Es ist wieder so weit. Die Temperaturen steigen auf 35 Grad. Im Grossraumbüro ringen Gfrörlis und Heissblüter um das Steuerelement der Klimaanlage. Und gewisse Stil-Aficionados um die Contenance. Denn je höher die Temperaturen steigen, desto zahlreicher werden Männer in kurzen Hosen. Und das ist ein Problem. Zum Beispiel für unseren ehemaligen Chefredaktor und Neo-CEO Mo. Aber hört doch selbst:
Auf der einen Seite des Kurzhosenkonflikts steht die Armee der Pragmatiker. Ihr Vergehen besteht darin, sich den situativen Gegebenheiten (hohe Temperatur) anzupassen (Montage von kurzen Hosen). Unveränderliche Prinzipien (stets lange Hosen tragen) lehnen sie ab. Dass damit eine gewisse Stillosigkeit einhergeht, nehmen Pragmatiker in Kauf. Stil ist nur eine von vielen Prioritäten – und sie steht beim Pragmatiker nicht zwingend zuoberst auf der Liste. Dort stehen andere Dinge. Zum Beispiel Komfort. Oder Sicherheit.
Wobei es (wie beim Stil) auch bei Sicherheitsfragen Exponenten gibt, die den Weg des Pragmatismus verlassen. Man erkennt diese Fanatiker an mindestens vier Katzenaugen pro Velorad und daran, dass sie ihre Leuchtweste(n) auch im Supermarkt weitertragen – inklusive Helm. Das natürlich absolut zu Recht. Andere Menschen mit Einkaufswagen bedeuten Gefahr. Wie schnell wird man übersehen – und so ein Wägeli seitlich in die Hüfte ... Da holt man sich schnell mal Rücken. Aber ich schweife ab.
Auf der anderen Seite der Kurzhosen-Konfliktlinie befinden sich die Stil-Aficionados. Sie passen sich den Gegebenheiten nicht situativ an. Stil hat immer oberste Priorität. Wie religiöse Gläubige halten sie an ihren Dogmen fest, koste es, was es wolle. Zum Beispiel einen kleinen Hitzestau oder stundenlanges Leiden. Hauptsache, die Hose geht über den Knöchel.
Wie unter den Ex-Rauchern und den Veganern sind die frisch konvertierten Stil-Aficionados die schlimmsten. Muezzin-like singen sie mehrere Male am Tag ungefragt die Leute an, um sie zu bekehren (oder ihnen ihre Frevelhaftigkeit unter die Nase zu reiben). Neues hört der Sünder dabei selten. Um die kurze Hose als Stilverbrechen zu erkennen, braucht es kein Studium in Mailand oder Paris. Trotzdem wird fleissig von der Kanzel doziert: «Kombiniere nie mehr als drei verschiedene Farben! Und dieser Wein hat im Fall eine Schokoladennote, oder Eichenfass.» Danke. Vielen lieben Dank. Führe mich zum Licht.
Trotzdem schwingt auch bei den Stil-Aficionados immer diese Überheblichkeit mit, die vielen Eingeweihten eigen ist. Die Frage ist nur: Ist sie in diesem Fall berechtigt?
Stil ist der Versuch, mit Äusserlichkeiten zu punkten. Dieser Wunsch ist legitim und in seiner Proaktivität eine durch und durch positive Geschichte – macht sie doch unsere Gesellschaft ansehnlicher.
Sobald dieses Unterfangen jedoch krampfhaft betrieben wird – eben nicht mehr pragmatisch –, umschleicht es den Mief von Unsicherheit. Diese gründet in der Angst vor dem Urteil anderer Menschen, fremder Menschen. Sie ist nicht proaktiv, sondern aus einer Verteidigungshaltung heraus geboren.
Berechtigt das nun zur Überheblichkeit? Bei allem Respekt vor der geballten Urteilskraft unserer Gesellschaft: Da höre ich doch lieber auf meine Drüsen.
Für mich gilt: Kurze Hosen ja ausser aus Hygiene / Sicherheitsgründen nicht möglich.
Was mich sehr stört:
Mann --> kurze Hose --> böse
Frau --> kurzer Rock --> gut
Und liebe „Stil-Aficionados“, seht die Sache doch positiv: Immer wenn ihr meine behaarten Beine seht könnt ihr euch wunderbar überlegen fühlen, ich habs dafür kühl und bequem und Energie wird auch noch gespart, alle gewinnen ;-)
Fazit, authentische Kurzhosenträger sind mir definitiv sympathischer als möchtegern chic Langhosenträger.