgeordnete Delara Burkhardt begrüsst die Pläne: «Wir haben jetzt die Chance zu entscheiden, ob nachhaltige Kleidung nur ein Lebensstil für eine bestimmte Gruppe von Menschen sein wird – oder ob sie zur Normalität wird.»
Auch die EU-Bürgerinnen und Bürger wünschen sich laut einer Umfrage eine grundlegende Veränderung im Textilsektor. Demnach waren 80 Prozent der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer der Meinung, dass Kleidung länger halten sollten.
Ein wichtiger Hebel, um die Zahnräder in Gang zu bringen, sind auch die Bekleidungsriesen. Das schwedische Textilhandelsunternehmen H&M sagte gegenüber NPR, dass man die Pläne befürworte und man bereits an Modellen der Kreislaufwirtschaft arbeite.
Das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten werden nun über die Gesetzesvorschläge beraten. Da es sich beim Vorschlag um einen delegierten Rechtsakt handelt, würde die identische Gesetzesänderung in allen Mitgliedstaaten in Kraft treten. Bis zur definitiven Entscheidung dürfte es aber noch etwas dauern.
«Die Pläne gehen in die richtige Richtung», sagt Kai Landwehr von myclimate gegenüber watson. Die gemeinnützige Organisation myclimate engagiert sich seit Jahren für den Klimaschutz.
Die Gesetzesänderungen hätten nicht nur einen positiven Einfluss aufs Klima, auch die Konsumenten und einige Modeproduzenten könnten davon profitieren: «Wenn die Pläne umgesetzt werden, schaffen sie einerseits einen Grundstock, um klimafreundlicher zu wirtschaften. Anderseits würden die Labels durch Transparenz und bessere Textilien aufgewertet werden.»
Landwehr erklärt auch, was sich bei den Unternehmen noch ändern würde: «Die einheitlichen Regeln zwingen die Unternehmen, klarer über ihre Lieferketten zu informieren und somit Transparenz zu schaffen.»
Und auch die prekären Arbeitsbedienungen in Asien könnten sich verbessern: «Wenn die Hersteller Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen müssen, werden diese wohl auch besser gestaltet», schätzt Landwehr. Technologie und Daten seien hier die Schlüssel.
Hinzu komme, dass die Verbraucher vermehrt über Chemikalien, Textilien sowie über das Arbeitsklima in Produktionsstätten konfrontiert werden würden. Im besten Falle fallen auch Gütesiegel wie der Grüne Knopf weg, die sich kleinere Brands, die tatsächlich auf Nachhaltigkeit setzen, oftmals nicht leisten können.
Laut der EU-Kommission würde der Verbraucher durch die neuen Regeln von längeren und qualitativ hochwertigen Textilien profitieren, die «erschwinglich» bleiben. Ähnliche Einschätzungen macht auch Landwehr. Er mutmasst, dass es zu moderaten Preiserhöhungen kommen würde. Besonders bei Massenmarktprodukten würden die Kosten überschaubar bleiben.
«Wenn die Pläne nicht verwässert werden, könnte die EU eine Vorreiterrolle einnehmen», so Landwehr. Es könne gut sein, dass auch die Schweiz die Massnahmen übernimmt. Sicher ist: Die Textilproduzenten müssten einheitliche Anpassungen schaffen. Und da viele europäische Brands Filialen in der Schweiz haben, dürfte wohl auch hierzulande ein Wandel stattfinden.
Ich hoffe es bleibt nicht nur bei lehren Worten, sondern wird rigoros umgesetzt.
Die sogenannte "Fast Fashion" kennt nur Verlierer....sowohl die Umwelt wie auch die Ausbeutung.
Ich finde aber auch die grossen Labels, sollten transparent sein müssen und nicht nur die hohen Preise auf ihre Etiketten schreiben können.
Aber ja der Markt...
Es ist einfach nur pervers, dass "Ultra Fast Fashion" überhaupt erlaubt ist und es sollte ein Blacklist von Influencern geben, welche sowas rückgratlos bewerben.