So hat er sich dies wohl nicht vorgestellt, der russische Präsident Wladimir Putin. Als er im Sommer begann, einen Wirtschaftskrieg zu führen und die Gasexporte nach Europa zur Waffe machte, indem er diese Exporte drastisch reduzierte, da hatte er zunächst Erfolg. Doch nun, da der Winter naht, scheint Putins wirtschaftliche Offensive genauso still zu scheitern, wie seine militärische Offensive in der Ukraine. Die Gaspreise sind im Oktober regelrecht eingebrochen. Was hat Putin übersehen?
Im Sommer und noch im September verlief alles nach Putins Plan. Die Gaspreise gingen durch die Decke, selbst die Ölpreis-Schocks der Siebzigerjahre wurden in den Schatten gestellt. Und noch besser für Putin: Die rekordhohen Gaspreise drückten auch die Strompreise in die Höhe. In der Schweiz erhielt die Bevölkerung die Folgen vorgeführt, als Anfang September die Elektrizitätskommission Elcom die neuen Tarife vorstellte. Ein typischer Haushalt zahlt nächstes Jahr 27 Prozent mehr – wenn er Pech hat, auch das Doppelte.
Vielleicht hätte Putin seine Ökonomen an einen seiner berühmten, überlangen Tische bitten sollen. Diese hätten ihm am ehesten sagen können, wie sein Energiekrieg enden könnte, schreibt die «Financial Times». Wenn ein Gut teurer wird, konsumieren es Menschen oder Industrien weniger oder sparsamer. Oder sie weichen auf irgendwelche Ersatzprodukte aus. Die Nachfrage sinkt, im Extremfall wird sie regelrecht zerstört – und die Preise kommen wieder herunter.
So sei in Europa die gasintensive Herstellung von Ammoniak für Düngemittel zeitweise ausgesetzt worden, stattdessen wurde mehr aus den USA importiert. In der Stromproduktion wurde Gas ersetzt durch schmutzige Kohle und saubere erneuerbare Energie. Mit solchen kleinen und grossen Sparmassnahmen und Ausweichmanövern konnte beispielsweise in Deutschland der Gasverbrauch deutlich gesenkt werden.
Es hatte sich abgezeichnet. Schon im August hat die deutsche «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) gefragt: «Kommt die Industrie jetzt doch ohne russisches Gas über den Winter?» Im Artikel kamen deutsche Ökonomen zu Wort, die schon früh die Prognose gewagt hatten, es werde ohne russische Energie zwar hart werden für die Wirtschaft, aber verkraftbar. Sie wurden zwar heftig mit Gegenargumenten beschossen von Wirtschaftsgrössen. Der Chef des Chemie-Konzerns BASF warnte vor «der schwersten Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs».
Doch während die Wirtschaft noch schimpfte und zeterte, wohl auch um die Politik zu Hilfsmassnahmen zu bewegen, da war sie längst zur Tat geschritten. Manche deckten sich mit Ersatzprodukten ein, und sie taten dies klammheimlich, um die Konkurrenz nicht aufzuschrecken. Es wurde gespart, von Gas auf Öl umgestellt und so weiter. Die zuvor vielkritisierten Ökonomen gaben der Industrie dennoch eine kleine Schelte hinterher. Via der FAZ liessen sie ausrichten:
Die Ökonomen und Energieexperten gehen gar jedenfalls kurzfristig noch von weiter sinkenden Gaspreisen aus: «Die Erdgaspreise werden in den kommenden Monaten um 30 Prozent sinken», halten jene von Goldman Sachs fest. Als Gründe für diese Annahmen nennen sie erstens das milde Wetter. Der vergleichsweise warme Oktober hat den Start der Heizsaison merklich nach hinten verschoben – und folglich auch den Gaskonsum gedrosselt.
Zweitens verweist Goldman Sachs auf das hohe Tempo bei der Lieferung von Alternativen, namentlich die Verschiffung von Flüssiggas nach Europa. «Die Speicher in Europa sind jetzt gut gefüllt», sagt auch René Baggenstos, Chef der Energieberatungsfirma Enerprice.
Das milde Wetter und der Aufbau von Alternativen haben dazu beigetragen, die Ängste vor einer Winterkrise zu zerstreuen. «Es ist tatsächlich eine gewisse Entspannung spürbar», sagt auch Thomas Hegglin vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie (VSG). Und das wiederum zeige sich am Preisrückgang am kurzfristigen Spotmarkt. Und dieser dürfte gemäss Goldman Sachs noch nicht vorbei sein: Die Wall-Street-Bank erwartet, dass der europäische Gaspreis im ersten Quartal 2023 von heute rund 120 Euro auf 85 Euro pro Megawattstunde fällt.
Doch auch wenn dieser Winter glimpflich verlaufen sollte: Die Gaspreise dürften danach wieder steigen - spätestens im nächsten Sommer, wenn alle Länder versuchen werden, ihre bis dahin wohl ziemlich leeren Gasspeicher für den Winter 2023/24 zu füllen. Die Goldman-Sachs-Experten rechnen per Ende Juli mit einem Gaspreis von knapp 250 Euro pro Megawattstunden.
Es gibt ein weiteres Indiz, dass das Problem noch bei weitem nicht behoben ist und die Preise wieder steigen werden: Heute sind – und das ist doch ziemlich aussergewöhnlich – die Gaspreise auf dem kurzfristigen Spotmarkt deutlich tiefer als jene auf dem mittelfristigen Terminmarkt, wie Hegglin erklärt.
Oder anders gesagt: Ausnahmsweise ist Gas für kalte Wintertage jetzt billiger als für warme Sommermonate. Denn dann sollen die leeren Speicher wieder gefüllt werden: Und das wird sehr anspruchsvoll, sagt Baggenstos. «Denn im 2023 starten wir nicht erst ab August, sondern von Anfang an ohne den wichtigsten Gaslieferanten», also ohne Russland.
Der kurzfristige Gaspreisrutsch an den Terminmärkten dürfte auch positiv auf die Heizrechnung von gewissen Unternehmen und vielleicht auch Haushalten auswirken, ergänzt Baggenstos. Doch das hänge letztlich von der Beschaffungsstrategie des Lieferanten ab. (aargauerzeitung.ch)
Hoffentlich bleibt er auf seinem Gas und Öl sitzen.
Die Preise fallen aber auch, weil die Ölmultis ob dem vielen Geld das sie die letzten Monate verdienten bald ersticken.