Als Brenda Lee am 5. Dezember erfährt, dass sie die Nummer eins der amerikanischen Billboard Charts ist, muss sie sich ein paar Tränen aus dem Gesicht wischen. Sie ist 78, mit 13 trat sie zum ersten Mal mit «Rockin’ Around the Christmas Tree» auf, es war damals noch kein Erfolg, jetzt, 65 Jahre später, verdrängt sie Mariah Carey und «All I Want for Christmas Is You» auf Platz zwei.
Es ist der grösste Erfolg der älteren Dame, die mit Country und Rock'n'Roll berühmt geworden ist. 2022 war die Reihenfolge zwischen ihr und Carey noch umgekehrt gewesen. Geschrieben hat den lüpfigen Weihnachtsklassiker Johnny Marks, ihm ist auch «Rudolph, the Red-Nosed Reindeer» zu verdanken.
Brenda Lee aus Atlanta, Georgia, steht auf der Bühne, seit sie drei Jahre alt ist, fünf Jahre später stirbt ihr Vater bei einem Unfall auf einer Baustelle, als Zehnjährige ist Brenda die alleinige Ernährerin ihrer ganzen Familie und ermöglicht später ihren Geschwistern gar ein Studium. «Ich habe meine Kindheit für meine Karriere aufgegeben», sagt sie.
Zu ihren vielen Hits gehören auch «Sweet Nothin's» oder die Balladen «All Alone Am I» und «I'm Sorry», aber auch einige Adaptionen von melancholischeren Edith-Piaf-Chansons. Ihre Stimme war ihren Jahren immer schon um Welten an Schmerz und Kratzigkeit voraus, wer den Teenager singen hörte, hielt sie für mindestens dreissig.
Oder wie ein Kritiker vor gut 50 Jahren schrieb: «Sie konnte phantastisch sein. Sie beschwor eine Drei-Uhr-morgens-Atmosphäre, Aschenbecher voller Kippen und Lippenstiftspuren an den Kaffeetassen, kleine stickige Zimmer, Verzweiflung.» Eine Stimme «wie schlechter Whisky».
Vor einem Monat drehte die 1,50 Meter kleine Sängerin mit der Whisky-Stimme ein neues Video, ein Ausschnitt davon geriet auf TikTok – der Rest ist eine Weihnachtsgeschichte.
(sme)