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Studio Ghibli: Warum der KI-Trend von OpenAI problematisch ist

Warum der Ghibli-KI-Filter problematisch ist

Seit dem neuen Update von ChatGPT fluten KI-generierte Bilder im Ghibli-Style das Internet. Auch Schweizer Firmen springen auf den Trend auf.
04.04.2025, 11:0204.04.2025, 11:02
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Der X-Feed sah vergangene Woche aus wie ein Rückblick auf das gesellschaftliche und popkulturelle Zeitgeschehen der vergangenen 25 Jahre – aber im Anime-Stil. Dem Internet wurde ein neues KI-Spielzeug geschenkt.

Und das Internet hatte Spass. Die Beschenkten erzeugten erstaunliche Ergebnisse. Wobei: Wer ist hier eigentlich der Erzeugende? Wer leistet die kreative Arbeit bei der Erschaffung der Anime-Version des Distracted-Boyfriend-Memes? Hat die KI-Evolution gerade das nächste Plateau überschritten?

Studio-Ghibli-Filter: Was ist da schon wieder los?

Vergangene Woche stellte OpenAI seinen, eigenen Angaben zufolge, «bisher fortschrittlichsten Bildgenerator» vor. Er ist integriert in die KI-Plattform GPT-4o. Der KI-Bildgenerator verfügt, so heisst es, über ein «natives multimodales Modell, das präzise, akkurate und fotorealistische Ergebnisse liefert», zitiert «Variety».

Man kann sich mit entsprechenden Befehlen (Prompts) also fiktive Bilder produzieren lassen, die wie echt aussehen. Das war schon vorher möglich, nur eben wohl nicht in dieser Qualität.

Für das Fotorealistische interessierten sich die ersten Nutzer des Updates aber ohnehin eher weniger. Sie entdeckten stattdessen GPT-4os bemerkenswertes Talent, berühmte Zeichentrick-Stile nachzubilden und auf existierende Motive zu legen. Also eine Zeichentrick-Version der Realität zu schaffen.

Der Studio-Ghibli-Stil setzte sich in diesen Versuchsspielen schnell als beliebtestes Format durch, unter anderem gegen «South Park». Das japanische Animationsstudio steckt hinter den Klassikern «Chihiros Reise ins Zauberland» und «Mein Nachbar Totoro».

Ein paar originale Beispiele für den Ghibli-Stil:

"Mein Nachbar Totoro" (1988)
«Mein Nachbar Totoro» (1988)Bild: studio ghibli
"Der Junge und der Reiher" (2023)
«Der Junge und der Reiher» (2023)Bild: studio ghibli

Der Wiedererkennungswert von Studio Ghibli ist enorm und wohl nur vergleichbar mit Disneys Zeichentrick-Stil, von dem das Studio sich allerdings zugunsten moderner Animationstechniken löste.

Der Ghibli-Stil zeichnet sich durch Achtsamkeit, Reduktion und Langsamkeit aus. Er vermittelt Ruhe, japanischen Zen. Die Filme selbst transportieren vor allem humanistische Werte.

Diese zarten Aromen wurden in der vergangenen Woche vom Zynismus und der Ironie der Meme-Kultur verbittert.

Graubünden springt auf den Trend auf

Unter anderem auch Graubünden Tourismus teilte auf Instagram solche KI-generierten Bilder: «So sieht der Sommer in Graubünden im japanischen Ghibli-Style aus» schreiben sie dazu.

Unter dem Beitrag tummeln sich kritische Kommentare. «Graubünden braucht keine KI, um attraktiv zu sein», schreibt etwa ein Nutzer. Viele sind der Meinung, dass Graubünden lieber lokale Künstlerinnen und Künstler fordern soll, anstatt eines hohlen KI-Trends zu folgen.

Graubünden im Ghibli-Style?
An dieser Umfrage haben insgesamt 2887 Personen teilgenommen

Virales Ghibli-Filter-Meme: witzig oder bedenklich?

Reichweitenstarke Accounts auf X setzten GPT-4o und den prägnanten Ghibli-Style auf ikonische Bilder an, die ihrerseits hohe Wiederkennungswerte mitbringen, also in erster Linie Memes.

Ja, es stimmt. Man musste nicht viel mehr tun, als ein berühmtes Meme wie das hier durch den GPT-Filter zu jagen, um hunderttausende Likes zu farmen.

Was irgendwann natürlich ausartete ...

... und die Spassgrenzen erst dehnte.

Und dann sprengte.

Bevor schliesslich der X-Account des Weissen Hauses, Regierungssitz von US-Präsident Donald Trump, sich auf vulgäre Weise in den Ghibli-Trend schaltete und damit dessen Ende einläutete. Die Uncoolen machen den Witz jetzt auch, der Spass ist vorbei.

Was aber eben keineswegs bedeutet, dass KI an sich wieder weggeht. Vielmehr zeigt der neueste Hype, dass komplizierte Fragen auf den Kulturbetrieb zukommen, die schon bald beantwortet werden müssen.

Was lernen wir daraus, wie geht es weiter?

Es entstanden nicht nur Bilder, sondern auch ganze Videos aus dem Filter, etwa ein «Herr der Ringe»-Trailer im Ghibli-Stil. Natürlich entsteht hier erstmal nichts substanziell Neues. Die KI ahmt Vorhandenes nach und remixed es.

Dieser X-Nutzer kritisiert den viralen Ghibli-Trend dennoch als «Werbung für ein Plagiat-Programm». «Diebstahl» durch OpenAI werde von «Idioten» bejubelt.

Muss man also Copyright-Richtlinien und Grundsätze geistigen Eigentums auf ChatGPT-(Re)Kreationen anwenden? Sollte man ihr, also der KI, die bereits existierende Kunst derart bereitwillig für Lernmodelle überlassen? Muss man den rasant wachsenden Bewegungsradius von KI einhegen?

Von den Verantwortlichen selbst sind Beschränkungsbemühungen natürlich nicht zu erwarten. OpenAI-Gründer Sam Altman machte sich bei X lustig über den aktuellsten Trend – und hat jetzt selber einen Ghibli-Avatar im Profil.

Die Widerstandslinie radikalisiert sich aktuell vor allem unter den Kreativen selbst. Tony Gilroy ist der Autor und Showrunner der gefeierten «Star Wars»-Serie «Andor». Gilroy hatte zuletzt angekündigt, die Drehbücher der zweiten Staffel nicht zu veröffentlichen. Denn: «Warum sollte man den verdammten Robotern mehr helfen als man muss?»

Das sagt der Ghibli-Gründer über KI

Inmitten des Hypes um den Ghibli-Filter griffen viele Medien auch ein altes, vermeintliches Anti-KI-Zitat von Ghibli-Gründer Hayao Miyazaki aus dem Jahr 2016 auf. Es lässt sich nicht genau rekonstruieren, worauf sich seine Sätze beziehen: auf den Inhalt eines KI-Videos oder das Wesen von KI an sich. Oder beides.

FILE - In this Nov. 8, 2014, file photo, Hayao Miyazaki arrives at the 6th annual Governors Awards in Los Angeles. Miyazaki?s ?The Boy and Heron,? is nominated for best animated feature. (Photo by Chr ...
Hayao MiyazakiBild: keystone

Aber man kann das in der aktuellen Debatte ja trotzdem mal so stehen lassen: «Ich bin zutiefst angewidert. Wenn ihr wirklich gruselige Sachen machen wollt, könnt ihr das tun, aber ich würde diese Technologie niemals in meine Arbeit einbauen wollen.»

Was hältst du vom Ghibli-Trend? Schreibe es in die Kommentare!

(watson.de/ cmu)

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quelle: ghibli
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«Nothing, Forever»: So sieht eine KI-generierte Sitcom aus, die unendlich läuft
Video: watson
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62 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Roli_G
04.04.2025 11:44registriert Januar 2021
Der Ghibli-Filter ist wohl ein kurzfristiger Trend, der schon in einem Monat vergessen sein wird.
Das Thema Schutz von geistigem Eigentum im Zusammenhang mit KI hingegen ist etwas Wichtiges und nicht gerade etwas, bei dem es eine einfache Lösung gibt.
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Acai
04.04.2025 12:03registriert März 2017
Die Frage ist, wie die Menschen entschädigt werden, deren Werke zum trainieren der KI (mis-)gebraucht wurden. Aktuell werden diese Menschen schlicht entrechtet. Oder genauer gesagt: Sie werden bestohlen und um ihr geistiges Eigentum betrogen.
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Fanfj
04.04.2025 13:00registriert Dezember 2020
Es ist eine Schande. Die Werke von Ghibli sind so viel mehr als Memes. Die Filme zeigen einem immer das Krieg und Gewalt nichts gutes sind, das die Natur geschüzt werden muss, das alle Menschen stark sein können (bereits in ihrem ersten Film aus dem Jahr 1986 war eine starke Frau die Hauptperson). Ich finde es wirklich traurig was daraus gemacht wird weil ja sogar die IDF, etc. nun daraus Bilder machen. Auch finde ich es heftig das man es komplett normal findet das eine Maschine einfach einen Stil klaut und denn anwendet... Das kann doch nicht sein.
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