Für alle Kulturkämpfer gleich zum Anfang der Spoiler: Ja, das Wort «Indianer» kommt vor, und nein, vermutlich wird sich niemand gross darüber aufregen, weil Michael «Bully» Herbig damit nicht auf Konfrontation geht, sondern diese vielmehr vermeiden will. Sobald eine Figur im neuen Film «Das Kanu des Manitu» den Apachen-Häuptling Abahachi (Herbig) als «Indianer» bezeichnet, sagt dieser auf Bayerisch: «Sag bitte ned Indianer.»
Es ist 24 Jahre her, seit Herbigs Komödie «Der Schuh des Manitu» (2001) weite Teile des deutschsprachigen Raums in Gepruste versetzte. Über 11,7 Millionen Zuschauer sahen den Film im Kino, kein deutscher Film war seither erfolgreicher. Herbig parodierte darin recht schamlos die alten «Winnetou»-Filme der Sechzigerjahre; ständig furzt irgendjemand oder kriegt einen Schlag zwischen die Beine. Pierre Brice, der in den alten Filmen den edlen Winnetou gespielt hatte, warf Herbig kurz nach Erscheinen von «Der Schuh des Manitu» mangelnden Respekt vor.
Inzwischen ist Brice verstorben und die Gesellschaft einige Diskussionsrunden älter. Seit Donald Trumps zweiter Amtszeit und dem mehrfach ausgerufenen «Ende der Wokeness» riecht die Erinnerung daran zwar nach Fiebertraum, aber es gab im Sommer vor drei Jahren tatsächlich kein heisseres Thema als das Konzept der kulturellen Aneignung.
Diskutiert wurde anhand eines Konzertabbruchs in der Berner Brasserie Lorraine – vor allem aber anhand eines im August 2022 neu erschienenen «Winnetou»-Kinderfilms. Der Ravensburger Verlag hatte Begleitbücher zum Film veröffentlicht, zog diese jedoch wieder zurück, nachdem einige Kommentatoren auf Social Media beklagt hatten, die Bücher transportierten rassistische Stereotype.
Reflexartig skandalisierte die deutsche «Bild»-Zeitung den Fall, und wenig später stellten manche besorgt die Frage, ob man als Europäer überhaupt noch Sushi essen dürfe. Vor diesem Hintergrund fragte der Journalist Giovanni di Lorenzo den Filmemacher Herbig im Spätsommer 2022, ob er denn «Der Schuh des Manitu» nochmals «so» machen würde. Herbig verneinte und erklärte: «Die Comedy-Polizei ist so streng geworden.» Wer genau die «Comedy-Polizei» sei oder was konkret er anders machen würde, verriet Herbig damals nicht.
Die Frage nach der Comedy-Polizei ist bis heute ungeklärt geblieben. Aber immerhin die Frage nach einer zeitgemässen Version seiner Rekordkomödie beantwortet Herbig jetzt in «Das Kanu des Manitu».
Seine Entscheidung, «Das Kanu des Manitu» zu drehen, begründet Herbig im zugehörigen Presseheft mit Trotz. Wenn er Filme mache, suche er dafür immer «nach einem guten Grund», der für eine Fortsetzung von «Der Schuh des Manitu» schlicht lange gefehlt habe. Bis zur «Winnetou»-Debatte von 2022: «Den Film aber genau dann zu drehen, wenn einige Leute meinen, dass man ihn nicht mehr drehen darf – das hat mich unheimlich gereizt.»
In Wahrheit ist es eher wenig sinnvoll, «Der Schuh des Manitu» oder nun die Fortsetzung auf die Frage der kulturellen Aneignung hin abzuklopfen. Herbig parodiert Kitschfilme der Sechzigerjahre, die sich auf die «Winnetou»-Bücher Karl Mays stützen, der seinerseits den Wilden Westen nie bereist hat. Trotzdem erscheint Herbigs «guter Grund», den neuen Film zu drehen, als Kulturkampfdrohung – oder zumindest als sehr bewusste Provokation. Aber, wie eingangs gespoilert: Es bleibt bei der Drohung.
«Das Kanu des Manitu» ist hauptsächlich eines: schwer beladen von Nostalgie. Herbig, der hier erneut Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller ist, bietet die aus dem Original bekannten Figuren auf und schickt sie auf ein Abenteuer, das genauso wenig der Rede wert ist wie jenes in «Der Schuh des Manitu».
Der Apache Abahachi und sein weisser Blutsbruder Ranger (Christian Tramitz) sind gealtert, aber reiten noch immer unermüdlich durch die Prärie, geraten in Hinterhalte, treffen auf alte Freunde, alte Feinde, und reissen dabei meist Witze, die auf Witze des Originalfilms referieren. Ansonsten darf gelacht werden über einen Sheriff-Assistenten, der Sächsisch spricht (Rick Kavanian), über einen mit lautem Plätschern pinkelnden Esel oder über eine Bohnensuppe, die Blähungen auslöst.
Das heisse Eisen der Wokeness umschifft «Das Kanu des Manitu» mit den «Indianer»-Sprüchen und einer bemerkenswert ernsthaften Schlussszene, für die Herbig amerikanische Indigene gecastet hat. Damit zeigt sich die wohl am sehnlichsten erwartete Fortsetzung des Kinosommers weder als sonderlich provokanter oder pointierter Debattenbeitrag – noch als speziell clevere Komödie. Dafür als die Art von harmlosem Klamauk, für den Fans Herbig schätzen. Wofür glücklicherweise niemand die Comedy-Polizei zu informieren braucht.
«Das Kanu des Manitu» läuft ab dem 14. August in den Schweizer Kinos.
Er gibt einfach einen Fi** auf die überbordende cancel culture und zieht sein Ding durch und ich finds grossartig.