Demokratische Länder sind nicht dringend umweltfreundlicher als autokratisch regierte Länder. Das «Pollution Offshoring» – das Auslagern umweltschädlicher Produktion in andere Teile der Welt – spielt laut einer neuen Studie eine zentrale Rolle bei den besseren Klimabilanzen von Demokratien. Das zählt auch für die Schweiz.
«Unsere Ergebnisse stellen die oft propagierte 'moralische Überlegenheit' von Demokratien im Vergleich zu Autokratien in Bezug auf deren Leistungen im Umweltschutz eindeutig infrage», schrieben die die Forscherinnen und Forscher der ETH Zürich und der University of Essex (GB) in ihrer Studie, die am Mittwoch in der Fachzeitschrift «PLOS Climate» publiziert wurde. Die Forschenden analysierten für die Studie Daten zu 160 Ländern seit den 1990er Jahren.
«Das Problem war zwar in groben Zügen bekannt, aber über systematische Muster dahinter wussten wir wenig», sagte der an der Studie beteiligte ETH-Professor Thomas Bernauer zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die neue Studie sei eine der ersten systematische Untersuchungen darüber, in welchem Ausmass das «Pollution Offshoring» mit den inländischen Emissionen zusammenhänge.
Wohlhabende Demokratien neigen demnach deutlich stärker dazu, umweltbelastende Produktionsprozesse ins Ausland zu verlagern als autoritär regierte Staaten. Dadurch sinken zwar die Emissionen im eigenen Land, gleichzeitig steigt aber die Umweltbelastung in anderen Ländern. Vor allem in Ländern mit weniger strengen Umweltstandards.
Das betrifft auch die Schweiz. «Wenn wir die gesamten Umweltfolgen vom Konsum von Menschen in der Schweiz anschauen, dann liegen sie zu zwei Dritteln im Ausland», erklärte Bernauer. So entstünden etwa bei der Herstellung eines Handys oder eines Computers sehr viel Emissionen, die dann den Ländern, in denen die entsprechenden Geräte hergestellt werden, angerechnet würden.
«Länder wie die Schweiz versuchen dabei aber nicht bewusst, ihre umweltschädliche Produktion ins Ausland zu verlagern, um ihre Umweltbilanz heimlich zu verbessern», sagte Bernauer. So veröffentlicht das Bundesamt für Umwelt diese Daten zu den Konsumemissionen auch. Vielmehr sei dieser Prozess historisch gewachsen. «Die ganze globale Umweltpolitik ist um ein Territorialprinzip gestrickt», so der Forscher. Die klimapolitische Diskussion drehe sich in erster Linie darum, wer wie viele Emissionen auf dem eigenen Territorium reduziere.
So geht in vielen wohlhabenden Staaten der Ausstoss an Treibhausgasen zurück. Mindestens ein Teil dieses Erfolgs ist der Studie zufolge aber darauf zurückzuführen, dass ein grösserer Teil der besonders klimaschädlichen Produktion in andere Länder ausgelagert wird. «Das stellt natürlich die Erfolgsbilanzen in Frage», sagte Bernauer. Denn die Atmosphäre ende nicht an der Grenze der Schweiz.
Die Ergebnisse legen laut den Forschenden nahe, dass insbesondere einkommensstarke Demokratien versuchen sollten, ihre Umweltpolitik neu auszurichten und sich auf die globalen Umweltauswirkungen ihrer Wirtschaftstätigkeit zu konzentrieren. (sda)