Ach, Neuseeland. Ein Land, das man einfach für seine Filme lieben muss. Dabei rede ich aber nicht von den grossen Hollywood-Produktionen, die zwecks Steuervergünstigungen dort gedreht werden. Es sind die kleinen Filme, welche tatsächlich (mehrheitlich) aus Neuseeland stammen, die man einfach lieben muss.
Nebst wundervollen Dramen wie «Whale Rider» oder «Wo die wilden Menschen jagen» scheint Neuseeland aber auch ein Herz für schräge Filme zu haben. Ein Film über Aliens, die uns Menschen für die Fast-Food-Produktion schlachten wollen? Sicher! Hier habt ihr «Bad Taste». Ein Film über böse Schafe, bei deren Biss man zu einem Werschaf mutiert? Bitte sehr: «Black Sheep». Ein Film über eine WG aus Vampiren? Wieso nicht: «5 Zimmer Küche Sarg».
In Neuseeland sind Filme möglich, bei denen einen die Studiobosse Hollywoods nach der Hälfte des Pitchs aus dem Sitzungszimmer komplimentieren würden. (Ausser, man heisst Robert Rodriguez).
Nun, 2020 scheint es wieder einmal an der Zeit für den nächsten neuseeländischen Film, bei dem man sich denkt: Was zur Hölle soll das bitte?! Die Kurzfassung: Daniel Radcliffe wird an jede Hand eine Pistole geschraubt. Dann muss er in einem tödlichen Real-Life-Game gegen die Spielerin Nix antreten.
Überrascht es, dass ausgerechnet Daniel Radcliffe in diesem total absurd wirkenden Streifen mitspielt? Nicht wirklich. Für den Briten ist es schon fast ein Hobby, sich möglichst absurde ungewöhnliche Rollen herauszupicken. So spielte er in «Horns» einen Typen, dem plötzlich zwei Teufelshörner wachsen. In «Swiss Army Man» wiederum mimte er eine furzende Leiche, was tatsächlich weniger bescheuert ist, als es klingt. Unvergesslich ist auch seine Rolle als junger Arzt in «A Young Doctor's Notebook».
Aber ein Typ, der mit zwei Pistolenhänden um sein Leben kämpfen muss? Das scheint selbst für Radcliffe ein neues Level der Absurdität zu sein – und vermutlich für viele Kinogänger zu viel des Guten. Lässt man sich aber auf den Film ein, merkt man schnell, dass er nicht mal so absurd ist, wie es einen dünkt.
Die Prämisse von «Guns Akimbo» ist nämlich gar nicht so neu: In einer Welt, die sich nach immer neuen Adrenalinkicks sehnt, kämpfen Psychopathen, Verbrecher und Irre in tödlichen Duellen gegeneinander. Unter dem Namen «Skizm» wird alles live im Netz übertragen – und natürlich finden es die Leute trotz der exzessiven Gewalt mega geil.
Das klingt im ersten Moment nach einer Moralpredigt à la: Wir zeigen euch jetzt, wie sehr der heutige Medienkonsum uns abstumpft. Ja, diese Botschaft ist im Film durchaus enthalten, ist bei der Geschichte aber auch schwer wegzulassen. Aber darauf herumgeritten wird nicht, da es schlicht unnötig ist.
Heutzutage dürfte es wohl niemanden mehr überraschen, zu was Menschen fähig sind, wenn es um Unterhaltung geht. Bereits 2016 gab es mit «Nerve» sogar einen Film mit sehr ähnlichem Konzept, auch wenn dieser – im Gegensatz zu «Guns Akimbo» – um einiges familientauglicher ist.
Da hat uns die Netflix-Serie «Black Mirror» schon um einiges mehr geschockt, als sie diese Thematik aufgegriffen hat. Gleich mit der allerersten Folge «Der Wille des Volkes» führte uns die Serie 2011 vor Augen, wozu unsere Mediengeilheit führen kann. Später bauten die Episoden «Böse neue Welt» und «Black Museum» dieses Thema sogar noch weiter aus.
Schaut man sich den Film an, kriegt man schnell den Eindruck, dass hier einfach ein paar kreative Köpfe einen möglichst coolen Streifen abliefern wollten. Das ist ihnen mehrheitlich gelungen. Visuell ist der Film klasse: Tolle Farben, toller Schnitt und auch die Musik in Form von Covern klassischer Hits ist meist sehr gelungen. Einzig die Kameraführung ist stellenweise etwas gar experimentell, was mit der Zeit ein bisschen nervt.
Es gibt aber auch Momente, in denen der Film überladen wirkt. Da kommen dann stilistische Elemente vor, die so überhaupt nicht zum Rest passen wollen. Man hat fast den Eindruck, als wären gewisse kreative Entscheide gefällt worden, weil es eben cool aussieht, und nicht, weil es erzählerisch Sinn ergibt. Da hätte man etwas konsequenter sein müssen.
Beim Schauspiel ist ganz klar Daniel Radcliffe derjenige, der allen die Show stiehlt. Keine Ahnung, wie er sich darauf vorbereitet hat, jemanden zu spielen, der eines Tages aufwacht und feststellt, dass Pistolen an seine Hände geschraubt wurden. Wie reagiert man in so einer absolut surrealen Situation? Radcliffe hat eine glaubhafte Antwort darauf.
Überhaupt ist sein ganzes Spiel ein wahrer Genuss und man sieht dem Briten an, wie viel Spass er an seiner Rolle hat. Oft sind es dabei die kleinen Momente, beispielsweise als er versucht, mit seinen Pistolenhänden die Tür zu öffnen, die am lustigsten sind. Ihm gegenüber steht Samara Weaving als Nix. Die ist zwar eine regelrechte Kampfmaschine, bleibt aber bis auf ein paar markige Sprüche eher farblos.
Der Versuch, ihr eine tragische Hintergrundgeschichte zu verpassen, um ihre Handlungen nachvollziehbar zu machen, misslingt. So bleibt Nix eine distanzierte Figur, zu der man keine emotionale Beziehung aufbauen kann.
Auch sonst kommt der Film inhaltlich nicht über das Mittelmass hinaus. Zwar beginnt die Story wirklich gut, baut dann aber nach dem ersten Drittel merklich ab. Vor dem dritten Akt folgt dann ein grosses Logikloch, was dazu führt, dass der Showdown dann eigentlich für nichts ist. Klar, über sowas kann man hinwegschauen, wer aber einen gewissen Wert auf Logik legt, wird hier grosse Mühe haben. Schliesslich folgt dann nur noch Fanservice mit möglichst krasser Action und schwarzem Humor. Das ist zwar gut gemeint, in der Praxis aber zu langatmig.
«Guns Akimbo» hätte richtig guter Trash werden können, hätte das Potenzial für einen abgedrehten Kultfilm gehabt. Leider reicht es dafür unter dem Strich nicht. Da schaut man sich lieber noch einmal «Kick Ass» an.
«Guns Akimbo» läuft am 25. Juni in den Schweizer Kinos an.
Der sollte eigentlich in ch-kinos laufen, wurde dann aber aus dem programm genommen vor dem release. Da ich ihn unbedingt sehen wollte nach dem trailer, hab ich die dvd gekauft. Zum glück, er ist genial