So funktioniert der moderne amerikanische Wahlkampf: Am Dienstag, während der einzigen Fernsehdebatte im Kampf um einen Senatssitz im Bundesstaat Pennsylvania, sagte der Republikaner Mehmet Oz: «Lokale politische Führungsfiguren» hätten seiner Meinung nach ein gewichtiges Wort mitzureden, wenn eine Frau zusammen mit ihrem Arzt einen Schwangerschaftsabbruch ins Auge fasse.
Diese Aussage war für die Demokraten, deren Kandidat John Fetterman aufgrund gesundheitlicher Probleme in der TV-Debatte eine schwache Figur machte, ein gefundenes Fressen. Also kündigten sie umgehend an, dass sie den «extremen» Positionsbezug des Republikaners ins Zentrum eines Wahlwerbespots stellen würden.
Our newest ad after last night’s #PASenateDebate
— John Fetterman (@JohnFetterman) October 26, 2022
Dr. Oz would let "local political leaders" like Doug Mastriano ban abortion without exceptions even in cases of rape, incest, or life of the mother.
Too Extreme for PA pic.twitter.com/q722qHwWsH
Das Geld dafür ist vorhanden. Gegen 22 Millionen Dollar wollen die Demokraten um Fetterman bis zum Wahltag am 8. November in TV-Spots investieren. Die entsprechenden Sendeplätze sind bereits reserviert. Die Republikaner um Oz wiederum verfügen für die kommenden zwölf Tage über ein Budget von rund 20 Millionen Dollar. Ihre TV-Spots karikieren Fetterman als einen Linksextremisten («Radikal, tödlich, falsch»), der ein Herz für Kriminelle und Drogensüchtige habe.
John Fetterman's agenda: Radical, Deadly, Wrong.
— Dr. Mehmet Oz (@DrOz) October 5, 2022
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In den Augen von Schweizer Wählerinnen und Wählern mögen diese Wahlwerbespots überzogen wirken. Aber in den USA funktionieren sie. So gelang es Oz in den vergangenen Wochen, die Zustimmungswerte für seinen demokratischen Gegner Fetterman in den Keller zu drücken. Im Juni noch sagte eine deutliche Mehrheit sämtlicher Wählerinnen und Wähler, sie hätten einen guten Eindruck vom demokratischen Senatskandidaten, der unkonventionelle Auftritte liebt. Im Oktober, nach einer Barrage von negativen TV-Spots, war dieser Bonus verschwunden.
Demokraten wie Republikaner pumpen deshalb Millionen von Dollars in Bundesstaaten, in denen wichtige Entscheidungen über Senatssitze oder Gouverneursposten anstehen. In Georgia allein wollen die beiden Parteien mehr als 250 Millionen Dollar in Werbespots für den Senatswahlkampf investieren. Im politisch umkämpften Südstaat ist die Nachfrage nach Sendeplätzen derart gross, dass lokale TV-Stationen Sondersendungen ins Programm rücken, während denen der demokratische Amtsinhaber Raphael Warnock und sein republikanischer Herausforderer Herschel Walker Werbespots ausstrahlen können.
Bereits ziehen Politbeobachter Vergleiche zu Präsidentschaftswahlen, obwohl am 8. November doch nur sämtliche Sitze im Repräsentantenhaus und 35 der 100 Sitze im Senat zur Wahl stehen. Mit ein Grund dafür ist: Den Demokraten ist es gelungen, eine neue Spendeninfrastruktur aufzubauen. Über die Plattform ActBlue können demokratische Kandidaten im ganzen Land Kleinspenden sammeln. «Das summiert sich», sagt Jessica Taylor, die für den unabhängigen Cook Political Report arbeitet.
Ein Beispiel: In Pennsylvania sammelte der demokratische Senatskandidat John Fetterman bisher 48.5 Millionen Dollar an Spendengeldern ein. Rund die Hälfte dieses Geldes stammte von Unterstützerinnen und Unterstützern, die jeweils 50 Dollar oder weniger spendeten. Eine Analyse der Lokalzeitung «The Philadelphia Inquirer» zeigt zudem auf, dass die Mehrheit der Fetterman-Anhänger nicht in Pennsylvania lebt, im Senatswahlkampf also nicht stimmberechtigt ist.
Die Kassen des Republikaners Oz sind hingegen weit weniger gut gefüllt. Der Multimillionär pumpte bisher 22 Millionen Dollar seines persönlichen Vermögens in den Wahlkampf. Hinzu kamen 13 Millionen Dollar an Spendengeldern. Dank der Unterstützung von externen Wahlkampfvehikeln der Republikaner kann Oz in Pennsylvania mit Fetterman dennoch mithalten. Der einzige Unterschied ist: Fernsehstationen berechnen externen Wahlkampfvehikeln einen deutlich höheren Preis für TV-Spots.
Wahlbeobachterin Jessica Taylor sagt: «Geld ist wichtig, denn ohne Geld kann ein Kandidat nicht wettbewerbsfähig sein», gerade in politisch umkämpfen Bundesstaaten wie Pennsylvania, Georgia, Arizona oder Nevada. Umgekehrt glaubt sie aber nicht, dass sich Wahlen kaufen lassen. Bestes Beispiel dafür: 2020 sammelte eine demokratische Senatskandidatin im bevölkerungsschwachen Staat Maine gegen 75 Millionen Dollar an Spendengeldern ein - mehr als doppelt so viel als ihre republikanische Kontrahentin. Die Demokratin verlor die Wahl, mit 42 Prozent der Stimmen.
Wie wäre es Politwerbung Bundesweit zu verbieten? Dann müssten die Kanditaten mit Leistung brillieren und nicht durch Marketing!
Was für ein krankes System!
P.S.
Hätte überhaupt nichts dagegen, wenn man auch hierzulande die Wahlplakate vor Wahlen verbieten würde! Jetzt pflastert die SVP sogar, selbst für die Wahl eines Gemeinderates einer kleinen Landgemeinde die Strassenränder voll!