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Literatur

Carmen Mola: Die beste spanische Thriller-Autorin sind drei Männer

Überraschung: Die spanische Star-Autorin Carmen Mola sind in Wahrheit drei Männer

«Carmen Mola» ist in Spanien für ihre heftigen Crime-Romane bekannt geworden. Seit Freitagabend weiss man: Hinter dem literarischen Grosserfolg steckt nicht eine Frau, sondern drei Männer.
18.10.2021, 06:2118.10.2021, 06:53
Samuel Schumacher / ch media
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Die Debatten über Würde oder Unwürde des weitgehend unbekannten Literaturnobelpreisträgers Abdulrazak Gurnah sind kaum verstummt, da sorgt schon die nächste Literatur-Auszeichnung für Aufregung: Am späten Freitagabend verkündete die Jury des «Premio Planeta de Novela» - mit einem Preisgeld von einer Million Euro der höchstdotierte Buchpreis der Welt – in Barcelona die diesjährige Gewinnerin: Carmen Mola’s jüngster Thriller «La Bestia» sei das beste der 654 eingereichten Bücher, erklärte die Präsentatorin auf der Bühne vor dem rangelvollen Saal.

Wer versteckt sich hinter dem Pseudonym «Carmen Mola»? Am Freitagabend wurde das Geheimnis gelüftet.
Wer versteckt sich hinter dem Pseudonym «Carmen Mola»? Am Freitagabend wurde das Geheimnis gelüftet.bild:unsplash

Doch oh wunder: Statt der jungen Uni-Professorin, die man bislang hinter dem Pseudonym vermutet hatte, erhoben sich drei gesetzte Herren von ihren Plätzen und traten strahlend ins Rampenlicht. Carmen Mola, die spanische Erfolgsautorin, ist weder eine Frau noch wirklich jung, sie ist Jorge Díaz, Agustín Martínez und Antonio Mercero.

Seichte Spitalserien und Weltliteratur

Erschrockene Blicke auf der Bühne, Strahlenrunzeln in den maskenversperrten Gesichtern der Gewinner, Applaus für «Carmen Mola»: Diversität mal anders rum – und alles unter dem staunenden Blick von König Felipe, der der Preisverleihung persönlich beiwohnte.

Die drei Herren arbeiten seit Jahren als Drehbuchautoren für spanische Fernsehserien wie «Central Hospital», die die Alltagsdramen der Belegschaft eines fiktiven Madrider Spitals nachzeichnet. Kein Stoff, mit dem sich literarische Preise gewinnen lassen. Man kann verstehen, dass Díaz, Martínez und Mercero nebenher nach tieferen Themen schürften. Das noch nicht veröffentlichte Sieger-Buch «La Bestia» etwa befasst sich mit den brutalen Kindermorden während der Madrider Cholera-Pandemie 1834.

Nur: Darf man das, sich als männliches Dreier-Kollektiv hinter eine weibliche Fassade verstecken und als «Carmen Mola» die literarische Welt mit blutrünstigen Thrillern beliefern, die sich nicht selten um wilden Sex, harten Alkohol und die Kombination der beiden Dinge dreht? Ist das Täuschung? Oder nur die konsequente Umsetzung der alten Theorie, dass es schlicht egal ist, wer einen Text getippt hat, weil es sowieso die Lesenden sind, die ihn mit Bedeutung versehen? Der französische Philosoph Roland Barthes verkündete jedenfalls schon in den 1960er Jahren den «Tod des Autors».

Von solchen literaturtheoretischen Debatten liessen sich die drei «Planeta»-Gewinner nicht aufhalten. Sie seien einfach drei Freunde, die sich entschieden hätten, gemeinsam Bücher zu schreiben, sagte Jorge Díaz. Und weil es in der Literaturszene schwierig sei, als Team zu publizieren, hätten sie sich eben ein Decknamen verpasst.

Ihr Sieger-Buch erscheint im November – natürlich unter dem Pseudonym Carmen Mola.

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17 Kommentare
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thefred
18.10.2021 07:02registriert Juni 2016
Da haben die Herren die reverse Karte aus Uno gespielt. Das Buch wurde als das beste befunden und das sollte zählen, nicht das Geschlächt der Autoren. Sonst wäre es ja sexistisch
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Rundlauf
18.10.2021 09:35registriert Februar 2020
Andersrum: Hätten die drei Herren das Buch unter "Diaz, Martinez und Mercero" eingereicht, hätten sie den Preis im Jahr 2021 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gewonnen. Das Buch wurde ja gehyped, gerade weil man es cool fand, dass dieses Buch mit diesen Themen für einmal von einer Frau geschrieben wurde.

Die Gesellschaft einmal vorgeführt. Herrlich. Dieser Moment hatte vermutlich mehr emanzipatorische Kraft als so manche Pussyhat-Demo der letzten Jahre.
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Kapitän Haddock
18.10.2021 07:13registriert Oktober 2017
Ob man das darf? Haben Sie eine Ahnung, wieviele Autoren/Autorenduos/Gruppen sich hinter Pseudonymen verstecken? Ein altes Ehepaar mimt eine Autorin historischer Romane (Iny Lorentz) oder eine Weltbestellerautorin einen erst völlig unbekannten Krimischreiber (J.K.Rowling/Robert Galbraith), um nur zwei der bekannteren zu nennen. Das darf man also, das gibt es in allen möglichen geschlechtlichen und quantitativen Konstellationen und das ist in der Literatutszene gang und gäbe. Gerade bei Genrewechseln etc.
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