Im Januar geht für mich die Rekrutenschule los. Dort werde ich während fünf Monaten zur Infanteristin ausgebildet. Ihr wollt den Grund wissen, warum ich mir das freiwillig antun will? Ich erkläre es euch gerne.
Zuerst etwas vorweg: Das Schweizer Militär ist wichtig und sinnvoll. Es ergibt für mich Sinn, eine Armee zu haben, damit wir uns im Ernstfall verteidigen können (auch wenn dieser momentan sehr unwahrscheinlich scheint) und welche uns in Krisenzeiten unterstützt. Davon möchte ich gerne ein Teil sein.
Und nun zu meiner persönlichen Motivation: In den letzten Jahren sah ich immer mehr meiner männlichen Freunde einrücken. Oft haben sie mir vom Militär erzählt; wie anstrengend es doch sei, wie schlimm sie es fänden, wie sehr sie nicht gehen wollten.
Ich hingegen sah das Militär immer eher als grosse Herausforderung, an der man über sich hinauswachsen kann.
Ich habe mir immer gedacht: Das, was ihr könnt, das kann ich auch. Vielleicht sogar noch besser.
Kennst du diese Stimme im Kopf, die kommt und sagt: «Du kannst das nicht»? Dieser will ich beweisen, dass ich es eben doch kann. Und auch allen anderen, die mir sagen, ich werde «schon noch auf die Welt kommen». Ich weiss ganz genau, was mich erwartet. Ich will unbedingt «auf die Welt kommen».
In mir ist ein Wille, welcher mich dazu zwingt, immer wieder an meine Grenzen zu gehen. Ich versuche diese Grenze auch in meinem alltäglichen Leben regelmässig zu erreichen und zu überschreiten – deshalb treibe ich intensiv Sport und gehe Fallschirmspringen. Kurz vor einem Sprung denke ich, ich schaffe es nicht. Aber ich schaffe es dann doch. Das Selbstvertrauen, welches ich aus diesen Extremunternehmungen gewinne, hilft mir, auch in anderen Lebensbereichen weiterzukommen.
Es ist nicht einfach, etwas zu tun, was einen aus seiner Komfortzone bewegt. Es gehört viel Überwindung dazu. Die Komfortzone ist ein wirklich gemütlicher Platz, auch ich bin gerne dort – aber wer dort bleibt, kann sich unmöglich weiterentwickeln. Und ich will mich unbedingt weiterentwickeln – immer wieder, jeden Tag.
«Aber du kannst dir auch anderswo im Leben eine Herausforderung suchen», bekomme ich an dieser Stelle meist gesagt. Es geht ja eben nicht nur um irgendeine Herausforderung. Davon habe ich genug. Es geht um diese eine Herausforderung. Eine, die ich sonst nirgends bekomme. Das Nonplusultra eben.
Verstehst du? Ich will fühlen, wie es ist, am Ende zu sein. Ich will wissen, wie weit ich gehen kann, wenn ich nicht mehr kann. Ich will komplett an meine Grenzen stossen und über diese hinauswachsen. Ich will etwas machen MÜSSEN, weil ich mich dazu verpflichtet habe. Etwas, wovon es kein Zurück mehr gibt.
Und nun konkret: Ich will im gefrorenen Schlamm rumrobben. Ich will unter Schlafmangel leiden. Ich will 50 Kilometer laufen mit schwerem Gepäck und Schmerzen in den Beinen. Ich will kurz vor den Tränen stehen, diese dann wegwischen und weitermachen. Ich will hungrig, müde, wütend und erschöpft zugleich sein und trotzdem funktionieren müssen. Und nicht, weil ich es lustig finde. Sondern gerade weil es so schwierig ist und so viel von mir abverlangt.
Ob ich Angst habe? Und wie. Aber Angst war für mich noch nie ein Grund, etwas nicht zu tun. Das treibt mich nur noch mehr an.
Bin ich deswegen eine Masochistin? Kann sein. Aber genau deshalb will ich das Militär in einer Kampffunktion machen. Als eine Erfahrung, die mich weiterbringt und stärker macht. Die mich dazu bringt, alles zu geben. Eine, die mir hilft, meine Grenzen noch besser kennenzulernen. Und so auch mich selbst.