Lara erzählt sehr offen und sehr ausführlich von ihren Ex-Freunden. Wie sie sich kennengelernt haben, wie sie ein Paar wurden, was die Probleme waren, warum sie sich getrennt haben und wie das Verhältnis jetzt ist. In allen Fällen «gut», in einigen «sehr gut». Ausser mit einem, wir nennen ihn Giovanni, ist es nicht ganz easy.
Da ich aber easy bin, finde ich es natürlich gar kein Problem, dass es nicht ganz easy ist.
Die Kommentarspalte: «Mimimimiimi, er tut so, als sei ihm alles egal. Dabei leidet er. Der Junge leidet. Er kann es nur nicht zugeben! Mimimimii!»
Leute. Wenn ich ein Problem mit dem Typen hätte, oder mit der Tatsache, dass es da noch Probleme gibt, würde ich dann mit einer Frau wie Lara zusammen sein, die am Anfang noch Bücher über Polyamorie verschenkte? Und warum sollte ich nicht zugeben, hätte ich ein Problem damit? Weil ich vor euch gut dastehen will? Weil ich euch gefallen will? Kennt ihr mich nicht langsam besser? Eben.
Also.
Ich hatte kein Problem mit Giovanni, vielleicht auch weil Giovanni in Italien lebte. Nicht ennet der Grenze, also so irgendwo zwischen Lugano und Mailand, nein, wirklich weit weg. In der Nähe von Neapel.
Giovanni ist, oder besser gesagt, war Gärtner und die beiden haben sich kennengelernt, wie sich alle Leute in diesen Kitsch-Romanzen kennenlernen: beim Hecke-Schneiden. Mit dem Unterschied, dass Lara nicht die reiche, ältere Hausherrin und Giovanni der arme, junge Oben-ohne-Gärtner war. Sie waren gleich alt, beide noch sehr jung, als sie sich kennenlernten. Lara wollte «richtig» Italienisch lernen, ging nach der Matura als Nanny/Au-pair/Irgendsowas nach Italien, wurde da von einer saureichen Familie angeheuert, musste eine 12-Jährige bespassen, was bisschen sinnlos gewesen sei, denn die wollte, wie Lara erzählt, vor allem alleine gelassen werden. Sie hatte also viel Zeit, sass viel rum und dann irgendwann kam der Gärtner der Familie, nicht Giovanni, Giovanni hat nur für den Gärtner als Aushilfe gearbeitet, als Sommerjob, und so haben sie sich kennengelernt.
Das war dann einen Sommer lang «Grande Amore», dann ging Lara zurück in die Schweiz und Giovanni kam sie nie besuchen und schrieb auch eher selten. SMS waren damals noch teuer, das Schreiben eine Qual. Sagte jedenfalls er. Lara wollte ihn besuchen gehen, aber auch das wollte er nicht, sie hätten eh keine Zukunft, blabla, ich glaube, er war einfach nicht so interessiert.
(Lara glaubt immer noch, die Distanz und die SMS-Kosten seien Grund für das Aus gewesen.)
Heute ist Giovanni nicht mehr Gärtner, sondern Personal Trainer von irgendeinem italienischen Promi. Der Promi musste in die Schweiz. Giovanni hat eins und eins zusammengezählt und Lara geschrieben.
Lara? Fucking lost her shit!
Ich habe sie noch nie so neben der Spur erlebt. Nun könnte man ihr vorwerfen, dass sie sich erstens zusammenreissen soll, und zweitens, dass das nichts ist, was sie mit mir besprechen sollte. Aber würde sie es nicht mit mir besprechen, könnte man ihr vorwerfen, nicht ehrlich zu mir zu sein. Und irgendwie habe ich Verständnis für die Teenie-Liebe. Irgendwie wurde da doch alles viel zu heiss gekocht und da bleiben eben so paar Dämonen zurück.
Lara wollte Giovanni treffen. Für «Closure», wie sie es nannte. Sie wusste nicht, ob er mittlerweile verheiratet und Vater war, bestimmt, glaubte sie, sei ja Italiener, das seien Familienmenschen. Und weil sie so nervös und verwirrt war und auf keinen Fall wollte, dass er denken könnte, dass sie irgendwie nicht weitergekommen ist im Leben, sie war nur gerade zwischen zwei Jobs, im Fachjargon: arbeitslos, aber sie hätte ja mich, das sei ja schon eine erwachsene Sache, jedenfalls kam sie irgendwann auf die grandiose Idee, dass ich ans Treffen mit sollte. Als Emotional Support.
«Und vielleicht wird es ja lustig», sagte sie.
Ja, was soll ich sagen: Es war tatsächlich irgendwie lustig. Nicht weil der Typ lustig war, sondern weil er unfassbar hohl war. Er kannte sich in einem Thema aus: Fitness. Er sprach ausführlich und detailliert über seinen Körper und sein Training. Ich weiss jetzt, wie viel Eiweiss er essen muss, damit alles bleibt, wie es ist. Falsch, habe es schon wieder vergessen, aber ich weiss noch, dass ich dachte: irre viel. Er lachte bei jedem seiner Sätze, obwohl sie kein bisschen lustig waren. Wenn er nicht redete oder das Gespräch auf ein anderes Thema als Körper und Nährwerte kam, war er komplett überfordert. Sarkasmus und Ironie verstand er überhaupt nicht.
Zugegeben, er sieht aus wie ein Model aus einer PKZ-Werbung. Dass er Personal Trainer ist, sieht man auf den ersten Blick. Am meisten beeindruckt hat mich aber nicht sein Body, sondern wie gleichmässig sein Bart war. Als hätte jemand die Abstände zwischen den Barthaaren ausgemessen. Als hätte da Vinci persönlich vorgezeichnet.
Ach ja, er ist geschieden, hat eine Freundin, ebenfalls Personal Trainer, und will mit dem Kinderkriegen warten, obwohl seine Mamma ständig danach frage. Weil er eben modern sei, hahaha, da hat er wieder gelacht.
Lara hat auf dem Nachhauseweg nicht viel gesagt, nur, dass sie es mir hoch anrechnen würde, dass ich mitgekommen sei und dass sie nicht wirklich wisse, was sie da einen Sommer lang mit ihm geredet habe. Ich hätte fast gesagt, dass sie wohl nicht viel geredet haben, fand es dann aber etwas deplatziert.
Lara ist seit dem Nachmittag sehr anhänglich. Giovanni wurde nie wieder erwähnt. Und ich? Habe ihr eine Zimmerpflanze gekauft. Fand sie lustig. Was Giovanni kann, kann ich schon lange. Ausser vielleicht im Gym. Da bin ich nun zugegeben etwas öfter als sonst. Anscheinend steht Lara ja auf Muskelprotze. Oder vielleicht reicht es auch, wenn ich mal zum Barber zu gehen, statt mir mit meiner alten Maschine übers Kinn zu fräsen ...
So long,
Ben
Lieber Ben, jetzt kennst du ihr Beuteschema. Mach was draus... Allerdings nicht mit ihr. 😄
Da kommt die doch tatsächlich mit ihrem aktuellen Typ angetanzt. Etwas schlaff, könnte meine Tipps gut gebrauchen, aber der rafft das nicht. Sonst nur ödes Geplauder über die alten Zeiten, wie wenn mich das irgendwie interessieren würde. Das wird nichts mit der Lara, ich verschwende nur meine Zeit und wimmle die beiden möglichst schnell ab.