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Emma Amour
01.11.2021, 09:3402.11.2021, 06:24
Liebe Emma
Ich bin seit drei Jahren mit meinem Freund zusammen, wir haben schon sehr viel miteinander erlebt und führen von aussen gesehen vermutlich eine Bilderbuchbeziehung.
Zwischen uns läuft's grundsätzlich super, wir haben viele gemeinsame Interessen und Träume und es ist eigentlich klar, dass wir uns eine gemeinsame Zukunft vorstellen können.
2020 hatte ich eine depressive Phase. Grund war ein Mix aus dem Druck, den ich mir selbst aufgrund vom Studiumsabschluss gemacht habe, hormonelles Ungleichgewicht und zu Teilen auch Corona und der damit verbundene eintönige Alltag im Home-Office.
In dieser Zeit habe ich mir Gedanken über unsere Beziehung gemacht und festgestellt, dass es mir enorm fehlt, mich meinem Freund emotional echt tief verbunden zu fühlen. Wir führen selten Gespräche über uns, unser Wohlbefinden, unsere Beziehung oder was wir uns wünschen.
In der Folge ist auch unser Sexleben sehr geschrumpft, was mir persönlich aufgrund fehlender Lust wenig ausmacht. Ich weiss aber, dass das nicht mein Normalzustand ist. In vergangenen Beziehungen war auch ich nie der sehr emotionale Typ, es kostet mich auch heute noch viel Überwindung, solche Themen anzusprechen.
Mein Freund ist auf eine gewisse Art ein komplett unemotionaler Mensch. Nicht auf eine asoziale Art, er hat einen intakten, tollen Freundeskreis und ist ein fürsorglicher, herzensguter Mensch.
Als wir neulich Pärchen in unserem Umfeld durchgegangen sind, ist uns aufgefallen, dass alle entweder Typ er (eher wenig emotional und wenig tiefgründige Beziehungen) oder Typ ich (Bedürfnis nach tiefgründigerer Connection) sind.
Ist das eine Kombination, die auf die Länge schlichtweg nicht funktioniert, ohne dass sich jemand krass verändern muss? Ich muss vielleicht noch anfügen, dass ich 23 war, als wir zusammengekommen sind und mir selbst meine Vorstellung einer Beziehung noch nicht gleich klar war, wie das heute der Fall ist.
Heute muss ich aber, wenn ich ehrlich zu mir selber bin, sagen, dass diese oberflächliche Art Beziehung für mich nicht stimmt. Was rätst du uns? Würde uns Unterstützung durch eine Therapeutin helfen?
Ich bin gespannt und froh um Tipps jeglicher Art!
Liebe Grüsse,
Joëlle
Liebe Joëlle
Beim Lesen deiner Mail fällt mir vor allem viel Ambivalenz auf. Oben schreibst du, dass ihr euch sehr wohl eine gemeinsame Zukunft vorstellen könnt und dass ihr es eigentlich super habt.
Je länger die Mail aber dauert, desto weniger ist von diesem Anfangsoptimismus zu spüren.
Aus der Ferne schliesse ich daraus, dass du dich, oder ihr euch, gerade mitten in einem Prozess befindet, bei dem ihr noch keine Ahnung habt, wohin er führt und wie er endet. Das ist per se anstrengend und erfordert viel Energie.
Ich finde es aber super, dass du letztes Jahr erkannt hast, was dir wichtig ist und was dir fehlt. Und dass du genau das Thema mit deinem Freund auseinandergenommen und besprochen hast. Das spricht für eure Kommunikation und eure Basis.
Du sagst, dass dir dein Freund auf eine Art und Weise zu wenig emotional ist, du dir aber genau das wünschst. Nun, meine Erfahrung zeigt: Erwachsene Menschen ändern sich nie grundsätzlich. Man kann Kompromisse eingehen, sich bemühen und hinschauen. Aber eine komplette Typveränderung kannst und sollst du nicht von deinem Freund erwarten.
Was also bleibt, ist die Frage: Kannst du ihn so hinnehmen, wie er ist? Schafft ihr es, absolut auch mit Hilfe einer Fachperson – finde ich immer super –, den Rank zu finden und somit vielleicht auch wieder mehr körperliche Nähe zuzulassen?
Du sagst, ihr seid schon drei Jahre zusammen und habt es grundsätzlich super. Das ist eine hervorragende Ausgangslage. Eine, die es verdient, eine faire Chance auf eine gemeinsame Zukunft zu bekommen. Am Ende rate ich dir also genau das, was du selber schon bestens auf dem Schirm hast: die Hilfe einer Fachperson.
Ich wünsche euch sehr, dass ihr wieder zueinander findet und dass ihr es packt. Und wenn nicht, könnt ihr euch jedenfalls nie vorwerfen, dass ihr nicht alles versucht habt.
Das ist Liebe. Und das ist schön.
Nur das Beste für euch.
Deine
Und was würdest du Joëlle raten?
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Sexpannen, Liebeskummer und verrückte Dates: Niemand erzählt in der Schweiz so authentisch und unverblümt wie Emma Amour. Seit Januar 2018 lässt die Zürcherin die watson-User an ihrem Leben teilhaben. Wenn sie eine Auszeit nimmt, springt ihre beste Freundin Cleo ein.
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Herausgeberin: watson
ISBN: 978-3-03902-124-6
Einband: Broschur mit Klappe
Umfang: 160 Seiten, 8 Illustrationen
Format: 13,5 x 21
Buchpreis
CHF 18.00 (CH)
EUR 18.00 (D)
EUR 19,00 (A)
Emma Amour ist ...
… Stadtmensch, Single, Mitte 30 – und watsons Bloggerin, die nicht nur unverfroren aus ihrem Liebesleben berichtet, sondern sich auch deiner Fragen annimmt. Und keine Sorge: Du wirst mit deinen Fragen anonym bleiben – so wie auch Emma. Madame Amour ist es nämlich sehr wichtig, auch weiterhin undercover in Trainerhosen schnell zum Inder über die Strasse hoppeln zu können.
Das bin nicht ich, aber so würde ich als Illustration aussehen. Öppe.bild: watson
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Tag 5 ohne Sex: Ich habe damit begonnen, in Flip-Flops zu rennen, nur um mich an den Klang zu erinnern. Bild: twitter Coaching gegen Corona-Koller
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Lara und ich vögeln ja wieder mit anderen. Und ich dachte, warum nicht mal mit einer Fachfrau zurück ins Game und habe eine Sexologin gedatet.
Ich glaube, der Exkurs in die Monogamie hat mir neue Türen geöffnet. Oder aber meine Euphorie, wieder mit anderen schlafen zu können, ist ansteckend. Oder, dritte Option, es ist alles gleich wie früher, aber weil ich nun eine Weile «raus» war, denke ich, es ist alles anders. Wie wenn man reisen ging, dann schätzt man das WC zuhause ja auch plötzlich wieder ganz anders.
Wenn Du also über gewisse Themen sprechen willst, dann musst Du aktiv werden.
Und das man nach 3 Jahren mal ein Beziehungs-Tief durchlebt finde ich auch nicht sehr aussergewöhnlich. Die Rosa Brille ist weg und der Alltag frisst einem auf. Aber in der Zeit merkt man wie innig die Liebe wirklich ist... oder eben auch nicht ;-)