
Sag das doch deinen Freunden!
Der Artikel 19 Beispiele dafür, dass unser Frauenbild viel gesitteter ist als das des «schwarzen Mannes»* hat einen Schwall an vorrangig erbosten Kommentaren ausgelöst. Sie kamen von Männern, die sich am Vergleich von sexistischen Werbeplakaten mit den sexuellen Übergriffen auf Frauen in Köln aufgeregt haben. Obwohl da überhaupt kein expliziter Vergleich stattgefunden hat.
Niemand verharmlost hier Köln. Es war vielmehr der Versuch, die Frauen in der Köln-Diskussion wieder in den Fokus zu rücken. Denn um sie geht es in erster Linie. Es geht um sexuelle Gewalt an Frauen. Um ihre Ohnmacht. Um Sex. Um ihre Sexualisierung. Und damit auch immer um das Bild, das von ihr vermittelt wird. Um ihre Rolle in der Gesellschaft, wie man so schön sagt.
Köln ist die Startnummer, die wir der Frauensache traurigerweise auf den Rücken kleben müssen, damit sie in der Medienarena vielleicht eine Chance hat, gesehen zu werden.
Dreht sich ein Artikel über (sexuelle) Gewalt an Frauen, kommt sofort der Aufschrei: «Und was ist mit den Männern!?!» Nein, nicht alle von euch sind gewalttätige Verbrecher. Das sagt doch niemand. Und ja. Auch den Männern widerfährt Gewalt.
Dennoch wollen wir jetzt einfach mal über Frauen reden. Seltsam, dass ich das mache, wo ich doch während meiner Studienzeit keine grosse Feministin war. Ich hab mir keine politischen Gedanken über mein Geschlecht gemacht, ich war immer in der luxuriösen Position, einfach frei zu sein. Mit sechzehn bin ich auf Motorräder von fremden Männern gestiegen und durch fremde Länder gebraust. (Na gut. Eigentlich war es nur ein Mann und ein Motorrad. In Italien.) Es ist nichts passiert. Wahrscheinlich hatte ich Glück. Denn ein Gespür für Gefahren hatte ich nicht. Oder vielleicht war es mir auch einfach egal. Ich wollte Erfahrungen machen wie ein Mann.
Gender-Studentinnen habe ich immer belächelt. Was soll denn das? Studiert doch einfach Geschichte, ihr Idiotinnen, hab ich gedacht, was wollt ihr denn von dieser rein geschlechtlichen Perspektive auf die Welt bitte lernen?
Jetzt weiss ich – nach der Lektüre von Simone de Beauvoirs «Das andere Geschlecht» haha –, dass ich irgendwie recht hatte damit. Aber aus einem anderen Grund: Die Geschichte der Menschheit wurde von Männern geschrieben. Das soll kein Vorwurf an die Männer sein, es geht hier nicht um blöde Schuldzuweisungen. Natürlich gab es ein paar historisch relevante Frauen. Königinnen wie Katharina die Grosse, Victoria, Elisabeth oder Maria Stuart. Doch sie waren Herrschergestalten. Ihr Geschlecht spielte keine Rolle.
Am Anfang der Menschheitsgeschichte steht der Mann vor einem grossen Rätsel: Frauen. Sie gebären. Sie erschaffen Leben. Sie sind auf magische Weise mit der Natur verbunden. Unheimlich und gleichzeitig verehrungswürdig. Langsam fängt der Mann an, die Welt zu erobern. Erst mit kleinen Werkzeugen. Dann mit dem Pflug. Er befruchtet die Ackerfurchen, die Mutter Erde, die Frau. Er erfindet und entdeckt. Er wird Mensch, Homme, Mann.
Während der Mann also aktiv seine Schöpferkraft (oder ja, symbolisch natürlich seinen Phallus) erkennt, bleibt die Frau durch die Geburt an ihren Körper gebunden. Sie verharrt passiv in der Natur, während der Mann diese mit seinem Geist unterjocht.
Dieses aristotelische und später christliche Bild der unfertigen, mangelhaften, passiven und empfangenden Frau hat sich lange gehalten. Sogar die Wissenschaft ging diesem schwer zu entzaubernden Mythos auf den Leim. 1694 zeichnete der Holländer Hartsoeker den Homunculus: Das kleine, bereits vollständige Menschlein im Spermium.
Die Aufgabe des Uterus beschränkt sich darauf, den Homunculus zu nähren. Und selbst als mit der Erfindung des Mikroskopes tierische Eier untersucht werden konnten, hielt man bis ins 19. Jahrhundert daran fest, deren Trägheit im Gegensatz zur Beweglichkeit der Spermien zu beweisen.
Die Sache der Frau habe im Gegensatz zu Revolutionen immer nur symbolischen Charakter gehabt, schreibt Simone de Beauvoir:
Ja, Simone de Beauvoir ist alt und tot. Sie hat ihr Buch 1949 geschrieben. Damals hat Werbung noch so ausgesehen:
Die Zeiten haben sich geändert. Und wenn watson-User ULTIMALATET von einem «Rosinenpicker-Feminismus» spricht, dann meint er hoffentlich diesen überkorrekten, floskelhaften Kampf um Gleichberechtigung. Den Aufschrei, wenn man mal nur von Studenten statt von Studentinnen spricht. Frauen, die im Namen des Feminismus auf einen abgewetzten Teppich menstruieren. Ich will auch nicht in einer Welt leben, in der man keine dummen Frauenwitze wie der Nobelpreisträger Tim Hunt mehr machen kann, ohne dabei um seine Ämter gebracht zu werden. Aber ich will auch keine Welt, in der man sich dafür rechtfertigen muss, dass man sexuelle Gewalt an Frauen diskutiert, ohne ständig die Männerbelange miteinzubeziehen.
Denn solange solche Aussagen gemacht werden, solange ist auch Simone de Beauvoir nicht tot:
Nur mal angenommen, Smart as Hell hat recht, befinden wir uns tatsächlich noch immer im Zustand der Hörigkeit – und ohne den Mann läuft gar nichts.