Trotz der internationalen Sanktionen wegen des Ukrainekriegs setzen westliche Länder weiterhin auf Rohstoffe aus Russland. Machthaber Wladimir Putin erwägt jetzt aber, den Export bestimmter Metalle zu beschränken, falls die USA und Grossbritannien der Ukraine die Genehmigung erteilen sollten, Langstreckenwaffen auch zum Angriff auf russisches Territorium einzusetzen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf den Kreml.
Zu den von einem möglichen Exportverbot betroffenen Rohstoffe zählen Uran, Titan und Nickel. Im Gegensatz zu Erdöl sind diese Rohstoffe trotz der Invasion Russlands in die Ukraine bislang nicht sanktioniert – weil viele Länder im Westen von ihnen abhängig sind.
Dabei ist der staatliche Konzern Rosatom, der für die Förderung des Urans verantwortlich ist, einer der grössten Unterstützer des Kreml und seines Krieges gegen die Ukraine. Allein im Jahr 2022 zahlten Länder der EU für russische Nuklearprodukte und Uran rund 720 Millionen Euro – Geld also, das direkt in Putins Kriegskasse fliesst.
Putin hatte der NATO am Donnerstag auch mit einem militärischen Vergeltungsschlag gedroht, sollte die Ukraine die Freigabe für westliche Langstreckenwaffen bekommen. Diese Drohungen haben sich in den vergangenen zweieinhalb Jahren wiederholt. Auch einen Nuklearkrieg schliesst der Autokrat angeblich nicht aus, sollte ihn der Westen «zur Eskalation nötigen» – so die Lesart im Kreml.
Inzwischen ist das Säbelrasseln aus dem Kreml schon zur Gewohnheit geworden: Die meisten Experten halten die Kriegsdrohungen aus Moskau für ein Mittel der psychologischen Kriegsführung. Damit soll die Bevölkerung im Westen eingeschüchtert und eine Stimmung erzeugt werden, die prorussischen Interessen dient.
Das gilt insbesondere in Deutschland, wo Parteien wie die AfD und das BSW schon lange die Argumentationsmuster aus Moskau übernommen haben. Und weite Teile der Friedensbewegung immer noch empfänglich für die Propaganda aus dem Kreml sind.
Laut David R. Shedd sollen diese «Mind Games», also die «Psychospielchen» des Kreml, zur Verunsicherung in den westlichen Regierungen beitragen, schrieb der ehemalige Direktor der Defense Intelligence Agency, eines US-Militärgeheimdienstes, in einem Beitrag für das Fachmagazin «Foreign Policy». Und mehr noch: Sie sollen sie davon abhalten, ihre militärische Unterstützung für die Ukraine auszuweiten und neue Waffentypen zu liefern.
Am späten Donnerstagabend liess sich der britische Premier Keir Starmer dann tatsächlich mit der Ankündigung zitieren, dass sein Land nicht an einer Eskalation mit Russland interessiert sei.
«Die Ukraine hat ein Recht auf Selbstverteidigung», dieses Recht unterstütze Grossbritannien voll und ganz und biete in diesem Kontext Ausbildungsmöglichkeiten an, so Starmer. «Aber wir suchen keinen Konflikt mit Russland, das ist nicht im Geringsten unsere Absicht», betonte der britische Premier, der sich derzeit zu Gesprächen in Washington aufhält.
«Putin weiss, dass er durch nichts besser die Knöpfe des Westens drücken kann, als durch Nukleardrohungen», analysierte Geheimdienstexperte Shedd.
Live from Dunkirk, France ☢️
— Pauline Boyer (@Pauline_Boyer_) March 20, 2023
Another enriched uranium delivery this morning, unloaded from the russian cargo Baltiyskiy 202.
France is carrying on its business with Rosatom to feed french and european power plants while Rosatom should be included in the european sanctions ! pic.twitter.com/ioUu4Bk19s
Wahrscheinlicher als eine Ausweitung des Krieges auf die NATO-Staaten, den sich Putin laut Experten derzeit gar nicht leisten könnte, sind hingegen andere Massnahmen. Laut Regierungssprecher Dmitri Peskow könnte Russland reagieren, indem es bestimmte Exportbeschränkungen für wichtige Metalle und strahlendes Material einführt.
Russland ist ein wichtiger Anbieter von Uran, Titan und Nickel weltweit. Unter anderem sind die Niederlande ein grosser Abnehmer dieser Rohstoffe, die besonders in der Metallverarbeitung und Werkstoffherstellung eine wichtige Rolle spielen. Aber auch andere europäische Staaten importieren wichtige russische Güter – wie Uran-Pellets und Brennstäbe. Diese sind etwa für die Betreiber europäischer Kernkraftwerke essenziell.
Insofern wäre ein Exportbann für diese Produkte der wesentlich bessere Hebel für Putin, den Westen gefügig zu machen. Es wäre ein Nuklearkrieg der besonderen Art, einer, der nicht auf dem Schlachtfeld, sondern auf dem Boden der Wirtschaft geführt würde.
Nach Bekanntwerden der Ankündigung aus Moskau schossen die Kurse für Uranaktien an den Börsen nach oben. Der Grund: Bei einer Verknappung des Materials könnten in der Folge die Preise für den Rohstoff steigen, wovon die Unternehmen wiederum profitieren könnten.
Ob Russland allerdings wirklich ein Exportverbot oder -einschränkungen erlassen wird, ist fraglich. Denn aus Moskau heisst es, man wolle nichts tun, was Russland Schaden zufügen könnte. Mit einem solchen Bann würde auch Putin Millionen verlieren.
Exportbeschränkungen müssten ja nicht gleich «morgen» verhängt werden, sagte Putin in einem Fernsehinterview. Es könnte sich also auch dabei um eine Form der psychologischen Manipulation des Westens und letztlich um eine leere Drohung handeln.
US-Aussenminister Antony Blinken sagte zu einer möglichen Langstreckenwaffen-Erlaubnis für die Ukraine, die USA seien bereit, ihre militärische Unterstützung anzupassen, wenn nötig. Präsident Joe Biden steht unter Druck, die Beschränkungen für ukrainische Angriffe auf russisches Territorium zu lockern.
Hochrangige Militärplaner und ehemalige Diplomaten haben ihn aufgefordert, der Ukraine mehr Spielraum bei ihren Verteidigungsbemühungen gegen den russischen Aggressor zu lassen.
Auch aus Grossbritannien kamen in den vergangenen Tagen Signale, dem von Russland völkerrechtswidrig angegriffenen Land die Erlaubnis für einen Einsatz der Storm-Shadow-Marschflugkörper auf russischem Gebiet zu erteilen. Diese haben eine Reichweite von rund 250 Kilometern. Noch wichtiger sind für die Ukraine allerdings die amerikanischen ATACMS-Raketen. Diese haben eine noch grössere Reichweite und erlaubten dem ukrainischen Militär Schläge weit im russischen Hinterland.