Im November 2020 veröffentlichte Netflix «Hillbilly Elegy». Das Drama erhielt eine auf ein Minimum beschränkte Kinoauswertung, damit Netflix es für die Oscar-Verleihung einreichen konnte. Es kamen Kleckereinnahmen in Höhe von 38'000 US-Dollar zusammen.
«Hillbilly Elegy» erhielt anschliessend zwar zwei Oscar-Nominierungen für die Darstellerin Glenn Close und das Make-up, ging bei der Verleihung aber leer aus. Die Kritik strafte das Werk gnadenlos ab.
Kurz gesagt: Der popkulturelle Fussabdruck, den «Hillbilly Elegy» in der Welt hinterliess, war eher dünn. Dass der Film nun doch wieder im Gespräch ist, hat auch weniger mit seinen Qualitäten und mehr mit dem Schöpfer der Geschichte zu tun.
Denn auf der US-Version von Netflix stürmte «Hillbilly Elegy» in die Top 10, und das vier Jahre nach seinem ursprünglichen Start. Die Zugriffe schossen derart in die Höhe, dass es für den sechsten Platz unter den derzeit populärsten Filmen reichte.
Wie «Entertainment Weekly» berichtet, stiegen die Zuschauerzahlen um 1180 Prozent. Allein am Montag sei der Film 164'000 Mal angeschaut worden. Was ist da nur passiert? Der Schlüssel zur Antwort ist der Name J.D. Vance – seit kurzem neuer Vizekandidat des Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, Donald Trump.
J.D. Vance verfasste die gleichnamige literarische Vorlage von «Hillbilly Elegy». In der Geschichte verarbeitet er seine eigene Kindheit in der US-amerikanischen Appalachen-Region. Der Gebirgsstreifen, der sich vom Norden der USA bis in den Süden nach Alabama zieht, gilt als sozial schwach – und als Hochburg der republikanischen Partei.
Das Buch erschien 2016 – das Jahr, in dem Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde. Vance beschrieb in dem Roman eine marginalisierte weisse Arbeiterklasse, und damit ein Milieu, das sich auch jetzt noch stark zur politischen Figur Donald Trump hingezogen fühlt und einen Grossteil der potenziellen Wählerschaft ausmacht.
In Erklärungsversuchen für den politischen Aufstieg Trumps gilt «Hillbilly Elegy» als eines der einflussreicheren literarischen Werke. Es machte J.D. Vance berühmt und brachte ihm in letzter Konsequenz nun die Position als Donald Trumps Vizekandidat für die kommende US-Wahl ein.
Vor und während der Veröffentlichung seines Buches galt Vance noch als offener Trump-Kritiker. Er bezeichnete Trump als «kulturelles Heroin», «Idioten» und «Amerikas Hitler». Er befand: «Herr Trump ist ungeeignet für das höchste Amt unseres Landes.»
Es setzte eine, wie die «New York Times» schreibt, politische «Transformation» ein, die sich über acht Jahre hinzog. Wie J.D. Vance' Verwandlung die Lesart von «Hillbilly Elegy» verändern könnte, finden US-amerkanische Filmfans gerade heraus. Auch in Deutschland ist der Film weiterhin im Abo abrufbar.