Lasst uns doch Platz nehmen, geschätzte Damen und werte Herren, schlagt die Beine übereinander und lauschet nach einer Einleitung mit einem unverständlichen Hannah-Arendt-Zitat der Diskussion, wie sinnfrei eine Sendung wie «Der Bachelor» in Zeiten von Pandemie und Klimaerwä ...
Holt den Schnaps.
Bringt das Popcorn.
Es wird grauslig.
Gleich während der ersten drei Minuten sieht man in der neunten Staffel von «Der Bachelor» mehr Ärsche als am Parteitag der Republikaner. Und damit heissen wir euch herzlich Willkommen zur trump-, covid-, sinn- und sorgenfreien Zone, die wir alle so dringend benötigen.
Der Mann, der die nächsten paar Montage Rosen verteilt, heisst Alan Wey und ist äusserlich eine Mischung aus Cristiano Ronaldo und Pauly D.
Wenn er spricht, tönt er hingegen nach DJ Bobo. Das ist ein Kompliment. Bobo hat eine angenehme Stimme. Wenn er nicht singt.
Alan ist halb Brasilianer, halb Schweizer. Deshalb ist er «das gesamte Paket»: Er hat die Leidenschaft, das Feuer und ein GA!
Das mit dem GA haben wir natürlich erfunden – die Leidenschaft nicht. Ein Vergleich: Alans Vorgänger Patric lobte gerne relativierend: «Da häsch du mich doch no rächt beidruckt». Alan hingegen entfährt gerne ein ebenso leidenschaftliches wie differenziertes: «Geil. Geil. Geil.» Gefühlt etwa fünfmal. Vor allem, als die «Ladies» aus den Limousinen steigen.
Was für einen Eindruck hinterlassen diese «Ladies» denn?
In der Gruppe keinen guten.
Barney Stinson aus «How I Met Your Mother» hat in diesem Zusammenhang den Cheerleader-Effekt formuliert: Die Theorie besagt, dass eine einzelne Person in einer Gruppe von Menschen attraktiver wirkt, als für sich allein betrachtet.
Die erste Folge dieser neunten Staffel widerlegt diese Theorie vehement. Die Kandidatinnen wirken in der Gruppe wie die WAGs* der Möchtegernentführer von Michigan.
*WAG = «Wifes and Girfriends» - «Frauen und Freundinnen».
Der Vergleich ist natürlich bitter und nur im Rahmen einer überzeichneten Kritik legitim. Und er trifft nur auf das Gruppenbild zu.
Individuell präsentieren sich die Frauen in einem komplett anderen Licht. Jede kolportiert «Leidenschaft», «Authentizität», «Klasse» und «Stil», jede sieht sich als «Gesamtpaket». Offensichtlich sind das die Attribute, um diese Staffel zu «rocken». «Ich bin die Queen, Bitches!», gefolgt von verlegenem Gekicher. Ein Hoch auf die Produzenten, welche mit geschicktem Schnitt die Frauen und auch den Kandidaten immer wieder entlarven.
Wie immer fallen ein paar Kandidatinnen besonders auf: Influencerin Francesca, die sich aufgrund ihres Berufes auf besonders viele Hasskommentare vorbereiten muss, wirkt deutlich kamera- und textsicherer als der Durchschnitt. Sie darf nicht nur den ersten Kuss für sich beanspruchen, sondern auch den besten Spruch. Als Tattoo-Model Angie erklärt, sie wolle den Bachelor «nicht teilen», übertrumpft sie Francesca mit: «Ich teil en au nöd. Ich teile nödemal Chicken Nuggets.» Ein unverhoffter Lacher in einer sonst sehr humorlosen Sendung. Es sei denn, man feiert Fremdscham als Comedy.
Der Kuss mit Francesca steht später sinnbildlich für Alans Leidenschaft. Da wird gesaugt wie ein Dyson. Ob sich Alan auch zur Reinigung von höher gelegenen Stellen eignet? Und was ist mit Katzenhaaren?
Francesca gehört sicher in den Kreis der Favoritinnen. Die Selbständige ist vermutlich nicht ohne Selbstvermarktungs-Gedanken nach Portugal gereist. Mal gucken, wie viele Instagram-Follower sie im Verlaufe der Sendung gewinnt. Im Moment steht der Zeiger bei 14'300.
Auch die selbständige Stripperin Eva, die mit IQ 130 als Kind in einer Sonderbegabtenschule war, dürfte neben Alan den einen oder anderen Auftrag im Sinn haben. Gelingt es ihr, den Selbstvermarktungs-Mantel abzustreifen, wird auch sie eine Bereicherung der Sendung. Wenn sie im Trash-Talk der Giftspritzen nicht unter geht.
Das Kontrastprogram zu Eva bildet Tänzerin Nara. «Ungefiltert» ist in ihrem Zusammenhang wohl der korrekte Begriff. Aber wie beim Tee steht «ungefiltert» auch bei der Kommunikation meist für «ungeniessbar». Nara muss sich hüten, sich nicht im Trashtalk zu verlieren.
Ebenfalls überdurchschnittliche Präsenz hat Tattoo-Model Angie. Sie umgibt eine «Beschwipst–als–letzte–an–der–Bar»–Aura. Sehr sympa. Mit 28 Jahren gehört sie zu den reiferen – und damit zu den zynischeren. Sie spielt die Spielchen zwar mit, lässt aber auch ihr Amusement durchblicken. Wenn eine meta ist, dann sie. Und sie könnte sich als interessante Agitatorin herausstellen.
Das Feld der Favoritinnen bleibt damit übersichtlich. Die blauhaarige Xenia gehört wohl zum erweiterten Kreis.
Die grösste Hürde dieser ersten Staffel hat Alan bereits mit Bravour gemeistert: Er hat bei jeder der Kandidatinnen etwas Gutes gefunden. Auch wenn es nur der Name war. Und dann kriegt eine noch keine Rose. Sie heisst Isabel. Sie kann sich glücklich schätzen, bereits gehen zu dürfen. Das wars. Und draussen vor unserem Büro fährt der Güterzug durch. Auch er bringt Material von A nach B.
Holy moly hab ich hier gelacht 😂
Vielen Dank an den Autor für die geopferten Stunden und Hirnzellen.