Wo sich einst Kleopatra erfrischt haben soll, dürfen bald auch nur noch die Kleopatras der heutigen Zeit – also die Schönen und Reichen – ins Wasser springen. Denn: Die grosse Bucht von Fethiye bei der antiken Stadt Telmessos soll privatisiert werden.
Die geschichtsträchtige Hafenstadt an der türkischen Riviera zeichnet sich nicht nur durch ihre monumentalen Felsgräber aus, die zwischen dem 6. und 4. Jh. v. Chr. erbaut wurden. Sondern auch durch sein türkisblaues Meer, welches Badetouristen, Angler und Taucher aus der ganzen Welt anlockt.
Nicht zuletzt wegen der Ruinen von Kleopatras Bädern, in denen man sich heute noch erfrischen kann, gilt die Riviera als schönste Küstenbucht am gesamten Mittelmeer – vorerst noch.
Denn das Paradies könnte bald ausverkauft sein. Die erst vier Abschnitte der Küstenbucht sind bereits verscherbelt worden, nun sind weitere acht Buchten der türkischen Provinz Muğla zum Kauf ausgeschrieben worden, wie die türkische Zeitung «Haber48» berichtet. Die Privatisierung soll vorerst für 10 Jahre gelten.
Sobald alle Buchten verkauft sind, werde man Betonplatten im Meer verankern, um daran Yachten festmachen zu können. Ankern sei danach nur noch gegen Gebühren möglich. Die Regierung rechtfertigt dies mit: Umweltschutz.
Yachten und Umweltschutz – das passt so gar nicht zusammen. Bezirksgouvernement Süleyman Girgin wendet sich deshalb mit einer Petition zur Annullierung der Ausschreibungen an das Ministerium für Umwelt, Urbanisierung und Klimawandel. Er fordert, dass die Buchten nicht von privater Hand geführt werden sollen, sondern von lokalen Regierungen in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen.
Denn: «In den Buchten gibt es viele archäologische Stätten. Die Buchten sind das Erbe, welches wir unserer künftigen Generation hinterlassen werden. Aus diesem Grund können die Buchten nicht einfach so weggegeben werden», erläutert Girgin. Und weiter: Viele historische Stätten seien noch unerforscht – und könnten durch die Privatisierung zerstört werden: «Die Vergangenheit hat bereits gezeigt, dass die Natur an privatisierten Orten zerstört wurde.»
Mit dem Appell steht Girgin nicht alleine da. Auch die Anwohner gehen auf Barrikaden. «Wir sind gegen den Yachttourismus», sagt der Anwohner Marin Kasap, der sich der Petitionskampagne anschloss. Die Privatisierung werde die Natur sicherlich nicht schützen.
Der Schutz des Meeres ist die oberste Priorität der Petition. Doch es gibt auch Kritik an der Vorgehensweise der Regierung rund um Recep Tayyip Erdogan. Die Pläne seien in einer Art Nacht- und Nebelaktion entschieden worden. Das Volk sei nicht miteinbezogen worden. «Alles, was Geld einbringt, wird in diesem Land verteilt», sagt Yegim Mukan, Präsidentin der Volksversammlung. Sie kritisiert, dass die Vergabe der Buchten keiner Machbarkeitsstudien unterlegen habe – so wie es sich für solche Vergaben gehöre.
Die Region ist in den vergangenen Jahren bereits zum Mekka für Mega-Yachten geworden, die teils ganze Buchten besetzen – und Segler vertreiben. Mit Ankergebühren würden diese wohl ganz verdrängt – genauso wie die einheimischen Fischer und die ungefähr 4000 Tagesboote, die in der Hochsaison die Bucht besuchen. «Unter diesen Bedingungen werden wir keine Chance haben, in den Meeren zu fischen», befürchtet Saban Arikan, Vorsitzender der Schifffahrtskammer.
Mit der Privatisierung wird nicht nur den Wassersportlern ein Stück Freiheit genommen, sondern dem ganzen Volk, das sich wie einst Kleopatra nicht mehr unbeschwert im Wasser erfrischen kann.
Der Anwohner Marin Kasap sagt: «Ich hoffe, dass die Behörden Massnahmen ergreifen können, indem sie die Stimme der Menge hören.» Somit bleibt den Einheimischen nur noch eins: Hoffnung.
Er sichert sich selbst so Machterhalt wie auch Finanzen für seine glücklose Wirtschaftspolitik.