Sie gilt als die Mutter der Courtroom-Fashion. 2001 wird sie verhaftet, weil sie im New Yorker Luxuswarenhaus Saks Fifth Avenue Kleider gestohlen hat. Etwas von Gucci, etwas von Calvin Klein, aber vor allem ein Kleid von Marc Jacobs. Und was tut die ebenso reumütige wie geschäftstüchtige Schauspielerin? Sie trägt vor Gericht etwas Herziges, Mädchenhaftes, Unschuldsbetonendes von Marc Jacobs. Sie wird zu 480 Stunden Sozialdienst, einer Geldstrafe und diversen Entzügen und Therapien verurteilt. Trotzdem wird sie später das Werbegesicht von Marc Jacobs.
2005 wird die Rapperin wegen mehrfachen Meineids verurteilt. Leider hat ihr da auch ihr allerliebster, rosafarbiger «Legally Blonde»-Look vor Gericht nicht geholfen.
Supermodel Naomi Campbell hat in einem ihrer Wutanfälle für einen Zusammenprall ihres Handys mit dem Kopf ihrer Hausangestellten gesorgt und wird deswegen zu einer Woche Strassenreinigung in New York verurteilt. Den Prozess nutzt sie als Laufsteg. Sichtlich vergnügt beginnt sie ihn in schwarzem Leder und verlässt ihn nach drei Tagen in einem Abendkleid.
Im Januar 2007 wird Paris Hilton zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt. Und was tut sie? Rast wenig später ohne Fahrausweis durch L.A. und muss schon wieder vor Gericht. Sie trägt jetzt immer Schwarz und Grau. Gedämpft statt Vollgas. An ihrer Seite: der ungehaltene Vater. Das Urteil: Keine Reise nach Paris oder so, sondern 45 Tage Haft.
2009 bricht Paris einen Vertrag mit einem italienischen Lingerie-Label: Sie beantwortet einfach die Post des Labels nicht, dabei sollte sie Unterhosen- und BH-Entwürfe begutachten, gut, was soll daran auch interessant sein, man einigt sich in einem Vergleich. Paris trägt ein Kleid vor Gericht, das keinen Blick auf irgendeine Unterwäsche frei lässt, und Louboutins, den Schuh, dessen Sohle immerzu in Blut getränkt zu sein scheint.
2010 ist Kokain ihr Problem. Und dass sie unter dem Einfluss der Droge einen Polizeibeamten beleidigt hat. Sie entscheidet sich dafür, das Gericht mit einer gewissen Offenherzigkeit zu überrumpeln, es funktioniert zur Hälfte, das Urteil lautet 200 Stunden Sozialdienst, eine Geldstrafe und ein Jahr auf Bewährung.
Auffällig: Bei allen drei Prozessen entscheidet sie sich gegen farbigen Nagellack.
An Nicoles Füssen prangen: Louboutins! Auf ihren Nägeln: keine Farben! Dazu ein sehr elegantes, an Jackie Kennedy erinnerndes Kleid. Grund des Gangs vor Gericht: DUI, driving under the influence, natürlich, irgendwas mit «Drogen», auch für sie gibt's trotz abgehobener Superreichen-Aura den Dienst an den ganz gewöhnlichen Menschen und eine Geldbusse.
So macht man das, wenn man als ehemaliges «Sports Illustrated Swimsuit Edition»-Cover-Model einen Sorgerechtsstreit gewinnen will: Kein Make-up, kein Nagellack und ein biederes rosa Outfit samt Schlaufe und Puffärmeln, in dem man auch eine Bibelstunde abhalten könnte. Dazu ein herziges, selbstgebasteltes Spielzeug – und Christies Plan ging auf.
Der Fall ist ernst und Rihanna will ernst genommen werden, sie klagt ihren Ex-Freund Chris Brown wegen Körperverletzung an. Vor dem Richter trägt sie ein etwas omahaftes schwarzes Spitzenkleid mit Perlenschmuck. Und wie wir alle aus dem grossen Bedeutungslexikon der Edelmaterialien wissen, bedeuten Perlen nicht nur bürgerliche Establishment-Fantasien, sondern vor allem Tränen.
Ganz nach dem Vorbild von Winona Ryder versucht sich auch Lindsay Lohan als Ladendiebin und klaut eine Halskette. Und wird erwischt. Es ist nicht das erste Mal, dass sie vor Gericht erscheinen muss. Einmal waren die Drogen schuld. Ein anderes Mal, dass sie ihren Porsche zu Schrott fuhr. Die drei Fälle verwickeln sich zu einem fatalen Zopf, weil Lindsay es einfach nie schafft, alle Bewährungsauflagen einzuhalten. 2011 wählt sie vor Gericht klärendes Weiss. Es hilft nichts.
Weil sie ihren Sozialdienst in einem Frauenhaus entweder vergisst oder so lausig erfüllt, dass sie schliesslich rausgeschmissen wird, muss sie im Oktober wieder vor Gericht. Jetzt wird sie zu Sozialdienst in einem Leichenhaus verurteilt.
März 2012 ist ein guter Monat für Lindsay, endlich scheint sie ihr Wirrwarr im Griff zu haben und bedankt sich beim Richter für seine Fairness. Sie feiert in einem frühlingsfrischen Himmelblau und einem Anzug, der gehobene Seriosität suggeriert. Lindsays Optimismus erweist sich als leichtgläubig.
Denn immer bleibt irgendwas hängen, und der Schichtenlook in dem Lindsay 2013 wieder das Gericht betritt, ist so verwirrt wie sie und ihre Fälle selbst. Doch danach, wird ihr versprochen, soll wirklich, wirklich alles überstanden sein.
2006 hatte das Supermodel, dessen Motto lautete: «Ein Supermodel steht für weniger als 10'000 Dollar pro Tag gar nicht erst auf», eine Affäre mit dem französischen Milliardär François-Henri Pinault. Es wurde von ihm schwanger. Kurz darauf vereinigte er sich mit Salma Hayek, die immer noch seine Frau ist, und Linda Evangelista war eine alleinerziehende Mutter. 2012 kommt es zum Gerichtsfall, Evangelista verlangt 46'000 Dollar Unterhalt für ihren Sohn. Ihr Stil vor Gericht: absolut formidable Eleganz.
Bevor Kim Kardashian Kanye West, von dem sie ja bekanntlich auch längst wieder getrennt ist, heiraten kann, muss sie sich von NBA-Spieler Kris Humphries scheiden lassen. Im wahrscheinlich bravsten und irgendwie auch sinnlosesten Outfit ihrer Celebrity-Karriere. Als Accessoire gibt's Pressfuss.
Rapperin Cardi B schiesst den Spassvogel in dieser Liste definitiv ab. Sie liebt Mäntel. 2019 tritt sie in einem schwarzen Federmantel à la «Black Swan» auf – sie muss vor Gericht, weil sie in einem Strip-Club zwei Kellnerinnen mit Flaschen und Stühlen beworfen hat. Sie war halt überzeugt, dass ihr Mann Offset sie mit einer der Kellnerinnen betrogen hatte. Cardi B läutet auch definitiv eine neue Ära der ausgefahrenen Krallen vor Gericht ein.
2023 wird der Fall wieder aufgerollt, weil Cardi B unfähig ist, die 15 Tage Community Service, zu denen sie 2019 verurteilt worden ist, ohne Nachhilfe des Gerichts zu leisten. Sie gelobt Besserung. Jetzt in einem weissen Kunstpelz, einem hautengen weissen Strickkleid darunter und Louboutins, deren Sohlen mit ihren riesigen in blutrotem Nagellack getränkten Fingernägeln wetteifern. Ein Riesenspektakel inklusive Dior-Sonnenbrille.
Das Vorbild: ganz klar Sharon Stone in «Basic Instinct». Wobei dort ja das (nicht vorhandene) Drunter weit wichtiger war als das Darüber.
SIE hat uns die Betrachtungen über Mode vor Gericht eingebrockt, Gwyneth «Ich verkaufe sackteure Kerzen, die nach meiner Vagina riechen, und ernähre mich am liebsten durch Infusionen» Paltrow. Sie war ja mit einem Mann auf einer Skipiste für Superreiche zusammengestossen. Und der wollte einen Prozess. Doch alles, worüber die Leute, also die Medien, berichteten, war, was Gwyneth wieso angezogen hatte.
Denn Gwyneth trug weder Abendkleider noch Provokationen, sondern teure Bequemmode, die signalisierte: Ich schneie hier schnell von meinem Landsitz herein, wo ich gerade die Pferde gestriegelt / Golf gespielt / mit dem Wurzelgemüse geredet / den eigenen Champagner degustiert habe, und all das hier ist so dumm und bekümmert mich nicht im Geringsten, ihr seid alle Kretins, ich und mein Kaschmir sind uns darin ganz einig, und denkt nicht einmal daran, dass ihr euch meine zwar unauffälligen, schlichten, aber edlen Leibeshüllen leisten könntet.
Die Kalbsleder-Boots, die sie am 21., 23. und 28. März trägt, sind von Celine und kosten 1200 Dollar. Die goldenen Ketten, die sie an unterschiedlichen Tagen in unterschiedlichen Ausführungen trägt, kosten pro Stück um die 23'000 Dollar. Das schwarze Prada-Kaschmir-Oberteil zum Prada-Rock und den Prada-Stiefeln ist 2200 Dollar wert.
Die rosa Schluppenbluse vom 28. März stammt wie diverse andere Teile von Gwyneths eigenem Label Goop und macht 425 Dollar. Die Lederhose vom 28. März ist von Proenza Schouler und kostet 900 Dollar. Und dann ist da noch das blaue britische Notizheft von Portobello für 325 Dollar.
Gwyneth Paltrow strahlte während des Prozesses überlegenen, freundlichen Ennui aus. Ihre Kleider machten keinen Lärm. Sie erstickten ihn in Wollstoffen und zwangen dem Ganzen eine eingeschüchterte Stille auf. Es war ihr Vorteil.