Und jetzt also die Mieten: Ab Oktober dürften bei rund einer Million Haushalte die Wohnkosten steigen - dies in der Grössenordnung von 5 Prozent. Das ist eine Folge der Anpassung des Referenzzinssatzes, der am Donnerstag bekannt gegeben worden ist. Und es ist nur die letzte in einer ganzen Reihe von schlechten Nachrichten. Rechnet man die bereits erfolgte Teuerung beim Strom und die angekündigten Erhöhungen der ÖV-Preise, Krankenkassenprämien und nun der Mieten zusammen, bleibt vom durchschnittlichen Ferienbudget einer Familie nicht mehr viel übrig.
Besonders unangenehm: Es sind ausgerechnet jene Posten, die einen Grossteil des Haushaltsbudgets der Normalverdienenden ausmachen. Und es gibt praktisch keine Ausweichmöglichkeiten: Die Preise sind vom Staat oder per Gesetz festgelegt. Es gibt keine günstigeren Anbieter.
Hochgerechnet auf eine Familie mit zwei Kindern bedeutet das pro Jahr zusätzliche Kosten von über 2600 Franken, wie das folgende – fiktive und stark vereinfachte – Beispiel zeigt. Es beruht auf Berechnungen und Prognosen der betroffenen Akteure.
Das Ehepaar Moser lebt mit den beiden Kindern in einer Mietwohnung, verdient pro Jahr gemeinsam rund 90'000 Franken und erhält keine staatlichen Hilfeleistungen. Die Ausgaben für die Krankenkassenprämien sind bereits heuer deutlich gestiegen - um durchschnittlich 6.6 Prozent im Vergleich zum vergangenen Jahr. Gemäss Experten des Bundes dürfte es auch im kommenden Herbst zu einer überdurchschnittlichen Prämienerhöhung kommen. Steigen die Prämien um 7.5 Prozent, bedeutet das für Familie Moser monatliche Zusatzkosten von 75 Franken, im Jahr also 900 Franken.
Für den Strom zahlt ein typischer Haushalt aufgrund der gestiegenen Strompreise in der Grundversorgung heuer zusätzlich 261 Franken pro Jahr. Hinzu kommen die Mobilitätskosten: Familie Moser hat kein Auto und reist mit Bus und Bahn. Aktuell zahlt sie für das Familien-GA über 7000 Franken. Weil auch die Preise für den öffentlichen Verkehr per 10. Dezember 2023 um durchschnittlich 4.3 Prozent steigen, erwarten Familie Moser Mehrkosten von 300 Franken.
Fehlt noch der grösste Posten im Haushaltsbudget: Der Anstieg des Referenzzinssatzes und die Teuerung erlauben dem Vermieter, die Miete von Familie Moser von bisher 2000 Franken um fünf Prozent zu erhöhen. Heisst: 100 Franken mehr im Monat.
Summiert bedeutet das jährliche Mehrkosten von gegen 2700 Franken - und zwar allein in den Bereichen Wohnen, Mobilität und Gesundheit. In Tat und Wahrheit kommen abhängig vom Konsum weitere inflationsbedingte Mehrkosten dazu. Zwar werden diese teilweise durch den Teuerungsausgleich bei den Löhnen aufgefangen. Doch dieser kann in den meisten Bereichen nicht mithalten mit der tatsächlichen Teuerung. Es resultiert ein realer Kaufkraftverlust.
Dabei fällt auf: Seit einigen Jahren steigen nicht nur die Preise für klassische Konsumgüter stark an, sondern auch die sogenannt administrierten oder halb-administrierten Preisen stark. Dabei handelt es sich um jene Preise, die durch die öffentliche Hand bestimmt oder genehmigt werden. Gemäss Landesindex der Konsumentenpreise zählen dazu beispielsweise die Ausgaben für Versicherungen, Energie, öffentlichen Verkehr oder Ausbildungen. Seit Dezember 2020 stiegen die Kosten in diesem Bereich um 3.9 Prozent.
Hier kommt der Preisüberwacher ins Spiel. Stefan Meierhans beobachtet jene Bereiche, in denen der Wettbewerb nicht oder nur ungenügend spielt. Er überprüft Preise, die «von marktmächtigen Unternehmen oder dem Staat festgelegt werden». Auf Anfrage bestätigt er, dass die Preissteigerungen «besonders für Haushalte mit geringeren Einkommen, aber auch für die Mittelschicht schmerzhaft» seien.
Deshalb habe er die Politik und die öffentlichen Betriebe wiederholt aufgefordert, «in der aktuellen Zeit der unerwartet rasch eingesetzten Inflation besondere Zurückhaltung zu üben». So habe er etwa vorgeschlagen, zur Milderung der Preisaufschläge allenfalls früher geäufnete Reserven einzusetzen oder Teile der Angebote, die im öffentlichen Interesse stehen, über Steuern statt über Gebühren zu finanzieren.
Doch seine Empfehlungen habe er auf politischer Ebene nicht immer durchsetzen können. Die Zinsen auf den Stromleitungen seien etwa noch immer zu hoch. Und auch bei den Medikamentenpreisen und den Spitaltarifen bestehe weiter Handlungsbedarf.
Gemäss der Stiftung für Konsumentenschutz wird die Situation für Konsumentinnen und Konsumenten «zunehmend untragbar». Die steigenden Preise würden für viele Haushalte zu einem ernsthaften Problem. Die Stiftung verschickt deshalb seit einigen Monaten einen Newsletter mit konkreten Spartipps. Dort wird etwa empfohlen, auf Ratenzahlungen zu verzichten oder Dinge reparieren zu lassen, statt neu zu kaufen.
Die Ursachen für den Kostenschub ortet der Konsumentenschutz einerseits in der aktuellen Weltlage mit steigenden Zinsen und steigenden Energiepreisen. Andererseits spiele auch die Politik eine Rolle: «Die Krankenkassenprämien steigen unter anderem, weil das Parlament wirksame Kostendämpfungsmassnahmen verhindert.» Und der Anstieg der Ticketpreise im ÖV sei zu einem grossen Teil auf die Reduktion der Beiträge des Bundes an den Regionalverkehr zurückzuführen - also auf die Sparvorgaben von Finanzministerin Karin Keller-Sutter.
Die Stiftung plädiert dafür, die Prämienverbilligung auszubauen, die Rolle des Preisüberwachers zu stärken und die Grundpauschale beim Strom abzuschaffen. Allerdings habe die Politik «bisher nicht die Bereitschaft gezeigt, die Konsumentinnen zu entlasten».
Das wird kaum so bleiben. Denn der grösste Kostenschock wird die Bevölkerung im September erreichen: Dann wird der hohe Anstieg der Krankenkassenprämien fürs nächste Jahr offiziell bekannt gegeben. Und viele Mieterinnen und Mieter müssen ebenfalls dann ihren Dauerauftrag bei der Bank nach oben anpassen, da die angekündigte Mietzinserhöhung vielerorts ab 1. Oktober greift.
Beides fällt fast auf die Woche mit dem Versand der Unterlagen für die Wahlen vom 22. Oktober zusammen. «Das Thema Kaufkraftverlust ist spätestens dieses Jahr ein Trendthema geworden. Für die Mobilisierung der Wählerinnen und Wähler über dieses Thema ist der Herbst der perfekte Moment», sagt Lukas Golder vom Meinungsforschungsinstitut GFS Bern: Die Problematik der Teuerung habe das Zeug dazu, die Leute kurzfristig an die Urne zu bewegen. «Es geht um Entwicklungen, die direkt im Portemonnaie spürbar sind - und zugleich liegen die Wahlprospekte auf dem Küchentisch», sagt Golder.
Doch wer profitiert? Im linken Lager dürfte die Themenkonjunktur der SP in die Hände spielen, die zusammen mit den Gewerkschaften schon länger eine Kampagne zur Kaufkraft fährt, sagt Golder. Dies dürfte auf Kosten der Grünen gehen. Bei den Bürgerlichen sieht er die SVP im Vorteil: Die Sympathisanten der FDP seien eher gut situiert und weniger preissensibel. Personen, die sich selten an Wahlen beteiligen, würden erfahrungsgemäss stärker von der SVP angesprochen, die etwa im Mietbereich mit ihrer Kampagne gegen die Zuwanderung punkten dürfte. (aargauerzeitung.ch)
Lieber soll es Ausländern und Sozialhilfebezüger schlechter gehen als dass man selber mal von der Politik profitiert. Wer so denkt, darf dann wirklich nicht reklamieren wenn ihn die Bürgerliche Sparpolitik mit voller Härte trifft.
Die Sünnelipartei betrachte ich als Hetzer, die ihre Tonart zu sehr an die Reps angeglichen hat. Wir brauchen aber eine ruhigere Art, um kommende Schwierigkeiten bewältigen zu können. Ansonsten kommt es zum Stillstand und der hilft niemandem.