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Viktor Giacobbo und Mike Müller im Interview

Viktor Giacobbo (links) und Mike Müller in ihrer Homebase, dem Casinotheater Winterthur.
Viktor Giacobbo (links) und Mike Müller in ihrer Homebase, dem Casinotheater Winterthur.Bild: Severin Bigler/CH Media
Interview

Viktor Giacobbo und Mike Müller: «Das Fedpol soll Gerhard Pfister in Schutzhaft nehmen»

Das älteste Satirikergespann der Schweiz erzählt, warum es mit dem Circus Knie auf Tournee geht, wie es Büssis Late-Night-Show findet und warum man nie so enden will wie Stefan Raab und Thomas Gottschalk.
09.02.2025, 17:0009.02.2025, 17:02
Julia Stephan / ch media
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«Ein Zirkus im Aufbau ist nichts Schönes», hatte Mike Müller mich gewarnt. Also treffen wir die beiden nicht vor dem Kinderzoo in Rapperswil, wo das Zelt des Schweizer Nationalzirkus für den Tourneestart am 7. März errichtet wird, sondern in der Homebase der beiden Alt-Satiriker, dem Casinotheater Winterthur. Dort gebärden sich die zwei erst einmal wie ein Ehepaar, das den Scheidungstermin um Jahrzehnte verpasst hat.

Mike Müller und Viktor Giacobbo, war das zwischen Ihnen schon immer so kompliziert?

Viktor Giacobbo: Mike ist schon extrem schwierig geworden.

Treten Sie im Zirkus deshalb nur noch an ausgewählten Orten gemeinsam auf? Oder hat der 72-jährige Viktor Giacobbo einfach keine Lust mehr zu touren?

Giacobbo: Da liegen Sie gar nicht so falsch. Seit einigen Jahren mache ich nur noch, worauf ich Lust habe. Natürlich wollte Géraldine Knie, dass wir beide die ganze Tournee bestreiten, so wie wir das 2019 getan haben. Doch ich trete 2025 auch noch in einer Theaterinszenierung im Casinotheater auf. Also fanden wir einen Kompromiss: Ich komme zu den Zirkusshows nach Zürich, Bern und Luzern.

Werden Sie Ihre alten Figuren wieder ins Rampenlicht holen?

Mike Müller: Bauer Wermelinger kommt sicher vor, aber ich spiele auch weniger bekannte. Wichtig ist, dass die Figuren nicht zu fein sind. Zirkus ist wie ein ultimativer Sketch, alles muss farbig und kräftig sein. Nach zwanzig Sekunden müssen die Menschen wissen, wo es langgeht.

Giacobbo: Man muss sich bewusst sein: Wir spielen da nicht für eine Bubble, die Menschen sind nicht ausschliesslich wegen uns hier. Manche wissen nicht einmal, wer wir sind.

Viele schon fast vergessene ältere Herren aus dem Unterhaltungsfach – man denke an Thomas Gottschalk oder an Stefan Raab – machen mit Büchern und Comebacks von sich reden und beklagen den Verlust des goldenen Zeitalters der Unterhaltung. Warum braucht es noch einen Mike Müller und einen Viktor Giacobbo?

Müller: Gottschalk redet gerne über eine Zeit, in der er jung und voll im Saft war, wir hingegen haben ja gar nie aufgehört zu arbeiten und bewegen uns ganz in der Gegenwart. Dieser sentimentale Rückblick von Menschen, die nicht mehr an der Spitze des Showbusiness stehen, ist nicht unser Ding.

«Wir bewegen uns ganz in der Gegenwart» sagt Mike Müller (rechts) über sich und seinen Comedypartner Viktor Giacobbo (links) im Interview.
«Wir bewegen uns ganz in der Gegenwart» sagt Mike Müller (rechts) über sich und seinen Comedypartner Viktor Giacobbo (links) im Interview.Bild: Severin Bigler/CH Media

Ein Buch wie «Giacobbo/Müller – wie sie den Schweizer Humor revolutionierten» wird es also nicht geben?

Giacobbo: Nein, dass wir uneitel sind, sieht man ja daran, dass wir viele Promi-Veranstaltungen mit rotem Teppich und irgendwelche Awardverleihungen meiden.

Müller: Es gibt diese alten Frustrierten. Die erzählen, was man alles nicht mehr darf und erzählen dir dann die gleichen Witze wie vor vierzig Jahren. Das sollen sie meinetwegen tun. Es ist einfach keine gute Idee, die gleichen Witze wie vor vierzig Jahren zu erzählen. Nicht, weil sie nicht woke genug sind, sondern weil die Leute sie schon kennen.

Giacobbo: Ich spiele ja auch einige Figuren nicht mehr, weil sie weder mich noch viele andere mehr interessieren. In der Zeit, in der sie auftraten, hat es gestimmt, heute nicht mehr.

Sie meinen Ihren Inder Rajiv?

Giacobbo: Nein, ich meine Ueli Maurer! Aber auch Rajiv, dieser gewitzte Crook, der die Schweizer reinlegt, hat ausgespielt. Ich spiele auch weniger Frauenrollen, das macht Mike jetzt für mich.

Müller: Aber nur noch privat.

Ueli Maurer habe als Figur ausgedient, sagt Viktor Giacobbo.Video: YouTube/SRF Comedy

Darf man solche Sachen nur noch privat tun? Eine traurige Entwicklung.

Müller: Scherz beiseite: Ich finde es extrem wichtig, dass man nur das auf die Bühne bringt, was in der Luft liegt. In meinem vorletzten Stück spiele ich einen jungen bosnischen Polizisten. Der redet akzentfrei Schweizerdeutsch und ist unglaublich höflich. Bei der «Bachelorette» sagen solche Balkantypen zu ihrer Herzensdame: «Ich möchte mich bei Ihnen bedanken für das Gespräch, das wir führen können.» Man muss einfach die Ohren offen halten. Die Welt verändert sich.

Giacobbo: Deshalb arbeite ich auch so gerne mit jungen Menschen. Ich schätze es, wenn aus jugendlicher Power und Erfahrung etwas Neues entsteht.

Wüsste man nicht, dass Sie pausenlos auf der Bühne stehen, könnte man meinen, Sie gehören zu jenen Pensionären, die nur noch Zeitung lesen und auf X rumhängen. Sind Sie Social-Media-süchtig?

Müller: Ich bin froh, dass es diese Zerstreuungsmaschine nicht gab, als ich 18 Jahre oder Student war. Hätte es Tinder zwischen meinem 20. und 30. Lebensalter gegeben, hätte ich diese Plattform exzessiv genutzt. In einer Provinzstadt jemanden zu daten war mühsam damals. In dieser Hinsicht ist in meinem Leben viel schiefgelaufen, aber das ist eine andere Geschichte. (Seufzt)

Früher hat Viktor Giacobbo auch oft Frauenrollen gespielt, heute würde das Mike Müller übernehmen, sagt er.Video: YouTube/SRF Comedy

Viele haben der Plattform den Rücken gekehrt, als Elon Musk sie übernahm. Sie nicht. Bekommen Sie den veränderten Algorithmus zu spüren?

Müller: Natürlich, das merkt man an der eigenen Timeline. Ich muss ständig diese AfD-Massenspülungen blockieren. Meine Tweets werden auch unterdrückt.

Weil Sie aus der Perspektive von X zum linken Establishment gehören?

Müller: Keine Ahnung, geht ja nicht nur mir so. Musk hat mit freier Meinungsäusserung so viel zu tun wie ein Zwölfzylinder-Cadillac mit einem Tesla. Musk ist ein übler Manipulator, aber ich möchte jetzt nicht schlecht über illegale Immigranten wie ihn reden.

Wie lange geben Sie der Plattform noch?

Müller: Nicht mehr lange. Man munkelt, dass die Server bei X mit Gaffa-Klebeband zusammengehalten werden. Elon Musk investiert nicht in die Infrastruktur, dem geht es ums Abschöpfen.

Giacobbo: Ich poste meine Beiträge gleichzeitig auch auf den alternativen Plattformen wie Bluesky und Threads und finde es interessant, wie unterschiedlich die Reaktionen sind. Auf Bluesky sind die Diskussionen viel inhaltlicher, man hat weniger Pöbler. Irgendwann werde ich mit Elon Musks Plattform abgeschlossen haben, aber vorläufig ich bleibe noch, auch wegen meiner über 200'000 Follower.

«Ich spiele weniger Frauenrollen, das macht Mike jetzt für mich», meint Viktor Giacobbo.
«Ich spiele weniger Frauenrollen, das macht Mike jetzt für mich», meint Viktor Giacobbo.Bild: Severin Bigler/CH Media

Kann man sich dort überhaupt noch vernünftig streiten?

Giacobbo: Mit manchen schon, auch mit solchen, die ausgesprochen rechts sind. Den interessanteren von denen folge ich und sie mir auch. Zeitweise wird erfrischend gestritten. In der Komikbranche gibt es leider Leute, denen es offenbar am wohlsten in der eigenen Bubble ist. Man findet untereinander alles gut und liked sich gegenseitig die Timeline voll. Das finde ich etwas langweilig – anderseits mit aggressiven Faschos lässt sich nicht wirklich diskutieren. Da bleibt dann manchmal nur noch das Blockieren.

In deutschsprachigen Medien wird gerade das Zitat des Philosophen Antonio Gramsci herumgereicht: «Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Es ist die Zeit der Monster.» Wie geht man als Satiriker mit diesen Monstern um?

Müller: Constantin Seibt hat diese Monster in der «Republik» als «Villains» bezeichnet, Bösewichte aus der US-amerikanischen Comicliteratur. Ihr Verhalten ist unvorhersehbar. Natürlich kann man sehr einfach Witze über sie reissen. Ich habe meine Aufgabe als Satiriker aber schon zu Zeiten von «Giacobbo/Müller» anders verstanden: Wir müssen schauen, was bei uns vor der Haustür passiert. Welche Schweizer sprechen von Demokratie und rennen Figuren wie Trump hinterher? Wir können Trump ja nicht wählen oder abwählen, höchstens Elon Musks Auto boykottieren und auf diejenigen eindreschen, welche einen Tesla besitzen. Aber das ist auch wieder so ein Pseudokampf.

Giacobbo: Ausserdem müssten wir dann mit unseren Comedy-Kollegen brechen, die Tesla fahren und sich jetzt ein bisschen schämen.

Genau durch solche Pseudokämpfe haben die Linken an Glaubwürdigkeit eingebüsst. Ist das der Grund für das Erstarken der Rechten?

Müller: Den Aufstieg der Rechtsextremen den Linken in die Schuhe zu schieben, finde ich ein bisschen einfach. Und Pseudokämpfe führen viele etablierte Parteien. «Man muss jetzt ein Zeichen setzen»-Blabla.

Haben Sie einen Lieblingswitz über Trump?

Giacobbo: Es gibt einen Sketch, bei dem sieht man den Innenraum eines Flugzeugs, das wegen Turbulenzen hin und her schaukelt, die Leute geraten in Panik und plötzlich meldet sich ein Pilot, der wie Trump redet und meint, es sei unfair, dass man ihm dieses Flugzeug gegeben habe, dann schwärmt er von den vielen Lämpchen und Schaltern, die er nun bedienen könne. Zum Schluss ein Schriftzug, der erklärt, wie wichtig es sei, dass man sich den richtigen Pilot aussucht.

Aber was tut man, wenn niemand mehr Pilot sein will? In der Schweiz erklären Menschen an Medienkonferenzen ausführlich, warum sie nicht Bundesrat werden wollen und in den mittleren Führungsetagen gibt es auch kaum noch jemand, der Verantwortung übernehmen will. Warum ist Macht für ein Grossteil so unattraktiv geworden?

Müller: Ich finde, Viola Amherd sollte der Partei noch ein paar Monate Zeit geben und ein paar Informatikprojekte im VBS schrotten.

Welchem trauen Sie mehr Chancen auf den Bundesratsposten zu: Markus Ritter oder Martin Pfister?

Giacobbo: Ich habe auf X vorgeschlagen, das Fedpol solle Gerhard Pfister in Schutzhaft nehmen, ihn dann bei der Bundesratswahl der Vereinigten Bundesversammlung zuführen, die ihn dann zwangsvereidigt.

Wir müssen unbedingt noch über einen reden, der es gewagt hat, sich ins Rampenlicht zu stellen: Stefan Büsser, quasi Ihr Enkel. Was halten Sie von seiner Sendung?

Giacobbo: Er wird immer wieder mit uns verglichen, und das ist ein Fehler. Wir kamen von Anfang an aus der politsatirischen Komik, Büssi vom Mainstream. Er ist ein Top-Moderator und hat im Gegensatz zu anderen Formaten eine Show mit Live-Publikum und Talk, die zwei Stunden vor der Ausstrahlung aufgezeichnet wird. Davor ziehe ich meinen Hut! Seinen Kritikern, die ihm das offenbar nicht gönnen, sage ich: Macht das erst einmal nach, jede Woche so ein Late-Night-Ding rauszuhauen.

Müller: Viele, die gerne Late-Night machen wollen, verwechseln so ein Format damit, ihre persönliche Haltung kundzutun. Sie eifern Jan Böhmermann nach, der eine klare Haltung hat, auch bei der Auswahl seiner Liveacts. Jeder muss aber für sich selbst herausfinden, mit welchen Mitteln er arbeiten will. Büssi erlebe ich als jemanden, der weiss, was er kann und was er nicht kann. In unserer Branche ist das eher unüblich.

Hätten Sie sich Büssis versprayte Anzüge beim SRF aufschwatzen lassen?

Giacobbo: Nein, diese Kinderanzüge wären ein Kündigungsgrund für mich. Wir haben gegenüber unseren Vorgesetzten immer gesagt, was wir wollen. Entweder ich gestalte als Künstler die Sendung oder ich höre auf. Schade, dass viele Kolleginnen und Kollegen ihre künstlerische Kompetenz nicht gegen die Chefs durchsetzen.

Ihr ehemaliger Arbeitgeber hat die UKW-Sender abgestellt. Waren Sie darauf vorbereitet?

Müller: Das war ein Debakel mit Ansage. Ich habe mich vor langer Zeit mal mit Gilles Marchand drüber gestritten. Ich schaffte es nicht, ein einfaches DAB+-Gerät einzurichten und im Auto gelang mir der Einbau schon gar nicht. Warum man den privaten Radios nun diesen Reichweitensprung verschafft vor einer so wichtigen Abstimmung ist mir schleierhaft. Der zuständige SRG-Direktor sagte im Tagi, sie hätten nun sechzehn Jahre lang die Bevölkerung darauf vorbereitet. Ich dachte beim Lesen: «Aha, das haben die in der Berner SRG-Zentrale also gemacht, während wir Sendungen rausgehauen haben.» (aargauerzeitung.ch)

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Das letzte Mal Giacobbo Müller
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Das letzte Mal Giacobbo Müller
Das war es also: Gestern Abend lief auf SRF1 zum letzten Mal die Nachrichtensatire Giacobbo/Müller.
quelle: srf/mirco rederlechner / mirco rederlechner
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Das denken die watsons über Mike Müller
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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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rönsger
09.02.2025 18:19registriert Dezember 2014
Es ist schon so, dass man Berufskollegen nicht in die Pfanne haut. Und es ist richtig, dass Stefan Büsser ein guter Moderator, aber kein Satiriker ist. Insofern haben Müller/Giacobbo ihre Einschätzung zu Büssers LateNightShow sehr fein formuliert. Satire ist seit ihrem und spätestens seit Devilles Abgang beim SRF nicht mehr erwünscht bzw. nur noch einmal pro Monat erhältlich. Dabei wäre gute und bissige Politsatire gerade in diesen politisch düsteren Zeiten dringend notwendig - und, zusammen mit der weggesparten Förderung junger Satiretalente, durchaus Teil des Service-Public-Auftrags.
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John H.
09.02.2025 18:44registriert April 2019
Was ich Mike Müller 'mal fragen wollte: Was ging ihm durch den Kopf, als Wermelinger SVP Präsident wurde?
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Heinz666
09.02.2025 17:24registriert Dezember 2020
Danke für die zwei G.O.A.T.s! Die treffen den Nagel jeweils auf dem Kopf mit ihren Aussagen.
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