Wie lange Sandro und ich so richtig zusammen sind, wissen wir nicht. More or less zwei Jahre könnte es sein. Vielleicht auch drei. Vielleicht aber auch bald 18 Jahre. Eine Volljährigkeit. Crazy!
Jedenfalls sind wir halt einfach ein Paar. So wie es Abermillionen auf der Welt gibt. Ich frage mich bei all diesen Abermillionen, wie sie es schaffen, über Jahre glücklich zu sein. Ein gutes Vorbild sind meine Eltern. Ohne Scheiss, die sind immer noch verknallt ineinander. Läuft sie an ihm vorbei, fasst er sie an. Läuft er an ihr vorbei, fasst sie ihn an. Sitzen sie nebeneinander, halten sie Händchen.
Logisch stelle ich sie mir jetzt beim Sex vor und hier wirds schwierig und drum müssen wir jetzt aufhören über meine Eltern zu reden.
Also zurück zu meiner Beziehung. Die ist zurzeit, sagen wir mal, nicht so gut. Nein, anders: Sie ist mühsam. Raubt mir jegliche Energie. Macht zero Spass. Warum, weiss ich nicht. Was ich weiss: Sandro und ich streiten aktuell wegen jedem Hahnenschiss. Kommt er zu mir, liegen seine Chucks überall. Nur nicht nebeneinander vor meiner Wohnungstüre.
Bin ich bei ihm und vor ihm da, lasse ich garantiert den Schlüssel stecken und höre das Klingeln nicht.
Wir sind also schon vor dem Sali-Kuss hässig. So gehts dann weiter. Er will Kebap, ich Sushi. Er will Serien bingen, ich will spazieren. So gehts pausenlos weiter, bis wir irgendwann so voneinander genervt sind, dass wir uns passiv-aggressiv anschweigen.
Es kam sogar schon vor, dass ich vor ihm ins Bett bin, Ohne Tschüss zu sagen. Oder noch besser/schlimmer: Neulich ging er nach Hause. «Ems, so hab ich keine Lust hier zu pennen.»
Ehrlich, das war vernünftig und richtig und nachvollziehbar, ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich ganz Zürich hätte abfackeln können.
Tagsüber herrscht übrigens auch ziemliche Funkstille. Unser Whatsapp-Chat steht still. Ausser, es geht um was Organisatorisches. «Du, meine Eltern fragen, ob wir am Sonntag zum Brunch kommen…» oder «Ist mein dunkelblaues Shirt bei dir?».
Ich frage mich, was die aktuelle Situation mit mir macht. Angst ist ein Thema. Wird er mich gleich verlassen? Das wäre sehr traurig. Vielleicht wäre es aber auch eine Chance? Wobei, come on, wir wären innert Sekunden back in Bed. Oder nicht? Krass.
Ich bin auch etwas verzweifelt. Wie sind wir dahin gekommen und wie kommen wir raus?
Wann hatten wir zuletzt Sex und warum haben wir nicht mal Versöhnungssex?
Wie viel trage ich zur aktuellen Situation bei? Wie viel er? Warum lassen wir schlechte Launen am anderen aus? Sollte ich ins Boxen? Sollte er ins Boxen? Oder sollten wir einfach mal wieder richtig vögeln?
Ist das jetzt eine sogenannte Beziehungskrise und wenn ja, wie findet man da raus?
Ich rufe Bruno, meinen Vater, an. Er lächelt stoisch und fragt mich, ob ich denn denke, dass so eine Langzeitbezihung ein Ritt auf dem Einhorn ist? Ja, sage ich. Wäre doch praktisch. Wieso brauchts für die Liebe mehr als Liebe?
Bruno sagt, die Liebe ist ein Knochenjob. Das sei sie immer wieder und dann immer wieder auch nicht. Es lohne sich, den Weg zu gehen, in den Ring zu steigen, für das Wir zu kämpfen und vor allem zu reden. Mit sich selber, mit dem anderen und mit anderen.
Bruno ist sich sehr sicher, dass Sandro und ich DAS TEAM sind. Und dass das wieder kommt.
Wie, will ich wissen.
Bruno rät, Druck rauszunehmen. Sich ein paar Tage Zeit für sich und die eigenen Gefühle und Bedürfnisse nehmen. Dann treffen und schwatzen. Kompromisse finden. Einander zuhören und ausreden lassen.
In Sachen Sex, sagt Bruno, ist es wichtig, Nähe zuzulassen. Auch wenn man sich grad gar nicht so nahe ist. Guter Sex kann vieles lösen, findet er. «Und euer Sex ist doch gut, gell, Schatz?», fragt Bruno.
Ich nicke etwas peinlich berührt. Mit Eltern über Sex reden, nicht meines. Bruno findet das etwas prüde. Soll er.
Ein paar Stunden nach unserem Gespräch treffe ich Sandro. Ich nehme mir enorm vor, cool zu sein. Und sexy. Fahre im kurzen Sommekleid ohne BH und ohne Unterhosen bei ihm ein. Nach dem Hoi-Küssli setz ich mich auf ihn. Und streife mir das Kleid von der Schulter.
Sandro ist on fire. Ich bin on fire.
Bevor wir es da jetzt so richtig super treiben, muss ich allerleidestens an meinen Vater denken. Und dass ich more or less nun wegen ihm gerade auf der Ziellinie zum Sex bin. Ein Abturner sondergleichen. Ich muss abbrechen.
Sandro verdreht die Augen. Ich verdreh die Augen, zurück auf Feld 1.
Habe ich jetzt also nicht nur eine Beziehungskrise, sondern auch noch einen Vaterkomplex? Oder bin ich doch, entgegen meines Eigenbildes, total prüde?
Ich bin sicher, dass ihr es mir in der Kommentarspalte erklären werdet. Haha.
PS: in einer Beziehungskrise Sex anteasern und dann wieder abbrechen, weil du an den Papi denkst ist harter Tobak.