Der gefährlichste Stunt? Der sei definitiv die Liebe, sagt Ryan Gosling im Lauf Dutzender von Interviews auf der grossen «The Fall Guy»-PR-Tour. Und bleibt so ernst dabei, wie das nur ein Schauspieler kann. Emily Blunt, die krispe Britin, platzt neben ihm vor Lachen.
Gosling war Ken, der nur «Beach» konnte. Blunt war die betrunkene Kitty Oppenheimer, Gattin des Atombomben-Erfinders. Damals, im grossen «Barbenheimer»-Sommer von 2023. Beide waren damit für Oscars nominiert. Beide haben keinen gewonnen. Aber die Herzen des Publikums. Und was für ein Casting-Geniestreich, die beiden Nummer zwei zu den Hauptfiguren von «The Fall Guy» zu machen, der romantischen Action-Komödie von Mike Leitch.
Gosling und Blunt sind zwei, die sich miteinander wohl fühlen. Absolut wohl. Die gemeinsamen Interviews der beiden zu «The Fall Guy» sind ein Riesenvergnügen. Ihre Nummer neulich bei «Saturday Night Live», als sie sich gegenseitig ihren kalten Entzug von «Barbenheimer» gestanden, war zum Heulen komisch. Ein minutiöses Meisterwerklein der gut getimten Sticheleien und kleinen, wirkungsvollen Gesten.
«Banter» nennt Blunt das, «Geplänkel», zuhause in England, sagt sie, sei man tagein, tagaus damit beschäftigt, einander mehr oder weniger liebevoll zu beleidigen, sie macht das mit Gosling unentwegt und er nimmt es wie ein Märtyrer-Schaf und nennt sie liebevoll «Stunty Blunty».
Genau so funktioniert auch die Beziehung der beiden in «The Fall Guy». Sie ist Jody Moreno, erst Kamerafrau bei Actionfilmen, dann Regisseurin einer grotesk enthirnten Romanze zwischen einem Menschenmann und einer Alienfrau. Er ist Colt Seavers, der beste Stuntman des eingebildetsten Arschlochs von Hollywood (Aaron Taylor-Johnson, es ist fatal, wie gut er in diese Rolle passt, und hier noch einmal das verzweifelte Stossgebet, dass er WIRKLICH NICHT der nächste Bond werden soll!).
THE FALL GUY premiere at the Dolby Theatre in Hollywood: one of the movie’s stunt performers, a parkour master, makes his introduction, wowing the crowd. pic.twitter.com/egOuFMU0pj
— Borys Kit (@Borys_Kit) May 1, 2024
Nach einem schweren Un-Fall (in «The Fall Guy» ist alles überaus wörtlich zu nehmen, zu viel meta würde wohl den Action-Reichtum behindern), einem ungebremsten Sturz in die Tiefe, zieht sich Colt vom Business und von Jody zurück und leckt Wunden. Bis er von einer übertrieben durchtriebenen Produzentin (die sehr verehrte Hannah Waddingham kann da unter ihrem Horror-Make-up leider keinen Charme entwickeln) ans Set von Jodys Ausserirdischem-Brunz gerufen wird. Jody hat eine sadistische Scheissfreude, ihn wieder und wieder in schmerzhafte Stunts zu schicken, ihn anzuzünden und sich in Autos überschlagen zu lassen. Er heult zu Taylor Swifts «All Too Well», denn natürlich erinnert er sich nur allzu gut an seine Schwäche für Jody.
Ryan Goslings Karriere wurde von Anfang an, also seit der neuseeländischen Teenie-Serie «Young Hercules», von Stunt-Männern unterstützt, und auch Emily Blunt hätte ohne ihre Stunt-Frauen weder die Western-Serie «The English» noch «Mary Poppins» noch ihre Horror- und Abenteuer-Filme drehen können. Stunt-Leute, sagen die beiden auf ihrer Tour und sagten sie auch bei einem gemeinsamen Auftritt an den Oscars (den übrigens Gosling geschrieben hatte), seien unverzichtbar für die Hollywood-Magie, für Zauber, Verblüffung und Verstörung des Publikums, für so vieles, was uns im Kino über die Banalität des Alltags hinauskatapultiert.
Leitch, Gosling und Blunt wollen mit «The Fall Guy» allen Stunt-Leuten in Hollywood eine ganz grosse Liebeserklärung abliefern, jenen Menschen also, die ihre Gesundheit dafür riskieren, die grossen Stars gut aussehen zu lassen. Sie sind damit nicht die Ersten, «Death Proof» war Tarantinos rasende Hommage an die Stunt-Frau Zoë Bell, ohne die Uma Thurman in «Kill Bill» niemals zu Ruhm gekommen wäre. Und Brad Pitt spielt in Tarantinos «Once Upon a Time in Hollywood» das angejahrte Stunt-Double von Leonardo DiCaprio.
Doch so liebevoll und didaktisch erhellend in seinen technischen Details wie in «The Fall Guy» hat man das Stunt-Handwerk tatsächlich noch nie behandelt gesehen. Jedenfalls nicht in einem fiktionalen Film. Und die Freude von Leitch, Gosling und Blunt, dass es Goslings Stuntman Logan Holladay beim Dreh gelungen ist, den Guiness-Book-Rekord in Auto-Überschlägen zu brechen, die Heldensaga, die sie daraus basteln, ist rührend. Sie passt in das Klima einer neuen Wertschätzung von jenen, die auf der Leinwand kein Gesicht haben, sondern bloss ein Name im Abspann sind. Der grosse Hollywoodstreik hatte viel Gutes.
Natürlich geht es in «The Fall Guy» nicht nur um die coole, herzzerreissende, hochkomische Geschichte von Jody (die übrigens die betrunkenste Karaoke-Nummer ever liefert) und Colt, deren «Banter» an alte Screwball-Comedys erinnert. Logisch, dass da noch eine ganze Armee an Explosionen, Verfolgungsjagden, Martial-Arts-Kämpfen und ausgemacht bösen Bösewichten aufgefahren wird. Grauenhaft oft ist Colt da das Schaf, das einstecken muss. Zum Glück ist er aber auch ein ziemlich schlaues Schaf.
Doch um das dann so richtig zu schätzen, braucht es ganz klar bessere Action-Fans und -Kenner als eure Frau Meier. Vielleicht das Inventar der aktuellen «Bachelorette»? Die stehen doch alle immerzu auf «äggschnriich».
«The Fall Guy» läuft jetzt im Kino.
Wir hatten das als Kinder immer in der Spielgruppe nachgespielt, indem wir von überall runter sprangen, rum rollten und Kämpfe inszenierten. Und hatten unsere Betreuerin damit zur Weissglut getrieben (sorry Frau Gerber).
Ab ins Kino!
(ist's möglich, dass Frau Meier kennt die legendäre Serie nicht kennt...?)