Jede Generation entwickelt ihre eigene Form der sozialen Rebellion – oft verkörpert durch Musik. Die Stile haben sich gewandelt, aber etwas ist beständig: Musik ist nach wie vor ein Werkzeug, um gesellschaftliche Normen infrage zu stellen oder Veränderungen anzustossen.
Denn kaum ein anderes Medium kann mit unseren Emotionen so stark in Resonanz treten wie Musik: Sie regt zum Nachdenken an, verstärkt Gefühle, treibt uns zu Höchstleistungen, ruft Erinnerungen hervor, schafft neue und begleitet uns durch schwierige Zeiten.
In Musiktexten können wir uns wiederfinden und verstanden fühlen – das ist besonders wertvoll für Menschen mit psychischen Erkrankungen, die noch immer mit Stigmatisierung kämpfen.
Doch sensible Themen aufzugreifen, erfordert viel Fingerspitzengefühl. Der richtige Ton ist entscheidend – sowohl musikalisch als auch sprachlich.
Der Song «Anxiety» der Rapperin Doechii trifft beides nicht. Der Titel deutet zwar auf ein tiefgründiges Stück hin, doch das Ergebnis ist weit davon entfernt.
Der Refrain klingt wie ein Partysong. Er lädt zum Tanzen ein. Man kann ihn leicht mitträllern. Ja, er bleibt einem gar ein bisschen in den Ohren hängen.
Fröhliche, unbeschwerte Musik. Schnell geht vergessen, worum es eigentlich geht: Angststörungen.
Statt das Bewusstsein für das Thema zu schärfen, wird der Song durch die leichte Melodie eher trivialisiert und verliert die nötige Ernsthaftigkeit. Und das ist bedenklich.
Denn: Angststörungen sind eine der am weitesten verbreiteten psychischen Erkrankungen weltweit und können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen. In der Schweiz sind rund 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens davon betroffen. Die Thematik verdient es also, mit mehr Sensibilität und Tiefe behandelt zu werden.
«Anxiety» ist nur ein aktuelles Beispiel. Der Song reiht sich in eine Reihe von vielen ein, die es versäumen, Bewusstsein für mentale Gesundheit zu schaffen.
Problematisch ist «Anxiety» aber vor allem, weil er auf TikTok gerade durch die Decke geht. Menschen tanzen, summen die Lyrics «It's my anxiety» und tun dies mit einer Leichtigkeit, die dem ernsten Thema vollkommen widerspricht.
Der Inhalt des Songs ist in den sozialen Medien schon so stark in den Hintergrund geraten, dass es nun einen Tanztrend zu «Anxiety» gibt. Dabei wird eine ikonische Szene aus «Der Prinz von Bel-Air» von Will Smith nachgestellt.
@willsmith I’ve been watching y’all and every video has been better than the last!! Love that track @Doechii. @Tatyana Ali ♬ original sound - Franklin Saint
Das triggert mich – und zwar als Nichtbetroffene. Ich frage mich: Wie muss es sich anfühlen, wenn man unter Angststörungen leidet – und das Thema so leichtfertig weggetanzt behandelt wird?
Jeder geht anders damit um, daher würde ich nicht pauschal urteilen. Danke für den Tip, es wird in meine Playliste aufgenommen.
1.) So geht es vielen (eigentlich fast allen), mit der zunehmenden Anzahl Lebensjahren. Es geschehen Dinge, die einem zu denken geben, und zum Teil kommen sie von jüngeren Generationen. Bei Frau Stäubli ist dies der Anfang, andere sind da weiter fortgeschritten (im positiven wie im negativen).
2.) Man muss das, was da neu kommt (von welcher Generation ist unerheblich) nicht unbesehen gutheissen, sondern hinterfragen und für sich selber entscheiden, ob man mitmachen will oder nicht. Mit anderen Worten: man muss nicht alles gut finden und mitmachen.