Am 23. Februar 2025 wählen die Deutschen einen neuen Bundestag. Die vorgezogene Neuwahl der Volksvertretung wurde nötig, nachdem die Regierungskoalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP – die sogenannte Ampel – zerbrochen war.
Die Bundestagswahl in Deutschland weist einige Unterschiede zu den Nationalratswahlen in der Schweiz auf. Wer wahlberechtigt ist, was Erst- und Zweitstimme sind, was die sogenannte Sperrklausel regelt – hier erfährst du alles Wissenswerte zum deutschen Wahlsystem.
Der Bundestag mit Sitz im Reichstagsgebäude in Berlin ist das gesetzgebende und damit wichtigste Verfassungsorgan der Bundesrepublik. Es ist zugleich das einzige, das direkt von den Staatsbürgern gewählt wird. Die Volksvertretung besteht aus Abgeordneten, die in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl auf vier Jahre gewählt werden.
Neben der Gesetzgebung, also der Verabschiedung von Gesetzen, die für ganz Deutschland gelten, gehört der Bundeshaushalt, also die Verteilung der Staatsfinanzen, zu den Kernaufgaben des Bundestags. Die Abgeordneten wählen zudem den Regierungschef, der in Deutschland Bundeskanzler genannt wird.
Der aktuelle 20. Bundestag umfasst die Rekordzahl von 736 Abgeordneten – damit ist er weltweit die grösste nationale Parlamentskammer, die frei gewählt wird. Dem neuen 21. Bundestag werden jedoch mehr als 100 Abgeordnete weniger angehören. Diese Reduktion ist die Folge der Wahlrechtsreform von 2023, die die Zahl der Mandate gesetzlich auf 630 beschränkt hat. 299 Abgeordnete ziehen in der Regel als Gewinner in ihrem Wahlkreis in den Bundestag ein, weitere 299 Abgeordnete über Landeslisten der Parteien.
Das Gebiet der Bundesrepublik ist gemäss dem Wahlgesetz in 299 Wahlkreise eingeteilt, wobei die Bevölkerungszahl in diesen Wahlkreisen innerhalb einer bestimmten Bandbreite in Bezug auf den Durchschnitt liegen sollte. Dieser liegt derzeit bei rund 250'000 Einwohnern. Sobald die Abweichung vom Durchschnitt 25 Prozent (ab 2026 nur noch 15 Prozent) übersteigt, müssen die Wahlkreisgrenzen angepasst werden. Die Grenzen der Bundesländer sind dabei einzuhalten, nach Möglichkeit auch jene der Gemeinden, Kreise und kreisfreien Städte. Eine Karte der Wahlkreise für die Wahl zum 21. Bundestag kann hier heruntergeladen werden.
Der Urnengang ist in Deutschland freiwillig; es besteht keine Wahlpflicht. Wer wahlberechtigt ist, wird durch Artikel 38, Absatz 2 des Grundgesetzes und Paragraf 12 des Bundeswahlgesetzes geregelt. Das aktive und passive Wahlrecht besitzen alle deutschen Staatsbürger, die am Wahltag mindestens 18 Jahre alt sind, seit mindestens drei Monaten in Deutschland wohnen und nicht auf richterlichen Beschluss vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Letzteres – für maximal fünf Jahre – geschieht sehr selten, etwa bei Verurteilungen wegen Straftaten wie Landesverrat oder Abgeordnetenbestechung.
Auch deutsche Staatsbürger, die dauerhaft im Ausland leben, dürfen an der Bundestagswahl teilnehmen, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. So müssen sie nach Vollendung ihres 14. Lebensjahres mindestens drei Monate ununterbrochen in der Bundesrepublik gelebt haben und dieser Aufenthalt darf nicht länger als 25 Jahre zurückliegen. Wahlberechtigt sind zudem auch Auslandsdeutsche, wenn sie aus anderen Gründen «persönlich und unmittelbar mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik vertraut und von ihnen betroffen» sind – beispielsweise Grenzpendler.
Wer wählen will, muss überdies in das Wählerverzeichnis eingetragen sein. In aller Regel geschieht das bei Personen, die in Deutschland gemeldet sind, automatisch. Auslandsdeutsche müssen hingegen einen Antrag auf Aufnahme ins Wählerverzeichnis stellen, üblicherweise bei jener deutschen Gemeinde, in der sie zuletzt Wohnsitz hatten.
In der Regel findet die Wahl als Urnenwahl mit amtlichen Stimmzetteln im Wahllokal statt. Welches Lokal zuständig ist, steht auf der Wahlbenachrichtigung, die allen Wahlberechtigten postalisch zugestellt wird und am Wahltag mitgebracht werden sollte. Es besteht aber auch die Möglichkeit, brieflich zu wählen. Dafür wird ein Wahlschein benötigt. Mit der Wahlbenachrichtigung erhalten die Wahlberechtigten auch einen Antrag auf Erteilung eines solchen Wahlscheins mit Unterlagen für die Briefwahl. Der Wahlschein dient neben der Briefwahl auch dazu, vorzeitig in der Gemeindebehörde oder am Wahltag in einem anderen Wahllokal – aber im selben Wahlkreis – die Stimme abzugeben.
Der Wahlschein kann schriftlich oder mündlich bei der Gemeinde beantragt werden. Dies muss rechtzeitig erfolgen, damit die Unterlagen für die Briefwahl früh genug eintreffen und der Wahlbrief danach rechtzeitig abgeschickt werden kann. Er muss spätestens am Wahlsonntag bis 18.00 Uhr bei der zuständigen Stelle vorliegen. Verspätet eingehende Briefwahlstimmen sind ungültig; das Risiko für Verzögerungen liegt beim Wähler. Online kann übrigens bei der Bundestagswahl nicht gewählt werden.
Bei der Bundestagswahl gilt das sogenannte personalisierte Verhältniswahlrecht: Alle Wahlberechtigten verfügen über zwei Stimmen. Die Erststimme, auch Wahlkreisstimme genannt, dient zur Wahl eines Direktkandidaten aus dem eigenen Wahlkreis, während mit der Zweitstimme eine Landesliste einer Partei gewählt wird.
Beide Stimmen sind wichtig – ein Kandidat, der in seinem Wahlkreis die relative Mehrheit der Erststimmen erringt, ist nur dann gewählt, wenn seine Partei zugleich eine ausreichende Anzahl von Zweitstimmen in diesem Bundesland erhält. Wenn dies nicht der Fall ist, wird das Wahlkreismandat nicht vergeben. Diese Regel wird «Zweitstimmendeckung» genannt. Davon ausgenommen sind parteiunabhängige Kandidaten; für diese genügt die relative Mehrheit der Erststimmen zum Einzug in den Bundestag.
Für die Sitzverteilung im Bundestag ist das bundesweite Ergebnis der Zweitstimmen entscheidend. In der sogenannten Oberverteilung wird bestimmt, wie viele Sitze eine Partei gemäss ihrem Zweitstimmenanteil erhält (Parteienproporz). Darauf werden in der Unterverteilung diese Sitze auf die Landeslisten der betreffenden Partei verteilt (föderaler Proporz innerhalb einer Partei), wobei der Anteil der Zweitstimmen für die unterschiedlichen Landeslisten massgeblich ist. Mehr als diese so ermittelte Anzahl Sitze pro Bundesland kann die Partei nicht mit Wahlkreisgewinnern besetzen.
Die Parteien besetzen die ihnen zustehenden Sitze zunächst mit jenen Kandidaten, die in ihrem jeweiligen Wahlkreis die relative Mehrheit der Erststimmen erzielt haben, und zwar in der Rangfolge ihres Erststimmenanteils. Stehen einer Partei gemäss Zweitstimmen-Ergebnis noch weitere Mandate zu, werden diese mit Kandidaten der vorher festgelegten Landesliste besetzt. Wenn umgekehrt der Partei weniger Sitze zustehen, als ihre Kandidaten Wahlkreise gewinnen konnten, wird den Wahlkreisbewerbern mit den schwächsten Erststimmenergebnissen kein Sitz mehr zugeteilt. Dies ist erst seit der Wahlrechtsreform von 2023 so; zuvor wurden in einem solchen Fall sogenannte Überhangmandate geschaffen.
Bei der Verteilung der Sitze im Bundestag anhand des Zweitstimmenanteils (Oberverteilung; siehe oben) werden nur jene Parteien berücksichtigt, die deutschlandweit mindestens fünf Prozent der abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten haben. Diese Sperrklausel wird daher auch «Fünf-Prozent-Hürde» genannt. Sie gilt nicht für Parteien nationaler Minderheiten, beispielsweise den Südschleswigsche Wählerverband, der Partei der dänischen Minderheit. Zweck der Sperrklausel ist, ein zersplittertes Parlament zu verhindern und die Bildung stabiler Mehrheiten zu erleichtern.
Es gibt jedoch eine Einschränkung der Fünf-Prozent-Klausel: Wenn eine Partei bundesweit weniger als fünf Prozent der gültigen Zweitstimmen erhält, jedoch Direktmandate in mindestens drei Wahlkreisen erringt, die vom Zweitstimmenergebnis im entsprechenden Bundesland gedeckt sind, zieht sie trotz der Fünf-Prozent-Hürde mit den ihr gemäss diesem Zweitstimmenergebnis zustehenden Sitzen in den Bundestag ein. Davon profitierte beispielsweise bei der Bundestagswahl 2021 die Partei Die Linke.
Eigentlich wurde diese Ausnahmeregelung mit der Wahlrechtsreform 2023 abgeschafft, doch das Bundesverfassungsgericht beanstandete 2024 die neue Ausgestaltung der Sperrklausel. Sie muss gesetzlich neu geregelt werden. Bis dies geschehen ist, bleibt die Ausnahmeregelung weiterhin in Kraft – auch bei der Bundestagswahl 2025.
Nach dem Bruch der Regierungskoalition wurden faktisch Neuwahlen notwendig. Um dies zu erreichen, stellte Bundeskanzler Olaf Schulz im Bundestag die Vertrauensfrage, die er wie beabsichtigt verlor. Scholz konnte nun Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorschlagen, den Bundestag aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Steinmeier löste den 20. Deutschen Bundestag am 27. Dezember auf und setzte den Wahltermin auf Sonntag, den 23. Februar, fest. Ursprünglich war der 28. September als regulärer Termin vorgesehen.
Nach Auflösung des Bundestags müssen vorgezogene Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen stattfinden. Deshalb können in diesem Fall nicht alle der im Bundeswahlgesetz (BWahlG) vorgesehenen Fristen eingehalten werden. Das BWahlG enthält daher einen Paragrafen, der das Bundesinnenministerium ermächtigt, die gesetzlichen Fristen und Termine durch eine Rechtsverordnung abzukürzen, wenn der Bundestag aufgelöst wurde. Die Zustimmung des Bundesrats, der Länderkammer, ist dafür nicht notwendig.
Ansonsten gibt das Grundgesetz den Zeitrahmen für die Bundestagswahl vor: Sie muss frühestens 46 und spätestens 48 Monate nach dem Beginn der laufenden Legislaturperiode stattfinden. Der Wahltag, den der Bundespräsident festsetzt, muss zudem immer auf einen Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fallen.