«So wie Gott mich schuf»: Gülsha Adilji posiert als Aktmodell
«Jenny, ich bin jetzt Kunst», sagt Gülsha Adilji im Podcast «Extrem Therapie» zu ihrer deutschen Kollegin Jenny Jennster. Der Grund für ihre Nobilitierung: Als Aktmodell liess die 40-jährige Moderatorin und Podcasterin in einem Aargauer Kunstatelier die Hüllen fallen – eine Woche nach ihrem Auftritt vor 10'000 Menschen im Hallenstadion.
«So wie Gott mich schuf, habe ich mich bei ziemlich grellem Licht in ein Atelier gelegt, gesetzt, gestellt – für sieben mir fremde Menschen stand ich da mit meinem ungebräunten, weissen Körper und habe mich zeichnen lassen», sagt Adilji.
Viel über sich selbst gelernt habe sie nicht, nur: «Dass es mir gar keine Probleme macht nackt vor Menschen zu stehen. Ich habe mich weder davor, während oder danach geschämt.»
«Eine Situation wie beim Gynäkologen»
Adilji und Jennster, beide Singles, beide Profis im Dating, beide ADHS-Betroffene, bezeichnen sich selbst als komplett «durchtherapiert». In ihrem Podcast versuchen sie sich regelmässig mit Besuchen von Tantra-Kursen und Meditations-Workshops aus der Komfortzone zu locken.
«Expositionstherapie» nennen die beiden das. Und man muss darüber schmunzeln, dass Gülsha als Vertreterin der Generation Z, aufgewachsen quasi bauchfrei und mit viel Britney Spears, für so einen Gang aus der Komfortzone ausgerechnet die akademische Aktmalerei erwählt hat. Da wird der anatomische Körper erforscht, in Sektionen unterteilt und in lauter geometrische Formen aufgelöst. Gülshas Fazit lautet denn auch nüchtern: «Es war eine Situation wie bei einem Gynäkologen oder in einer Sauna.» Nur das Halten der Posen habe ihr Mühe bereitet.
Aber ist das die ganze Wahrheit? Gülsha sagt nämlich auch diesen Satz, und der liest sich überhaupt nicht wie ein Akt der Befreiung: «Ich habe versucht, keinen Blickkontakt herzustellen, das wäre ‹weird› gewesen.» Und Kollegin Jennster pflichtet bei: «Ich würde die Blicke der Leute analysieren.»
Achtung, gefährlich: der Blick der Frau
Das Gespräch zwischen Gülsha und ihrer Co-Host Jennster verrät viel darüber, wie sich beim Akt Anatomiestudium und Erotik überlagern. Denn die Aktmalerei, die lange religiös, allegorisch oder mythologisch geframed werden musste, um nicht als anstössig zu gelten, provozierte in der Kunstgeschichte immer dann die grössten Skandale, wenn das Objekt den Betrachter direkt anblickte.
Man denke an Goyas «Nackte Maja» (1795), ein Werk, das eine liegende nackte Frau nicht nur ohne jegliche Venus-Bezüge zeigte, sondern durch den provokant-fordernden Blick der Frau die Zeitgenossen verstörte. Ebenso erging es Edouard Manets «Olympia» (1863). Das Gemälde, so verraten es Werkstitel und Bildsujet, stellte offenkundig eine Prostituierte dar.
Da haben Künstler also Jahrhunderte drauf hingearbeitet, den Körper echter, roher, authentischer und subjektiver malen zu dürfen, und dann kommen diese zwei Vertreterinnen der Generation Z und fragen plötzlich: «Warst du vorher noch beim Waxing?» und freuen sich über die auf Papier idealisierte Darstellung ihres Körpers, über den sie sich beim Blick in den Spiegel sonst ärgern würden.
Gustave Courbet und Egon Schiele, beide Künstler um kein Schamhaar verlegen, sie hätten sich vor Lachen gekrümmt.
Podcast «Extrem Therapie». Jeden zweiten Dienstag. Spotify.
(aargauerzeitung.ch)
