Leben
Deutschland

4000 Leute reisen zu Schanzenfest: Was es mit dem Drachenlord zu tun hat

Schanzenfest Drachenlord
Rund 4000 Leute pilgerten in das bayrische Dorf Emskirchen, den ehemaligen Wohnort des Drachenlords.Bild: youtube/franken fernsehen

Das Schanzenfest, der Drachenlord und eine Community voller Hater

12.08.2025, 17:2412.08.2025, 17:24
Nina Bürge
Nina Bürge
Mehr «Leben»

Am vergangenen Samstag, dem 9. August, versammelten sich knapp 4000 Männer im bayrischen Dorf Emskirchen. Sie tranken, standen in der Sonne, stimmten Gesänge an. Und sie waren alle wegen derselben Person da. Wegen Rainer Winkler, dem Drachenlord. Doch sie sind nicht etwa seine Fans, sie sind seine Hater.

Wer ist der Drachenlord?

Rainer Winkler ist heute 36 Jahre alt. Im Jahr 2011 publizierte er sein erstes Video auf YouTube unter dem Nutzernamen «Drachenlord1510». Erst erfolglos, doch er gab nicht auf.

Er filmte sich in seinem Alltag, beim Essen, beim Gamen oder beim Hören von Heavy-Metal-Alben. Plötzlich begannen seine Videos zu provozieren, in Chatforen wurde über sie diskutiert, die Leute wurden neugierig.

Rainer Winkler wurde 2022 von einem Gericht eine verminderte Steuerungsfähigkeit attestiert. Das heisst, Winkler kann nicht einschätzen, dass Dinge, die er tut, falsch sein könnten. Auch kann er sein eigenes Verhalten in gewissen Situationen nicht kontrollieren. Somit ist er auch leichter zu provozieren.

Doch anstatt Fans, die ihn bewunderten, hatte Rainer Winkler eine Community voller Hater, die ihn auslachten und verabscheuten. Menschen, die ihn auf Schritt und Tritt durch Internetforen und untereinander gegründete Chats verfolgten.

Sie wussten immer, wo er ist, was ihn zur Weissglut brachte, und was sie sagen müssen, um ihn zu provozieren. 200'000 Leute folgten dem Drachenlord zu seinem Höhepunkt auf YouTube, Winkler verdiente damit sein Geld.

Der Inhalt der Videos: der Hass, den er jeden Tag erlebte, und er selbst, wie er ausrastete oder herumschrie. Gleichzeitig: die Hater in Chats und Livestreams, die ihn weiter provozierten.

Drachenlord Rainer Winkler
Mit den Worten «Meddl Leute» begrüsste der Drachenlord seine Zuschauer in jedem Video.Bild: instagram

Ein Hin und Her, Winkler rastete in den Streams und Videos aus, die Hater eckten noch härter damit an, was Winkler noch wütender machte. Und so weiter und so fort.

Aussagen von Winkler, wie zum Beispiel Holocaust-Verharmlosung oder schwulenfeindliche Kommentare, waren nur noch weiteres Öl, das ins Feuer gegossen wurde.

Der Kampf zwischen Winkler und seinen Hatern eskalierte immer weiter. Bis die vermeintlichen Fans nach Emskirchen reisten, wo Winkler lebte.

Seinem Haus gaben sie den Namen Drachenschanze, inspiriert von Winklers Online-Namen Drachenlord. Sie tranken vor seinem Garten, schrien herum, provozierten ihn, bis er wütend aus dem Haus stürmte und sie bedrohte. Dass die Polizei zur Drachenschanze ausrückte, wurde zur Tagesordnung.

Bis Winkler das bayrische Dorf verliess. Sein Haus wurde verkauft und abgerissen. Der Drachenlord verschwand. Aus Emskirchen und aus dem Internet.

Das Schanzenfest

Im August 2018 versammelten sich die Hater des Drachenlords das erste Mal zum sogenannten Schanzenfest. Sie trafen sich in Emskirchen, tranken und versuchten, Winkler zu provozieren.

Am vergangenen Samstag fand ein weiteres Schanzenfest statt. 4000 junge Männer reisten in den ehemaligen Wohnort des Drachenlords. Sie versammelten sich auf dem Parkplatz vor dem örtlichen Supermarkt, tranken, schrien «Baut die Schanze auf!» und zündeten im nahe gelegenen Wald Rauchpetarden. Am Nachmittag gingen sie weiter, das Ziel: die Drachenschanze, also der Ort, an dem das Haus des Drachenlords einst stand.

Ein deutscher Influencer war ebenfalls vor Ort und hat das Schanzenfest dokumentiert. Ob er aus eigenem Interesse, oder um das Ganze als Reportage festzuhalten, da war, ist unklar.

Die 4000 jungen Männer haben die Drachenschanze nie erreicht. Die Polizei war mit einem Grossaufgebot vor Ort und verhinderte den Fussmarsch zur Drachenschanze. Wie aus einer Medienmitteilung hervorgeht, wurde eine Person festgenommen und es kam zu Sachbeschädigungen. Ansonsten sei das Schanzenfest friedlich geblieben. Am späteren Nachmittag habe sich die Versammlung grösstenteils wieder aufgelöst, wie die Augsburger Allgemeine schreibt.

Wieso genau ein weiteres Schanzenfest stattfand und weshalb am 9. August, ist nicht bekannt.

Wo Rainer Winkler heute ist, weiss man nicht. Als er sich aus dem Internet zurückzog und das bayrische Dorf verliess, wurde gemunkelt, dass er obdachlos sei. Belegen konnte dies nie jemand. Somit bleiben vom Drachenlord lediglich seine Hater übrig, er selbst ist verschwunden.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Impressionen von Heinrich Schiffmanns Weltreise
1 / 5
Impressionen von Heinrich Schiffmanns Weltreise

Viele Aufnahmen von Heinrich Schiffmann sind auf Glasdiapositiven verfügbar. Dieses trägt den Titel «Vor der Ankunft eines Mandarins (hoher Würdenträger)», 1902.

quelle: museum schloss burgdorf, ethnologische sammlung, es-f-20217
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Der Song zum Zoll-Drama
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
61 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Clandestino
12.08.2025 18:26registriert Mai 2025
solche Absurditäten des Internets lassen mich jeweils sprachlos zurück...
1826
Melden
Zum Kommentar
avatar
Grabeskaelte
12.08.2025 18:13registriert Oktober 2014
Meddl Loide.

Erstmal zwei Korrekturen: Unter den Vögeln die jetzt da waren, war kein einziger richtiger Haider. Die die da waren, waren zu Zeiten des Games alle knapp aus den Windeln und sind richtige Level 0er die den Reini nur aus DiggDogg Memes kennen. Das war eine mehr als sinnbefreite Aktion.

Die zweite Korrektur, Reini ist nicht verschwunden. Der sitzt in Zobes im Monteurszimmer von Uwe und erfindet fleissig übersexualisierte Phantasiemonster für sein Phantasieuniversum.

Des Weiteren sollte er ignoriert werden solange er den Kopf unten hält und keine Berichterstattung stattfinden.
12127
Melden
Zum Kommentar
avatar
El_Chorche
12.08.2025 18:24registriert März 2021
Da kann ich aushelfen.

Rainer ist wieder im Internet aktiv und hat mittlerweile sein eigenes Universum erfunden.

Dort labert er über Lustschleime und führt eine Art Bestiarium, resp wie sich die Bewohner des "Uniwässums" paaren.

Mag mich an die Anfänge erinnern, als Drachenlord zum ersten Mal auf Lachschon aufploppte. Die Seite musste dann später den Betrieb einstellen, wobei der Nachfolger bis anhin eher beschauliche Nutzerzahlen aufweist.

Aber eben...

Anfangs wars lustig, aber nach der dritten, vierten Eskalation irgendwann zu viel. Der Mob hat schliesslich nie genug.
7918
Melden
Zum Kommentar
61
Sharon Stone spricht erstmals über gewalttätige Vorfälle mit Harvey Weinstein
Sharon Stone feierte ihren grossen Durchbruch mit «Basic Instict». Im Laufe ihrer Schauspielkarriere arbeitete sie auch mit Harvey Weinstein zusammen. Jetzt spricht sie detailliert darüber, wie sich der Produzent ihr gegenüber verhalten habe.
Als 2017 erste Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Harvey Weinstein publik wurden, äusserte sich Schauspielstar Sharon Stone zunächst nur knapp dazu. Anfang 2018 liess sie in einem Interview verlauten, dass sie angesichts ihrer Zusammenarbeit mit dem Hollywoodproduzenten «nicht überrascht» gewesen sei.
Zur Story