Man sagt ja, dass Männer quasi ihre Mütter und Frauen ihre Väter heiraten. Würde ich Sandro heiraten, wäre an dieser Floskel ganz definitiv was dran. Und das nicht nur, weil ich sowohl Sandro als auch meinen Papa Bruno von Herzen liebe.
Die zwei haben vieles gemeinsam. Sie trinken mit Leidenschaft über den Durst. Sie feiern jede Party, als wäre es ihre letzte. Sie reissen politisch semi-korrekte Sprüche. Ihr Lieblingskleidungsstück ist die Spendierhose, ihre Lieblingspflanze das Gras. Das Leben sehen sie als eine einzige Chilbi.
Okay. Bruno kifft nicht mehr. Wenn er aber über die Zeit spricht, in der er gekifft hat, wirkt er chillig stoned. Und happy. Die 70er, sagt er, seien das Geilste gewesen. Freie Liebe, nackte Körper, ewig lange Sommer, Woodstock-Feeling überall.
Bevor er meine Mutter traf, war er sich sicher, dass er weiss, was Liebe ist. Er sei ständig verliebt gewesen. Gelegenheitsverliebt, nennt er es und lacht. Heute Barbara, morgen Deborah, übermorgen Rosi, von Freitag bis Sonntag Annemarie. Sie alle seien Schönheiten gewesen. Die eine lustiger, die andere schöner.
Rosi ist geblieben. Rosi ist mein Gotti. Und derweil die beste Freundin meiner Mutter. Die Turtelei mit meinem Vater war eine kurze Sache. Eine, über die wir an jedem Fest herzhaft lachen.
Ein solches steht kommendes Wochenende an. Bruno wird am Sonntag 70. Natürlich feiern wir rein. Natürlich wird er schon längst davor betrunken sein. Natürlich werden all die Senioren auf Tischen tanzen. Und natürlich werde ich mit allen diesen Alt-Hippies auf den Tischen tanzen. Zumindest bevor sie mich unter selbigen getrunken haben.
Bevor das passiert und ich nur noch lallend zu «Skandal im Sperrbezirk» rumhüpfen werde, will ich die Gelegenheit nutzen, ein paar Worte an Bruno zu richten.
Lieber Papa
Wenn ich an dich denke, denke ich an dein riiiesiges Lachen. Ich kenne niemanden, der aus so viel Mund besteht wie du. Ausser ich. Wenn ich lache, sagen die Leute, ich sei du. Ich weiss nicht, ob das offiziell ein Kompliment ist. Für mich ist es eines. Ein spezielles. Das schönste.
Es ist dieses XL-Lachen, das ich sehe, wenn ich an meine Kindheit denke. Du und ich auf dem Fussballplatz. Du und ich beim Posten. «Verbotene» Berliner inklusive. Du und ich in den Ferien. Tausend Stunden im Meer. Tausendmal hast du mich ins Wasser geschmissen, tausend Stunden haben wir gegiggelet.
Dann wurde ich älter. Und null weiser. Du wurdest ebenfalls älter. Und nur wenig weiser. Zum Glück. Du hast dich mit der grössten Leichtigkeit mit mir in meine Pubertät gestürzt. Warst da, als ich die ganze Welt scheisse fand. Du warst da, als ich nach viel zu viel Pesca Frizz kotzend über der WC-Schüssel hing. Und du warst da, als ich absolut keinen Schimmer hatte, ob ich Kindergärtnerin, Tierärztin oder doch Popstar werden will.
Später entdeckte ich die Männerwelt. Und fand sie grossartig. Du hast kurzfristig Annemarie, Debobah, Barbara, Annegret und Rosi – Haha, Rosi – geliebt. Ich Sven, Thomas, Patrick, David, Max, you name it. Ich hab dir von fast allen erzählt und du hast fast alle, ausser die wirklich krassen Idioten, in dein grosses Herz geschlossen und wieder ziehen lassen, wenn ich es ebenfalls tat.
Dann kam Sandro. Und mit Sandro ganz viel Tohuwabohu, Unbeständigkeit, Leichtigkeit, Unverbindlichkeit, Herzschmerz, Unsicherheit, Eifersucht. Lange stritt ich ab, dass er so der hochoffiziell Richtige an meiner Seite sein könnte. Du hast das aber schon nach dem ersten Treffen gewusst, aber nichts gesagt.
Du wusstest, dass ich es selber merken werde. Bis dahin warst du, wie immer, einfach da, mit offenem Ohr und stets guten Tipps. Das ist, was dich unter 10'000 andren Dingen ausmacht. Du gibst nicht gut gemeinte Tipps. Deine Tipps sind gut. Sie «verhäbed».
Bruno, du bist das Beste, das Mama und mir passieren konnte. Danke, dass du meine Kindheit bunt angemalt hast. Danke, dass du auch dann lachst, wenn's offiziell schon lange nicht mehr lustig ist. Danke, dass du uns bedingungslos auch dann super findest, wenn wir Dinge tun, die du nicht gut findest.
Weisst du, Papa, ich liebe das Leben. Liebe mich. Liebe die Herausforderung, die Leichtigkeit, die Freiheit. Liebe es, keine Angst zu haben. Liebe es, dass mir wurst ist, was Kreti und Pleti von mir halten. Liebe es, dass ich frei Schnauze sagen kann, was ich fühle. Dass ich fühle. Und Gefühle feiere.
Da ist so viel von dir drin.
Du bist, werter Papi, wunderbar. Du bist lustig, grosszügig, laut, fröhlich, nervig, leidenschaftlich, selbstironisch, leicht, laut, liebevoll, selbstbewusst, tolerant, begeisterungsfähig. Vor allem aber bist du frei.
Du machst die Welt zu meinem besten Ort. Danke, dass du mein ewiger sicherer Hafen bist. Bitte werde mindestens 100 Jahre alt. Und bitte lass uns dann zusammen einen Joint rauchen. Heimlich im Altersheim auf dem Sitzplätzli.
Nun genug der Worte. Lass uns sofort deinen 70sten feiern. Ich hol den Champagner, du den Jägi. Mama den Kotzeimer.
Happy Birthday, Super-Dad!
Ich liebe dich
Emi*
* Wenn jemand anderer als du «Emi» sagt, werde ich sauhässig!
PS: Haha! Da. Ein Ohrwurm. Bitte, gern geschehen!
Ich bin kein Bruno, will ich auch nicht sein, dafür ist mein Naturel zu sehr anders. Aber die Hoffnung, dass meine drei Girls dereinst ähnlich von mir reden, so voller Liebe, Freude aber auch Achtung und Stolz - diese Hoffnung trage ich in mir. Und meine Töchter, meine grossartigen Mädchen heute schon als das zu sehen, was sie werden, nämlich Frauen, mit denen ich gerne mein Leben verbringen würde, diesen Blick zu tun, machst du mit deiner Kolumne und deinem Blick aufs Leben immer wieder möglich. Meine Mädchen, werden keine Emmas. Aber Originale. Und ich bin ihr Dad. Stolz!