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Der Dollar fällt auf ein Zweijahrestief – was das für Touristen bedeutet

FILE- This Sept. 6, 2017, file photo shows a tip jar with one dollar and five dollar bills and a penny in New York. Macy?s, Target and Dollar General are warning investors their sales will suffer duri ...
Dollar-Noten.Bild: keystone

Der Dollar fällt auf ein Zweijahrestief – was das für Touristen in der Schweiz bedeutet

Amerikanische Touristen spüren den Wertzerfall ihrer Währung. «Der Dollar ist gemessen an der Kaufkraftparität immer noch massiv überbewertet», so ein Ökonom.
13.07.2023, 13:26
Daniel Zulauf / ch media
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Ron und Lucy warten am Flughafen Zürich nach einer kleinen Europatour auf den Rückflug nach Miami. «Im vergangenen Jahr war das Reisen im Ausland lustiger», sagt Ron und spricht vom Wechselkurs.

«Die Schweiz ist teuer, aber der Dollar ist auch schwach», ergänzt Lucy. Tatsächlich hat sich der Dollar in den vergangenen zwölf Monaten um 10 Prozent zum Franken abgewertet. Aber auch Griechenland, wo das Paar den Hauptteil seiner zweiwöchigen Ferien verbrachte, ist für Amerikaner teurer geworden. Zur Gemeinschaftswährung ist die US-Währung fast 10 Prozent leichter geworden.

Touristen spüren Kaufkraftverlust

Die 70 Franken, welche die beiden für die Taxifahrt vom Zentrum der Stadt Zürich bis zum Flughafen bezahlten, war zwar das preisliche Highlight ihres Europatrips. Aber auch in Athen war die gleiche Dienstleistung zum Preis von 40 Dollar gar nicht billig.

Die Amerikaner spüren auf ihren Auslandsreisen den Kaufkraftverlust des Dollar, den sie im Zuge der stark gestiegenen Preise im eigenen Land gerade erleiden. Für den Preis einer einfachen Fahrt im Zürcher Flughafentaxi kann sich ein Schweizer in Miami Hin- und Rückfahrt leisten.

Nach ökonomischer Theorie sollte es zwischen Ländern langfristig keine grösseren realen Preisdifferenzen für identische Leistungen geben. Wenn sich die nominalen Preise nicht über den Handel annähern, müssten sie sich über den Wechselkurs angleichen, heisst es im Lehrbuch. Nach der Theorie muss der Dollar im Vergleich zum Franken aber auch zum Euro noch deutlich billiger werden.

Ron und Lucy realisieren offensichtlich nicht, dass sie eigentlich einen starken Dollar in der Tasche haben. «Der Dollar ist gemessen an der Kaufkraftparität immer noch massiv überbewertet», sagt UBS-Chefökonom Daniel Kalt. Der Gleichgewichtskurs liege bei rund 75 Rappen pro Dollar.

Am Mittwoch ist der Franken/Dollar-Kurs erstmals seit zwei Jahren unter die Marke von 87 Rappen gefallen. Es ist die Korrektur einer Überbewertung, deren Ursprung weniger mit der Situation in Amerika als mit jener in Europa zusammenhängt. Der Krieg in der Ukraine hielt viele US-Unternehmen und andere internationale Grossinvestoren davon ab, mehr Geld als nötig in Europa und im Euro-Raum zu belassen.

Zusätzlich unterstützt wurde die Nachfrage nach dem Dollar durch die entschlossene Zinspolitik der US-Notenbank. Sie hat den Leitzins seit März 2022 von nahe null auf 5.25 Prozent im Mai hochgeschraubt hat. Als Folge stieg der handelsgewichtete Dollar-Kurs im Herbst auf den höchsten Stand seit 38 Jahren.

«Die Märkte sind wachsam und achten pingelig darauf, ob und wann der Zinsanstieg in den USA in eine Rezession umschlagen könnte», sagt Daniel Kalt. Die am Freitag leicht unter den Erwartungen ausgefallenen US-Arbeitsmarktdaten haben in dem elektrisch aufgeladenen Klima den Abwärtsgang des Dollar markant beschleunigt. So könnte es noch eine Weile weitergehen.

US-Leitzins könnte noch mehr steigen

Kalt geht davon aus, dass die US-Notenbank im Juli und im September noch zweimal an der Zinsschraube drehen wird, nachdem es im Juni, vor dem Hintergrund der drohenden Bankenkrise, eine Pause eingelegt hatte. Danach würde der Leitzins in den USA so lange auf dem Niveau von rund 6 Prozent verharren, bis die nachlassende Wirtschaftsaktivität die Preisentwicklung gebremst hat.

Die UBS rechnet binnen zwölf Monaten mit einem Dollarkurs von 85 Rappen. «Aber auf längere Sicht könnte der Greenback auch wieder unter 80 Rappen fallen», glaubt Daniel Kalt. Das historisch tiefste Niveau zum Franken erreichte die US-Währung im August 2011 bei weniger als 73 Rappen. Das war kurz vor dem Höhepunkt der Eurokrise, in der es vor allem das Phänomen einer massiven Aufwertung des Frankens gab.

Die stetige Aufwertung des Frankens gegenüber den meisten ausländischen Währungen ist nicht zuletzt ein Vertrauensbeweis für die Nationalbank. Dem Schweizer Noteninstitut wird zugetraut, dass es die Inflation im eigenen Land besser kontrollieren kann als andere Notenbanken.

Eine im internationalen Vergleich moderatere Entwicklung von Löhnen und Preisen lässt auch zu, dass sich der Franken aufwertet, ohne dass die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft leidet. Dass dies gelingt, ist auch das aktuelle Basisszenario der UBS. Die Bank geht davon aus, dass die SNB im September den Leitzins noch einmal auf 2 Prozent erhöht und das Wirtschaftswachstum im laufenden und im kommenden Jahr auf 0.9 Prozent beziehungsweise auf 1.3 Prozent drosselt. So werde auch die Inflationsdynamik gebrochen, prophezeit die UBS.

«Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem», sagte der frühere US-Finanzminister John Connally in einem Anfall von Überheblichkeit, als die USA 1971 das Weltwährungssystem Bretton Woods platzen liessen und so eine lange Phase hoher Inflation einleiteten. Aber Ron und Lucy erfahren gerade, dass der Dollar auch zu ihrem Problem werden könnte. Oder sagen wir es so: Die beiden haben in ihren Ferien gerade eine Kaufkraftillusion erlebt. Die längerfristige Realität für amerikanische Touristen und Importeure sieht weniger rosig aus. Das ist freilich auch unser Problem – aber nicht nur.

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20 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Wenn nicht Ich wer dann
13.07.2023 14:06registriert Juli 2019
man nimmt einfach kein Taxi von der Stadt an den Flughafen. innerhalb einer Stunde fahren 14 Züge dorthin.
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