Er ist Veganer. Ich liebe Fleisch. Er trinkt täglich. Und zwar mehr als nur ein Feierabendbierli oder ein Gläsli Wein. Ich trinke sehr selten Alkohol. Er ist Kettenraucher. Ich nicht.
Er geht auf die 50 zu. Zu älteren Männern habe ich mich noch nie hingezogen gefühlt. So geht es mir am Anfang auch mit Sven. Er ist am Kiosk vor mir dran. Er kauft 2 Päckli Zigis und den «Playboy». Ich schmunzle. Ihm vergeht das Lachen: Er hat das Portemonnaie nicht dabei.
Ich leih ihm das Geld. Er will sich revanchieren. Sven ist Deutscher. Er lebt noch nicht lange in Zürich. Ich geb ihm meine Nummer. Damit er mir das Geld zurückgeben kann. Wir sind sehr unflirty unterwegs.
Ich habe Sven schon fast vergessen, als mich sein SMS vier Wochen nach der Begegnung im Kiosk erreicht. Wir verabreden uns in einer Bar. Soweit, so unaufgeregt.
Ich radle entspannt an das Treffen. Die Beine habe ich nicht rasiert. Sven ist schon da. Und punktet ab Sekunde 1 mit Witz, Ironie, Charme und Schalk.
In den letzten Ferien hat er im peruanischen Dschungel Ayahuasca genommen. Seine erste Nacht in Zürich verbrachte er in einem Sexkino, weil er Pass und Geld verloren hatte. Und er besitzt keine Unterhosen. Die engen ihn ein.
Seine Erfüllung findet Sven beim Yoga. Er praktiziert täglich. Und er meditiert. Ich mache auch Yoga. Manchmal täglich. Dann drei Monate nicht mehr. Meditieren kann ich nicht. Bin zu hibbelig dafür.
Sven langweilt sich nach einer Stunde am Tresen. So auch ich. Langsam beginne ich, diesen etwas zu alten und schrägen Typen cool zu finden. Er will mir seinen magischen Ort zeigen. Wir landen im Wald im Zürichberg. Im November.
Sven, ich glaub, er hat schon leicht einen sitzen, zieht seine Schuhe aus. Und seine Socken. Ich soll es ihm gleich tun. Ihm vertrauen. Eins werden mit der Erde. Die Energie fühlen. Ich lache. Er nicht. Sven läuft hin und her. Die Augen hat er geschlossen. Er singt irgendwas.
Ich behalt meine Schuhe an.
sagt er. Und küsst mich. Ich lass mich auf die Knutscherei im November im Wald mit einem barfüssigen, kettenrauchenden Yogi-Veganer ein.
Sven und ich machen die Nacht durch. Den nächsten Arbeitstag schwänzen wir. Und treffen uns am Abend wieder. Im Hammam. Sven hat null Probleme mit seiner Nacktheit. Ich bin etwas bornierter.
Ausser knutschen lief ja noch nichts. Während Sven mit mir redet, reisst er mir das Tüechli vom Körper. Und glotzt mich an. Die Situation ist schräg. Und wundervoll.
Während wir auf dem heissen Stein liegen, greift Sven nach meiner Hand. Er strahlt mich an. Ich sei cool. Glaubt er. Garantiert auch polyamor. Und bisexuell. Er, selber polyamor und bi, spüre das. Nun, ich bin beides nicht. Ihn stört's nicht. Und mich genauso wenig.
Sven und ich wissen, dass unsere Geschichte nicht für die Ewigkeit bestimmt ist. Wir wissen aber auch, den Moment auszureizen.
Unser Amour fou nimmt nach ein paar Wochen ein zähes Ende, als er meinen Kühlschrank öffnet und das Doppelpack Wienerli entdeckt. Er redet mir ins Gewissen. Zeigt mir Youtube-Clips von Massentierhaltungen.
Sven flippt völlig aus. Er verlässt meine Wohnung. Und damit auch mich. Mein Herz schmerzt ein bisschen. Primär wegen der Tiere in den Clips. Ich kaufe jetzt nur noch Fleisch beim Metzger. Dafür sollte ich mich bei Sven bedanken. Dafür und für die Reise raus aus meiner Komfortzone. Danke, Sven. Es war ein intensiver, lustiger und manchmal sehr schräger Trip.
Adieu,
... Stadtmensch, Single, Anfang 30 – und watsons neue Bloggerin, die nicht nur unverfroren aus ihrem Liebesleben berichtet, sondern sich auch deinen Fragen annimmt. Und keine Sorge, so wie auch Emma, wirst auch du mit deiner Frage anonym bleiben. Madame Amour ist es nämlich sehr wichtig, auch weiterhin undercover in Trainerhosen schnell zum Inder über die Strasse hoppeln zu können.
Dann schick sie per Mail an Emma: emma.amour@watson.ch