Gestern ist ein Video rausgekommen, wo ich frisch-fröhlich (und ziemlich betrunken) über das Daten in unserer Generation lästere. Hier:
Bei vielen hat das Video die Lust zum Mitdiskutieren geweckt. Oder auch die Lust, über mich herzuziehen.
Finde ich irgendwie verständlich, bin ja auch nur so eine Tante im Internet, die einem die Meinung aufzwingt. Darum mache ich das gleich nochmal, denn ich habe Erklärungsbedarf. Oder vielleicht nur ein grosses Ego, das sich rechtfertigen will, wer weiss. Hier eine Übersicht zu meinen Gedanken:
Den grössten Erklärungsbedarf habe ich bei meiner Aussage, dass viele kommunizieren, dass sie keine Beziehung wollen, dann aber trotzdem eine sehr intime Verbindung eingehen. Wenn sich dann die eine Partei verliebt, kommt man mit der Ausrede: «Ich habe dir ja gesagt, dass ich keine Beziehung will.»
Viele waren hier dieser Meinung:
Und ja, auch ich sehe diesen Punkt vollkommen. Schliesslich hat man Selbstverantwortung. Mir selbst ist das darum auch noch nie passiert, weil ich niemanden date, der keine Beziehung will. Das habe ich zu wenig klargemacht im Video.
ABER: Der springende Punkt ist, dass hier gesagt wird: «Ich möchte gerade keine Beziehung.» Das löst bei vielen die Hoffnung aus, dass sich dies noch ändern könnte. Wenn man doch nur toll genug ist und der anderen Person beweisen kann, dass man es wert ist, sich zu binden, dann wird das schon klappen.
Ist das eine gesunde Haltung? Nein, überhaupt nicht. Trotzdem ist es sehr menschlich, dass solche Hoffnungen aufkommen. Gerade wenn man jung ist und vielleicht noch keinen Master in Selbstliebe hat.
Zudem gibt es natürlich auch wirklich Fälle, in denen kommuniziert wurde, dass man keine Beziehung will, daraus dann aber trotzdem eine entstand. Beweisstück A:
Und auch das ist menschlich. Gefühle verändern sich, können wachsen oder auch weniger werden. Umso wichtiger ist es, dass hier beide Parteien immer wieder kommunizieren, wo sie gefühlsmässig stehen. Gerade wenn man sich entscheidet, keine Beziehung zu führen, aber trotzdem noch Sex zu haben.
Ich bleibe also bei meiner Meinung: «Ich habe dir ja gesagt, dass ich keine Beziehung will», ist eine billige Ausrede, wenn man mit seinen Taten diese Worte nicht unterstreicht. Also bitte keine Liebesbotschaften, kein Elternvorstellen oder sonstige Pärli-Routinen. Man kann nicht das Foifi und das Weggli haben. Wenn man keine Beziehung will und trotzdem Nähe möchte, muss das immer wieder kommuniziert werden. Lieber einmal mehr als zu wenig.
Ich glaube, noch nie habe ich mir in einem Video so viel Mühe gegeben – sogar mit voller Birne –, dass sich niemand direkt angegriffen fühlt. Ich habe im Video extra von «Menschen» und nicht von Männern gesprochen, wenn ich Anschuldigungen gemacht habe. Obwohl ich natürlich vor allem mit Männern solche Erfahrungen gemacht habe. Ich habe sogar Emily befohlen, noch den Satz reinzuschneiden: «Ich kann nur aus Frauensicht sprechen. Vielleicht sind Frauen genauso schlimm.»
Und trotzdem haben sich noch nie so viele Männer von mir angegriffen gefühlt wie in diesem Video.
Verstehe ich zum einen, weil wahrscheinlich auch durch die Blume klar wurde, dass ich vom männlichen Geschlecht rede. Aber wie gesagt, ich date halt nur Männer und ja, ich habe dabei schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht.
Ich habe aber mit keinem Satz erwähnt, dass Frauen das besser handeln. Darum geht es aber auch nicht. Ich wollte nicht sagen, Männer sind alle böse und Frauen sind Engel. Sondern, dass wir alle noch viel zu lernen haben, wenn es um Beziehungen geht, und dass wir alle etwas umsichtiger miteinander umgehen könnten beim Daten.
Apropos «böse Männer, nette Frauen»:
Ich glaube, wenn man mehrmals vom gleichen Geschlecht verletzt wird, ist es normal, dass man irgendwann eine gewisse Skepsis gegenüber diesem Geschlecht entwickelt. Bei mir waren das halt nun die Männer. Ich könnte dabei Geschichten von Typen erzählen, die auch meine männlichen Freunde als «unreife Vollidioten» bezeichnen. Ich glaub nicht, dass irgendjemand das lesen möchte. Oder soll ich Bloggerin werden? Ich könnte Emma Ohneamour heissen.
Anyway. Das Interessante dabei wird nun in diesem Kommentar erwähnt:
Ich bin völlig dieser Meinung!
Ja, ich muss mich fragen, wieso ich einem Mann fünf Jahre hinterherrenne. Ja, ich muss mich fragen, wieso ich mir immer wieder Männer aussuche, die mich verletzen. Glaubt mir, das tue ich zur Genüge! Aber nicht im betrunkenen Zustand in einem Videoformat, in dem es darum geht, sich zu beklagen. Dort bin ich nicht selbstreflektiert und will es auch nicht sein.
Ebenfalls einer der top gelikten Kommentare meinte, dass viele sich nicht binden, weil sie FOMO haben. Also Fear of missing out.
Definitiv wird durch Social Media und vor allem Dating-Plattformen das Gefühl gegeben, dass es immer noch jemand Besseres gibt. Ich möchte aber auf etwas anderes hinaus.
Ich bin tief und fest davon überzeugt, dass wenn man sich wirklich verliebt, es einem egal ist, ob es noch jemand Besseres gibt. Zumindest in der Anfangsphase. Wenn man verliebt ist, möchte man niemand Besseres, man möchte nur diese eine Person. Darum finde ich auch, dass in der Anfangsphase alles leicht miteinander sein sollte. Da es das aber oft nicht ist, frage ich mich: Waren so viele Menschen noch nie richtig verliebt?
Wahrscheinlich. Ich glaube, da gibt es verschiedene Arten von Menschen (Stichwort: Attachmentstyles): die, die sich zu schnell verlieben. Und Menschen, die sich gar nicht oder nur selten verlieben. Ich gehöre zur ersten Art. Und dabei treffen dann viele von der ersten Sorte mit denen der zweiten Sorte zusammen, und päng hat man den Salat.
Ein Kommentar, den ich en masse unter dem Video gelesen habe, war à la: «Ihr Frauen steht doch eh nur auf die attraktiven Arschlöcher. Normale Männer würden euch auf Händen tragen, aber die schaut ihr ja nicht einmal mit dem Hintern an.»
Das ist die einzige Aussage, für die ich gar kein Verständnis habe. Denn es ist schlicht und einfach nicht wahr.
Bevor ihr mir jetzt Studien um die Ohren haut, lasst mich ausreden: Frauen stehen nicht auf Arschlöcher. Sie stehen auf Eigenschaften, die Arschlöcher oft besitzen. «Normale» Männer können diese aber genauso haben.
Beispiel: Selbstbewusstsein.
Ja, Selbstbewusstsein ist sehr attraktiv. Und ja, Männer, die als attraktiv gelten, strahlen oft mehr Selbstbewusstsein aus. Das ist unfair, aber so ist die Welt nun mal. Aber deshalb zu behaupten, dass nur attraktive Männer selbstbewusst sind, ist falsch.
Selbstbewusstsein kommt nicht nur vom Aussehen. Sondern auch von den Skills, die man besitzt. So kann ein Mensch, der selbstreflektiert ist, weil er sich in einer Therapie mit sich selbst auseinandergesetzt hat, genauso oder attraktiver sein wie bzw. als ein Mensch, der einfach gut aussieht.
Jeder kann also selbstbewusster werden und sich weitere Attribute aneignen, die einen attraktiver machen. Sonst wären ja alle normalen Männer Singles, alle attraktiven Männer Arschlöcher und alle Frauen oberflächliche Tanten, bei denen nur das Aussehen eine Rolle spielt. Und das ist definitiv nicht so! Denn auch hässliche Männer können Arschlöcher sein, auch attraktive Männer können ein gutes Herz haben und mir persönlich wäre ein dummer Schönling nach dem ersten Gespräch zu langweilig. Das Aussehen bestimmt nicht den Charakter.
Doch wieso wird dieser Satz trotzdem so gern gesagt? Weil es eine Ausrede ist! Es ist viel einfacher, den anderen die Schuld zu geben und zu jammern: «Ich bekomme keine Frau ab, weil die alle auf Arschlöcher stehen und ich bin halt kein Arschloch», als bei sich noch einmal hinzuschauen und zu merken, dass man vielleicht selbst noch einiges an sich arbeiten kann.
Wenn du also ein Mann bist, der das Gefühl hat, dass Frauen dich einfach nicht mögen, weil sie auf Arschlöcher stehen, dann wird es Zeit, dass du dein angeknackstes Ego etwas genauer unter die Lupe nimmst. Du hast bestimmt vieles zu bieten und musst dafür auch kein Arsch sein!