Donald Trump nannte Meryl Streep auf seinem unnachahmlich impulsunkontrollierten Twitterkanal «eine der überschätztesten Schauspielerinnen Hollywoods». Jetzt rächt sich Streep. Indem sie genüsslich eine weibliche Trump-Kopie namens Janie Orlean spielt. Wobei diese Kopie enorm viel besser aussieht als das Original, das beginnt schon bei den Haaren.
«Don't Look Up!» ist Orleans Midterm-Wahlkampfslogan. Denn oben ist das, was Angst macht. Ein Komet mit einem Durchmesser bis zu 10 Kilometern und einer Einschlagkraft von 30 Hiroshima-Bomben. Der Komet rast stur auf die Erde zu, das haben eine Doktorandin der Astronomie (Jennifer Lawrence) und ihr Professor (Leonardo DiCaprio) entdeckt, die beiden sind topseriöse Science-Nerds und so trocken, dass ihre schiere Anwesenheit Cola in Staub verwandeln könnte. Normalerweise jedenfalls.
Doch unter dem Druck ihrer Erkenntnis rastet Kate Dibiasky (Lawrence) aus – und ihr hässiger Ausbruch verwandelt sich im Nu in eine Milchstrasse aus Memes. Während Randall Mindy (DiCaprio) zum populären Erklärbär im Fernsehen wird. Die beiden werden zu medialen Übermenschen verzerrt. Dibiasky im Stil einer Greta Thunberg. Mindy dagegen ist Drosten, Koch, Fauci, Lauterbach und alle anderen Warn-Gurus, die wir in den letzten zwei Jahren kennen gelernt haben, in Personalunion.
Jonah Hill definiert derweil den Begriff Muttersöhnchen neu, Cate Blanchett spielt die exzentrischste aller TV-Moderatorinnen, und Timothée Chalamet ist ein sexy verschlumpfter Skaterboy. Es ist ein Erntedankfest der Superstars, auch bekannt als Oscar-Season, und alles ist ein Wahnsinn.
Denn allmählich verwandelt sich das Desinteresse der Erdlinge am Himmelsgeschoss in Endzeithysterie. Und wer Macht oder Geld hat, versucht, den Kometen für sich zu instrumentalisieren. Ein Tech-Milliardär (war Mark Rylance schon mal derart anbetungswürdig genial? Unmöglich!) – eine Kreuzung aus Gates, Jobs und Musk – will ihn in handliche Meteoriten sprengen lassen. Orlean will ihr Land mit einem Krieg gegen den toten Stern zu neuer Grösse aufblasen, andere Länder wollen das auch. Die Klimajugend lässt unterdessen Ariana Grande schön gegen das drohende Unheil ansingen. Die Zeit zerrinnt. Immer mehr Einzelinteressen bedrohen die Rettung der Welt. Alle denken zuerst an sich.
Kennen wir das? Kann man den Kometen genauso direkt durch Corona ersetzen wie Streep durch Trump? Annähernd, ja. Sagen wir so: Der Mann hinter der Weltuntergangskomödie ist Oscargewinner Adam McKay («Ant-Man», «The Big Short», «Vice») und kein sensibler Hinterdemberghalter, und auch sein Co-Drehbuchautor, der Politkommentator David Sirota, ist es sich gewohnt, als Redenschreiber von Bernie Sanders eher plakativ in Wunden herumzustochern.
Es ist ein bisschen, als hätten Jacqueline Badran und unser Philipp Löpfe jahrelang vor uns geheim gehalten, dass sie neben ihren Jobs auch noch sehr witzige Drehbücher schreiben könnten. «Don't Look Up» ist eine deftige Satire – bis er es nicht mehr ist. Dann wird der Film unerwartet zart. Worauf kann man noch hoffen, wenn es weder Hoffnung noch Zukunft zu geben scheint?
Im Gegensatz zum ersten grossen Oscar-Vehikel von Netflix, «The Power of the Dog», das sich Bild für Bild auf die grosse Kinoleinwand pinselt, kann man sich «Don't Look Up» gut zuhause anschauen. MacKay ist eher der Dialog- als der Bildkünstler. Andererseits ist «Don't Look Up» ausgezeichnetes Popcornkino, ein Film, dessen Team beim Dreh sichtbar Spass hatte, ein Film, der im Kino für viel kollektiv wohltuendes Gelächter sorgen wird, und das kann man in diesem Winter wirklich gebrauchen.
«Don't Look Up» läuft ab dem 9. Dezember im Kino und ab dem 24. Dezember auf Netflix.