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Wenn die Arbeit zum Dating wird: Ghosting, Quiet Quitting und co.

Wenn du nach deiner Bewerbung geghostet wurdest (Symbolbild).
Wenn du nach deiner Bewerbung geghostet wurdest (Symbolbild).Bild: Shutterstock

Wenn die Arbeit zum Dating wird: Ghosting, Quiet Quitting und co.

16.01.2023, 08:11
Julia Dombrowsky / watson.de
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«Der Müller ghostet mich»: Sagt man zwar selten am Arbeitsplatz, aber so ganz falsch wäre das oft nicht. Denn manchmal hat man es auch in der Jobwelt mit Verhaltensweisen zu tun, die man sonst nur aus dem Dating kennt. Wo Menschen unter Erwartungshaltungen zusammenkommen, entwickeln sich nun mal gewisse soziale Phänomene.

Ob es das unangenehme «Blind-Date-Gefühl» nach einem Bewerbungsgespräch ist («Mögen die mich?», «Ob die wohl jemand anderen besser finden?», «Ich hätte nicht 'vom Ex' erzählen sollen....!») oder eine befreiende Trennung aufgrund mangelnder Wertschätzung – ein Arbeitsverhältnis kann emotional betrachtet durchaus Ähnlichkeiten zu einer Liebesbeziehung haben.

Das zeigen Daten des Online-Portals «Glassdoor», auf dem Unternehmen von Mitarbeitern bewertet werden können. Die Verhaltensweisen, die dort offengelegt werden, kommen einem seltsam bekannt vor – nämlich aus dem Datingleben ...

Ghosting

Der Begriff des «Ghostings» ist inzwischen weit verbreitet. Ob sich das Date schlagartig nicht mehr meldet oder nicht zu einem Treffen erscheint – das Verlassen ohne Erklärung ist eines der ärgerlichsten Phänomene des modernen Datings. Im Extremfall blockiert die Gegenseite alle Kommunikationswege, von der Telefonnummer bis hin zu Social-Media-Accounts. Das Resultat: Frustration und verlorene Zeit.

Ähnliches lässt sich zuweilen auch in der Arbeitswelt finden: Bewerberinnen werden zum Vorstellungsgespräch eingeladen, gehen eigentlich mit einem positiven Gefühl aus dem Gespräch, doch erhalten nie eine Antwort von den potenziellen Arbeitgebern. Auch auf Nachfragen bleibt jede Reaktion aus.

Offenbar scheint dieses Phänomen immer häufiger vorzukommen. Seit der Pandemie wurde «Ghosting» in dreimal so vielen Bewertungen des Bewerbungsprozesses erwähnt, wie noch davor. Das Phänomen gibt es natürlich auch umgekehrt – wenn ehemalige Jobinteressenten plötzlich nicht mehr erreichbar sind.

Quiet Quitting

Wer aufhört, sich um seinen Partner zu bemühen, weniger Zeit für Dates investiert und kleine Geschenke oder Komplimente einstellt, hat sich innerlich von der Beziehung verabschiedet. Das wird auch «Quiet Quitting» genannt.

Eine Frau im Büro, die Füsse auf dem Tisch, faul
Ein «quiet quitter» macht nur noch das Nötigste und das auch nur widerwillig.Bild: Shutterstock

Jeder kennt wohl unter den Kollegen einen oder eine, die es auch auf dem Arbeitsplatz ganz ähnlich hält: Gearbeitet wird nur noch das nötigste, zusätzliche Verantwortung oder auch Überstunden werden abgelehnt, auch gemeinsame Aktivitäten nach der Arbeitszeit gemieden. Laut «Glassdoor» ist dieses Phänomen seit der Pandemie deutlicher zutage getreten, viele Arbeitnehmer hätten sich innerlich vom zusätzlichen Engagement auf der Arbeit verabschiedet und stattdessen «eine gesunde Work-Life-Balance zur Priorität gemacht», so das Unternehmen.

Cuffing

Für Singles sind die Wintermonate eine besondere Herausforderung. Während der Sommer viele Gelegenheiten bietet, jemanden kennenzulernen, verbringen wir im Winter mehr Zeit zu Hause. Von November bis März geht es um Beständigkeit – rechtzeitig vor dieser Saison wird beim «Cuffing» eine feste Partnerschaft angestrebt, um die dunkle Jahreszeit in kuscheliger Zweisamkeit verbringen zu können.

Auch auf dem Arbeitsmarkt ist ein ähnlicher Trend zu erkennen, stellte das Job-Portal fest. Während im Herbst viele auf Jobsuche sind, um rechtzeitig vor den kalten und dunklen Monaten einen sicheren Job zu ergattern, ist in den Wintermonaten dazu wenig Aktivität zu erkennen. Insbesondere in der aktuellen Lage mit steigenden Lebenshaltungskosten wollten sich viele Deutsche noch vor den Wintermonaten offenbar ein geregeltes Einkommen sichern.

Cushioning

Mehrere Eisen im Feuer zu haben, um im Notfall nicht ohne Partner dazustehen, wird beim Dating als «Cushioning» bezeichnet. Dahinter steckt oft auch Unsicherheit. Wenig überraschend ist dieses Verhalten auch in der Arbeitswelt verbreitet.

Gerade jetzt, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten setzen sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeberinnen offenbar auf einen Plan B oder C, wie Karriereexperten beobachten. Demnach sollen nicht nur Unternehmen permanent nach neuen Talenten Ausschau halten, auch viele Menschen in Anstellungen, schauen nebenbei schon nach einem neuen Job und senden Bewerbungen raus, das zeigen Umfragen vom Juli 2022. Diese Form der heimlichen Absicherung wird passenderweise als «Career Cushioning» bezeichnet.

Toxizität

Eine toxische Beziehung sollte man so schnell wie möglich verlassen, doch oft fällt das den Beteiligten schwerer als gedacht. Auf emotionale Höhenflüge folgen Vorwürfe und Tiefschläge, die Verunsicherung nimmt zu, das Selbstwertgefühl ab.

Eine Frau tanzt in ihrer Wohnung, sie ist froh und glücklich
Egal ob Chefin oder Partner: Aus einer toxischen Beziehung herauszukommen, ist befreiend.Bild: Shutterstock

Auch am Arbeitsplatz gibt es dieses Phänomen: Das können starre Hierarchien sein, mobbende Kollegen oder eine ungesunde, vorwurfsvolle Arbeitsmoral. Der Arbeitnehmer fühlt sich nicht mehr genügend wertgeschätzt, ausgebeutet und missbraucht. Mangelnde Empathie, Inklusion und Diversität spielen auch oft eine Rolle. Irgendwann rächt sich das: Eine Analyse von Millionen von Mitarbeiterinnen-Bewertungen auf «Glassdoor» ergab, dass eine toxische Arbeitsplatzkultur der Hauptgrund war, warum Menschen ihren Arbeitsplatz verliessen. (cpf)

Auch bei watson ist man toxic:

Video: watson/lya saxer, nico bernasconi, nico franzoni
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Streiche für mehr Spass im Büro – zumindest für Unbeteiligte
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Streiche für mehr Spass im Büro – zumindest für Unbeteiligte
Nicht aufregen, es wird schon Gras über die Sache wachsen.
quelle: pinterest
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Schlechtes «Workplace Environment» – der Chef beseitigt Unordnung im Büro
Video: watson
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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Junge mit Früchtekorb
16.01.2023 09:17registriert Oktober 2014
Man müsste nicht nur Begriffe für Arbeitnehmer erfinden, sondern auch für Arbeitgeber: Loud überfodering, sneaky ausbeuting, always availabiliting, verwisching of privacy and jobbing, peanut paying und so weiter.
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MaskedGaijin
16.01.2023 09:02registriert Oktober 2014
"...auch gemeinsame Aktivitäten nach der Arbeitszeit gemieden..." Mache ich schon mein Leben lang.
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Beardman
16.01.2023 09:06registriert Januar 2018
Ghosting ist einfach nur unterste Schublade. Einfach nur feige. Spiegelt sehr gut einen Teil der heutigen Gesellschaft wider. Es soll bloss alles easy sein und bitte keine unangenehmen Gespräche. Wie es dem Gegenüber bei sowas geht wird einfach ausgeblendet.
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