Würde man mich in dieser Sekunde fragen, ob ich für den Rest meines Lebens auf Sex oder Zigaretten verzichten würde, würde ich Sex wählen. Wer will schon vögeln, wenn man nicht mal mehr die Zigi danach rauchen kann?
Ich sicher nicht.
Das soll aber mein neues Leben sein. Aber von Anfang an. Ich habe beschlossen, am 1. Januar 2020 mit dem Rauchen aufzuhören. Das, nachdem mir Sophies Vater, ein angesehener Lungenspezialist, massiv ins Gewissen geredet hat.
Mein Plan war simpel: Ich verbringe Silvester damit, Kette zu rauchen. Ich durfte so lange rauchen, bis ich ins Bett gehe. Weil das neue Jahr fängt ja erst mit einem neuen Tag an. Freestyle-Regeln kann ich.
So war es dann auch. Mein Silvester war sehr unspektakulär. Ich war bei Freunden. Und dann zogen wir durch Bars und Clubs. Ich war sehr damit beschäftigt, die nächste Kippe zu rauchen. Aus lauter Panik, dass es vielleicht die achtletzte ist, kam ich gar nicht dazu, mir einen potenziellen Silvester-Schatz anzulachen.
Raucher verstehen das. Alle anderen mögen schweigen.
Es war 4.23 Uhr, als ich also die letzte Zigi an meinem offenen Küchenfenster rauchte. Ich habe dazu Rotz und Wasser geweint. Zum einen, weil es eben die letzte Kippe gewesen sein soll und anderseits, weil ich dazu Roxettes «It Must Have Been Love» aufdrehte und traurig war, weil Marie Fredriksson neulich verstarb.
Das erste Mal wache ich um 9.18 Uhr im neuen Jahr auf. Spätestens um 9.20 würde ich die erste Zigi anzünden. Das ist grusig. Ich weiss. Aber was tun gegen die Macht der Gewohnheit? Jetzt soll alles anders sein. Ich habe jegliche Aschenbecher, Vorratzigis und Feuerzeuge entsorgt.
Also. WC, Kafi, bizli Schoggi. Zurück ins Bett. Weiterpennen. Denkste. Ich bin hellwach. Und kann nur an Zigaretten denken. Easy. Masturbieren. Komme nicht in Fahrt. Also, umdrehen. Schlafen. Irgendwie gelingt es mir, noch einmal wegzudösen.
Es ist kurz nach elf, als ich aufschrecke. «No more Zigis in my Life...», singt es hämisch in meinem Kopf. Meine Laune ist Terror. Ok. Bewegung. Joggen. Mag ich aber nicht. Hab Dröhnkopf. Muss man einfach aushalten, meinte Sophies Papi. Drei Tage Hölle, danach ist das Schlimmste überstanden.
Sie nerven, Herr Doktor.
Ich versuchs mit Youtube-Yoga. Die Trulla, die mich da aber instruieren und motivieren will, stresst mich. Ich mach Freestyle-Yoga, nehme ein Bad. Dann masturbiere ich. Und komme in Fahrt. Alles wird gut. Dann fällt mir ein, dass ich nach dem Kommen nicht Rauchen darf.
Von wegen happy new year!
Ich torkle zum Bäcker des Vertrauens. Ein Pain au Chocolat und ein Butterbrezeli später bin ich kurzfristig glücklich, bevor mich die blanke Panik vor dem Zunehmen wegen Rauchstop übermannt.
Läuft bis jetzt – gelinde gesagt – sehr beschissen.
Also, Butterbrezel und Schoggibrötli wegtrainieren. Ich drehe die Musik auf und tanze durch die Wohnung. Macht mich normalerweise im Nu glücklich. Heute finde ich sogar die Münchener Freiheit enorm trist.
WILL RAUCHEN.
In der Zwischenzeit ist es irgendwie 17 Uhr geworden. Fast dunkel. Sehr gut. Kann ich wenigstens bald wieder ins Bett. Ich bestell mir geiles Essen. Das mir ein geiler Beau mit Käppi bringt. Bin aber null in Flirtlaune.
Ich esse langsam. Weil ich weiss, dass das nächste Tief nach dem letzten Bissen kommt. Keine Zigi nach dem Essen. Mal im Ernst, wie soll ich so jemals glücklich werden?
Ich krame mein «Endlich Nichtraucher»-Buch aus dem Büchergestell. Ich blättere kurz drin rum, schmeiss es dann aber zurück in die Ecke. Sorry, Herr Doktor.
Habe übrigens Kopfweh. Und in meinem Kopfkino läuft ein sehr kitschiger Liebesfilm. Es sind aber nicht Menschen, die hier mitspielen. Die Protagonisten sind Zigaretten. Grosse, dünne, kürzere, lange elegante, selber gedrehte.
Fuck you, Fantasie!
Es ist 21.19 Uhr. Noch zwei Stunden durchhalten. Ich rufe Cleo an. Die hat aber wenig Zeit. Im Gegensatz zu mir hat sie einen Silvester-Schatz im Bett. Also rufe ich Sophie an und weine ein bisschen. Sie, die noch nie eine Zigarette im Mund hatte, findet mich nervig.
Finde mich selber auch ätzend.
21.54 Uhr. Ich hab den ersten Tag so gut wie geschafft. Das schreit nach Belohnung. Ich rufe meine Lieblings-Online-Shopping-Seite auf. Und mache eine winzig dezente Bestellung für 684 Stutz. Wenn ich weiterhin so gut nicht rauche, hab ich das Geld ja bald draussen.
Alles gut.
Bin kurzfristig sehr glücklich. Wer braucht schon Sex, Männer und Zigaretten?
Eine Dreiviertelstunde später liege ich im Bett. Und vermisse schmerzlichst Zigaretten, Sex, Zigaretten, Männer, Zigaretten.
Ok. Licht löschen.
Morgen gilt neuer Tag, neues Unglück, Glück.
(Hau doch ab, 2020.)
Bonne Nuit,
Die ersten Monate habe ich auf Kaffee verzichtet (!), ich habe in meinem Leben noch nie so viele verschiedene Teesorten wie damals ausprobiert und Nüssli wurden meine treusten Begleiter ;-)
An alle die damit aufhören wollen: Viel Erfolg und bleibt dran!!
Dann ging ich auch durch das Höllentor und ritt drei Tage gegen meine Lust des Qualms an.
Der vierte Tage brachte den erhofften Sonnenschein, es fühlte sich an wie der Kuss einer Jungfrau. Unbedarft.
Heute bin ich zu gut ernährt, grauhaarig und kompensiere es mit komischen Gedichte. Dafür Nichtraucher.
😘
Selbst wenn es am Ende nicht klappt, hat man so doch einige Wochen weniger geraucht, was immer noch besser ist, als wenn man es nicht versucht hätte.
Im Falle, dass es nicht klappt wäre es einfach wichtig, es nachträglich positiv zu sehen im Sinne von "es ging doch mal eine Zeit lang ohne, also versuche ich es wieder" und nicht negativ im Sinne von "ich habe es schon mal versucht und es hat nicht geklappt, also lasse ich es gleich bleiben".